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OP-Saal als IntensivstationKölner Krankenhäuser stellen sich auf mehr Patienten ein

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Für die Arbeit auf den Intensivstationen brauchen Pflegekräfte auch viel technisches Wissen.

Köln – „Es sind dramatisch ansteigende Zahlen. Für uns musste jetzt etwas passieren“, sagt Professor Horst Kierdorf. Den neuesten Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz sieht der Klinische Direktor der städtischen Kliniken mit Hoffnung entgegen. Denn die Zahlen der stationär aufgenommenen Covid-19-Patienten steigt weiter.

Wie ist die Belegung der Kölner Krankenhäuser?

Am Donnerstag waren in Köln 227 Covid-19-Patienten in stationärer Behandlung, 42 davon auf einer Intensivstation. Zum Vergleich: Der Höchstwert im April lag bei 153 Patienten in der Klinik. Verteilt sind sie auf 16 Kölner Krankenhäuser, sowohl auf kleinere als auch größere. Die Kliniken Merheim und Holweide behandeln aktuell 46 Corona-Patienten, davon 16 auf der Intensivstation. „Seit einer Woche sind die Patientenzahlen bei uns kontinuierlich gestiegen“, sagt Professor Kierdorf. In der Uniklinik waren es zwölf Covid-19-Patienten, sieben davon auf der Intensivstation.

Vier Fragen an… Marina Filipović, Pflegedirektorin der Uniklinik Köln

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Marina Filipović, Pflegedirektorin der Uniklinik Köln

Egal wie viele Betten eine Klinik hat, nur mit genügend Pflegepersonal können die Patienten auch betreut werden. Wie gehen Sie mit den gestiegenen Fallzahlen um?Filipović: Wir haben unsere Betreuungsschlüssel in den Covid-Bereichen bereits verstärkt, bisher ausschließlich aus den eigenen Reihen. Bereits im Frühjahr haben wir ein Personalkonzept entwickelt. Ehemalige Intensivpflegekräfte und Pflegekräfte aus anderen Bereichen, zum Beispiel der Anästhesie, wurden für die Arbeit auf den Intensivstationen geschult, so dass sie jederzeit eingesetzt werden können. Auf der Intensivstation, auf der zurzeit die Covid-19 Patienten behandelt werden, gibt es jetzt eine zusätzliche Pflegekraft im Nachtdienst, so dass sich immer ein Mitarbeiter um maximal zwei Patienten kümmert. Den Betreuungsschlüssel möchten wir beibehalten, auch wenn sich der Arbeitsaufwand enorm erhöht hat.

Was macht die Pflege im Hinblick auf Covid-19-Patienten so anstrengend?

Neben der komplexen Bedienung der Beatmungsgeräte sind es vor allem die Hygienemaßnahmen. Bei hochinfektiösen Patienten müssen die Pflegekräfte vor dem Betreten des Zimmers eine Schutzausrüstung anziehen: Kittel, Maske, Schutzbrille, Haube, Visier und natürlich Handschuhe. Beim Verlassen des Raumes müssen sie sich wieder entkleiden. Dazu kommt eine umfassende Handhygiene. Das ist natürlich anstrengend und sehr zeitaufwendig. Je mehr infektiöse Patienten es sind, desto mehr steigt aktuell natürlich auch die Belastung der Mitarbeiter.

Wie ist die Stimmung auf den Stationen aktuell?

Noch ist die Motivation bei den Mitarbeitern hoch – wie auch im Frühjahr haben viele angeboten, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Im Moment ist die Gefahr aber auch noch nicht ganz so präsent.

Was braucht die Pflege jetzt am meisten?

Das Klatschen war eine nette Geste, aber das reicht nicht. Wir können nur an die Kölner appellieren: Bitte bleiben Sie zuhause, befolgen sie die AHA-Regeln. Das würde uns gerade am allermeisten helfen.Interview: Henriette Sohns

Kleinere Kliniken stoßen nach Recherchen der Rundschau wegen vieler Intensivpatienten bereits an ihre Kapazitätsgrenzen. Noch genug Betten haben nach eigenen Angaben das St. Hildegardis Krankenhaus und das Krankenhaus der Augustinerinnen. Beide haben weniger als zehn Covid-19-Patienten, insgesamt vier auf der Intensivstation. „Dennoch betrachten wir die derzeitige Situation und die steigenden Infektionszahlen mit Sorge“, so der Geschäftsführer der beiden Häuser, Gunnar Schneider.

Reichen die Betten der Krankenhäuser noch aus?

Bei einigen wird es langsam knapp: In den Kliniken Köln werden deshalb zurzeit Zusatzkapazitäten aktiviert. Wie bereits im März werden Operationssäle und Aufwachräume zu weiteren Intensivstationen umfunktioniert. Der Normalbetrieb der Kliniken fährt im Erwachsenenbereich auf 80 Prozent herunter, einige verschiebbare Operationen wurden bereits abgesagt.

Die Kinderklinik Amsterdamer Straße ist laut Kierdorf nicht betroffen, es gebe dort nur wenige stationäre Covid-19-Fälle. In der Uniklinik laufe der Normalbetrieb weiter, der am vergangenen Montag gebildete Krisenstab beobachte die Lage aber genau. „Bei einem weiteren Anstieg werden wir die planbaren Operationen reduzieren müssen“, sagt Christoph Wanko, stellvertretender Pressesprecher der Uniklinik.

Wie ist die Situation in der Pflege?

Die Uniklinik kann sich beim Personal noch aus den eigenen Reihen helfen (siehe Interview). Die städtischen Kliniken haben bis Ende des Jahres rund 40 zusätzliche Vollzeitkräfte in der Pflege über Drittanbieter angestellt. Die Zeitarbeitskräfte unterstützen die hauseigenen Pflegerinnen und Pfleger auf den Intensivstationen an den beiden Standorten Holweide und Merheim. „Der Markt ist abgegrast“, beschreibt Kierdorf den Fachkräftemangel. Die Lungenintensivstation in Merheim braucht beispielsweise zu jeder Tageszeit mindestens sechs Pflegekräfte im Einsatz. „Um einen Vollschichtbetrieb zu gewährleisten, braucht man rund 40 besetzte Stellen“, so Kierdorf.Da die Beatmungsgeräte hochtechnisiert sind und in der Bedienung Fachkompetenz dringend notwendig ist, greifen die Kliniken sowie die Uniklinik auch auf eigene Mitarbeiter zurück, die bereits im März extra für diese Anforderungen geschult wurden. Die Stimmung beim Pflegepersonal sei „relativ angespannt“, so Kierdorf. Die Pflegeleitungen seien „extrem beschäftigt“, die Mitarbeiter auch weiterhin zu motivieren. Mehr als „mal einen Korb mit Süßigkeiten vorbeibringen“ könne man aber auch gerade nicht tun. Eine Mehrarbeit, zum Beispiel Doppelschichten, müssten die Pflegekräfte aktuell jedoch noch nicht leisten.Ausfälle gibt es auch durch Corona-Infektionen bei den Mitarbeitern der städtischen Kliniken. Zeigen sie Symptome, so die hauseigene Regel, dürfen sie nicht weiterarbeiten, sind sie symptomfrei, dürfen sie unter Schutzauflagen gemäß den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts weiter auf den Stationen arbeiten.

Was hat sich in der Behandlung verändert?

Der häufigste Grund für die stationäre Aufnahme ist Luftnot, bedingt durch eine durch SARS-CoV2 bedingte Lungenentzündung. „Die Behandlung von Covid-19 ist häufig langwierig, insbesondere benötigen die Patienten eine längere Zeit auf der Intensivstation, 30 bis 40 Prozent mehr als andere “, sagt Uniklinik-Sprecher Wanko. Bei der Behandlung gebe es jedoch Unterschiede zum Frühjahr, sagt Professor Kierdorf.

Man versuche nicht mehr, die Patienten so früh und so lange wie möglich zu beatmen. Ohne künstliche Beatmung seien die Chancen auf eine schnelle Heilung besser. Früh verabreicht, verbessern Medikamente wie Remdesivir und das entzündungshemmende Dexamethason die Verläufe von schweren Covid-19-Fällen. „Wir haben dadurch nicht mehr so eine hohe Sterblichkeit wie im März“, sagt Kierdorf.

Wird es ein Besuchsverbot in den Kliniken geben?

Zurzeit gilt bei der Uniklinik, dass Patienten eine Stunde pro Tag Besuch bekommen dürfen. Ausgenommen sind die Palliativstation, Kinderklinik und Geburtsstation. Die städtischen Kliniken haben eine halbe Stunde pro Tag festgelegt.

Es werde in naher Zukunft eine Regelung für alle Kölner Häuser geben, so der Klinische Direktor. Diese sehe vor, dass nur noch Besucher von Schwerstkranken oder Sterbenden der Zutritt zu gewährt wird. Im Heilig-Geist-Krankenhaus, Franziskus-Hospital, St-Vinzenz-Hospital und St.-Marien-Hospital gilt ein komplettes Besuchsverbot.