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Kölner SEK-Opfer klagt„Mein Leben ist nicht mehr, wie es einmal war“

Lesezeit 3 Minuten
Wohnungstür in Mülheim

In der Tür geirrt: Hier suchte das SEK den mutmaßlichen Drogenhändler - mit schwerwiegenden Folgen für das Verwechslungs-Opfer.

Nach einem irrtümlichen SEK-Zugriff auf seine Wohnung verklagt der unschuldige Kölner Wolfgang H. das Land Nordrhein-Westfalen auf sechsstelligen Schadensersatz.

Im April 2022 änderte sich das Leben von Wolfgang H. über Nacht. Der 61-Jährige liegt in seiner Mülheimer Wohnung, als plötzlich ein Spezialeinsatzkommando durch die Tür kommt. Die Elitepolizisten glauben, einen gefährlichen Drogenhändler (34) vor sich zu haben — doch Beamten haben den falschen Mann festgenommen. Bei dem Zugriff erleidet Lackierermeister Wolfgang H. erhebliche Verletzungen.

Seit dem Tag ist der 61-Jährige nicht mehr auf die Beine gekommen. „Mein Leben ist nicht mehr, wie es einmal war“, sagte der Mann am Donnerstag im Gespräch mit der Rundschau. Nach dem missglückten Zugriff reihten sich Klinikaufenthalte aneinander, in seiner Wohnung in Mülheim konnte er nicht mehr wohnen bleiben und bis heute ist er nicht mehr arbeitsfähig. H. beschreibt die Zeit nach dem gravierenden Vorfall als „Vollkatastrophe“.

SEK-Opfer aus Köln bekommt 1500 Euro angeboten

Über seinen Anwalt in München verklagt das SEK-Opfer das Land Nordrhein-Westfalen auf Schadensersatz. Zunächst seien ihm 1500 Euro angeboten worden: „Das fand ich beschämend“. Mittlerweile habe ihm das Land 30.000 Euro angeboten, aber das reicht dem 61-Jährigen weiter nicht. „Allein mein Verdienstausfall ist im sechsstelligen Bereich“, betont er. Deswegen hält er auch einen sechsstelligen Bereich als Schadensersatzforderung als angemessen. Wann es eine Entscheidung in dem Verfahren gibt, weiß er nicht: „Es ist zäh“. Dabei möchte der 61-Jährige mit dem Fall abschließen, damit es wieder aufwärts geht.

Das Opfer des SEK-Einsatzes

Das Opfer des SEK-Einsatzes

Was war passiert? Die Einsatzkräfte hatten auf der Suche nach einem bewaffneten Drogenhändler (34) in einem Haus auf der Kieler Straße in Mülheim die Türe verwechselt. Der Beschuldigte wohnte in der Wohnung auf dem Flur gegenüber. Neben Rippenbrüchen erlitt der Mieter Hämatome in der Nähe des Auges, ein Blutgerinnsel am Ohr und Hämatome am Oberschenkel und Brustschmerzen, sagte der Mann weiter. Diese Verletzungen würden vermutlich gut verheilen, „aber meine Psyche leidet“. „Ich kann nachts schlecht schlafen und habe immer das Licht an“, sagte der Mann vor zwei Jahren.

Auch heute ist der Mann noch extrem schreckhaft und leidet an Schlafstörungen, wie er der Rundschau weiter sagte. „Das Licht der Blendgranate plötzlich in meiner Wohnung geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Dann brachten mich fünf vermummte Männer zu Boden. Ich habe direkt aus der Nase geblutet. Ich hatte Angst um mein Leben“, erinnert sich der Mieter weiter. Es sei ein „krasses Erlebnis“ gewesen. In den ersten Minuten habe er an einen Raubüberfall gedacht; erst viel später hätten sich die Männer als Polizisten zu erkennen gegeben.

Polizei und Staatsanwaltschaft äußerten sich zu dem Vorfall: „Nach aktuellem Ermittlungsstand hat der 34-Jährige bewusst darüber getäuscht, welche Wohnung des Mehrfamilienhauses er tatsächlich nutzt“, sagte ein Polizeisprecher nach dem Vorfall. Wegen einer „fehlerhaften Information“ seien die Spezialkräfte in die Wohnung des Unbeteiligten eingedrungen. In dem Haus fehlten die Namensschilder an den Türen. Die Beamten hätten sich an der Anordnung der Klingelleiste orientiert und hätten auch beim Stromanbieter nachgefragt, so die Staatsanwaltschaft.

Der Irrtum bei einem Zugriff hatte für die Beamten eines Spezialeinsatzkommandos keine juristischen Konsequenzen. Das Verfahren sei eingestellt worden, teilte eine Sprecherin der Kölner Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Rundschau mit. Ein strafbares Handeln sei nicht erkennbar gewesen.