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Einsatz in Köln-MülheimSEK dringt in falsche Wohnung ein – Kölner verletzt

Lesezeit 3 Minuten
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Aufgebrochen: Hinter dieser Tür im Dachgeschoss suchte das SEK den mutmaßlichen Drogenhändler – vergeblich.

Köln/Region – Das wird der Mieter einer Wohnung an der Kieler Straße im Kölner Stadtteil Mülheim vermutlich nie vergessen: Bewaffnete Spezialkräfte sind am frühen Dienstagmorgen in die Wohnung des 59-Jährigen eingedrungen, haben ihn überwältigt und anschließend gefesselt. Das Spezialeinsatzkommando glaubte, sie würden einen gesuchten bewaffneten Drogenhändler festnehmen – doch die Elitepolizisten hatten den falschen Mann überwältigt.

Der 59 Jahre alter Lackierer aus dem Raum Karlsruhe lebt seit rund 15 Monaten in der Erdgeschosswohnung in Mülheim und wollte eigentlich am Morgen zur Arbeit gehen. Stattdessen liegt er im Klinikum Merheim mit erheblichen Verletzungen. Das Opfer zählte auf: „Ich habe Hämatome im Gesicht. Meine Nase blutete. Ich habe Schmerzen an der linken Seite meines Körpers und mehrere Prellungen“.

Zu Boden geworfen und mehrfach getreten

Der Mieter berichtete im Gespräch mit der Rundschau von einem brutalen Vorgehen der Spezialkräfte. „Fünf Männer haben mich zu Boden geworfen, dann wurde ich mehrfach getreten“. Vorher sei eine Blendgranate in den Raum geworfen worden. Ihm seien sofort eine Maske über das Gesicht gezogen und die Hände mit Kabelbinder gefesselt worden. Im Gerangel wurde zudem ein Tisch zerstört. Etwa eine halbe Stunde hätte er nicht sagen können, dass die Polizei sich geirrt habe. „Ich hatte eine Maske über dem Gesicht und konnte nicht sprechen“, so der 59-Jährige.

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Im Dachgeschoss brachen Polizisten diese Räumlichkeiten auf.

Die Polizei entschuldigte sich ausdrücklich bei dem Mieter. Wegen einer „fehlerhaften Information“ seien die Spezialkräfte in die Wohnung des Unbeteiligten eingedrungen, teilte die Behörde mit. Kriminaldirektor Michael Esser betonte, dass es eine interne Einsatznachbereitung geben werde. „Eine sofortige Betreuung des Mannes wurde angeordnet“, sagte ein Polizeisprecher. Außerdem werde die Polizei zivilrechtliche Ansprüche des 59-Jährigen prüfen. Im Gespräch mit der Rundschau betonte das Opfer, dass er sich juristische Schritte vorbehalte. Der Schock sitzt bei dem Mieter so tief, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in die Wohnung zurück will. „Ich bin nur froh, dass meine Lebensgefährtin nicht bei mir übernachtet hat und dies miterleben musste“, sagte der Mann.

SEK-Pannen

Dass Spezialkräfte in Wohnungen von Unbeteiligten stürmen, kommt eher selten vor. Dennoch gab es in den vergangenen Jahren immer wieder mal Vorfälle: Im Jahr 2003 stürmten SEK-Kräfte bei einer Razzia in der Kölner Maybachstraße die falsche Wohnung. Die Beamten hatten das Gebäude mit einem Nachbarhaus verwechselt.

Im Severinsviertel stürmten Beamten eines Düsseldorfer Spezialeinsatzkommandos eine falsche Wohnung – der 37-jährige Mieter erlitt Bauchverletzungen. Ein Polizeihund hatte sich an dem Opfer verbissen und dem Unschuldigen erhebliche Verletzungen zugefügt. Eigentlich sollten Betrüger festgenommen werden. (ta)

Den gesuchten Drogenhändler fanden Spezialkräfte nicht. Der Beschuldigte wohnt in einer Nachbarwohnung. Als der Mann dort nicht gefunden wurde, brachen die Spezialkräfte noch zwei Räume im Dachgeschoss auf, standen dann aber im Hausspeicher.

Die Aktion im Kölner Stadtteil Mülheim war nur eine von vielen Durchsuchungen am Dienstagmorgen. Bei den Razzien gegen mutmaßliche Drogenhändler im Rheinland hatten Polizisten zahlreiche Objekte durchsucht, Vermögenswerte in Millionenhöhe sichergestellt und drei Tatverdächtige verhaftet.

Groß angelegte Razzia

Die Einsätze fanden in mehreren Kommunen aufgrund getrennter Verfahren bei den Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Köln nahezu zeitgleich am Dienstagmorgen statt. Die Ermittler kamen in beiden Fällen den mutmaßlichen Drogenhändlern über verschlüsselte Kommunikationsdaten (Encrochat-Daten) auf die Spur.

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In dem Düsseldorfer Verfahren wird der Drogenhändlergruppe unter anderem vorgeworfen, zwischen März 2020 und Juni 2021 tonnenweise Marihuana, rund 50 Kilogramm Haschisch und etwa 30 Kilogramm Kokain gehandelt zu haben. Die Polizei durchsuchte in den Morgenstunden nach eigenen Angaben insgesamt 16 Wohn- und Geschäftsgebäude in NRW (Düsseldorf, Köln, Leverkusen, Hilden, Leichlingen, Langenfeld und Erkrath) und in Rheinland-Pfalz (Winterburg, Hillesheim und Jünkerath).

Bei der Razzia der Kölner Polizei geht es um eine mutmaßliche Drogenhändlergruppe, bestehend aus vier Tatverdächtigen im Alter von 25 bis 34 Jahren. Der 34-Jährige lebt in dem durchsuchten Haus in Köln-Mülheim.