Köln – Dass ihre Aufgabe wichtig ist und dass sie nicht leicht sein wird, das wussten die Mitarbeiter der Anlaufstelle „Leuchtzeichen“ sehr wohl. Im März haben sie ihre Beratungsstelle für Betroffene sexueller Gewalt im kirchlichen Kontext in der Markmanngasse neben dem Heumarkt eröffnet. Doch dann kam es weit schwerer als erwartet. Die Nachfrage sei so groß, die Kooperation vor allem des Erzbistums Köln so gering gewesen, dass es in den jetzigen Strukturen nicht mehr schaffen sei. „Ich kann das als Ehrenamt neben meinem Beruf nicht mehr leisten“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle, Jeanette Berger. „Leuchtzeichen“ muss sich neu aufstellen.
Auch aus anderen Bistümern suchen Menschen hier Rat
„Aktuell sind es 16 Fälle, die ich betreue“, sagt Sozialarbeiterin und -pädagogin Berger. Das beinhaltet Gespräche über das Widerfahrene, den Kontakt zu dem Bistum, in dessen Reihen sexuelle Gewalt ausgeübt wurde – und nicht zuletzt Hilfe auf dem langwierigen und bürokratischen Weg hin zu einer Entschädigung. Neben diesen 16 Fällen, seien immer wieder Einzelgespräche an der Tagesordnung. Betroffene, die sich telefonisch melden, ihre Geschichte erzählen , ein offenes Ohr von außerhalb für ihren Leidensweg finden wollen. Die erste Überraschung, die auf „Leuchtzeichen“ nach Eröffnung der Beratungsstelle zukam: Die Rat- und Hilfesuchenden kommen auch aus anderen Bistümern. Es wird bewusst ein Anlaufpunkt außerhalb der Strukturen gesucht, innerhalb derer der Missbrauch stattfand. Zumal der Einflussbereich oftmals nicht an der Kirchenmauer endet. „Mit Fällen aus dem Bistum Essen sind wir gut vertreten“, sagt Berger. Eine Entwicklung, mit der sie so nicht gerechnet hatte, weil das Bistum Essen bei der Aufklärung von Fällen sexueller Gewalt häufig als vorbildlich wahrgenommen werde. „Die Betroffenen erzählen uns da was ganz anderes. In Essen gibt es offensichtlich einen Widerspruch zwischen dem Bild nach außen und dem, was im Inneren wirklich passiert“, lautet die Einschätzung der Beratungsstellenleiterin.
Kritik am Umgang mit Missbrauchsopfern in Köln
Anders als in Essen: Das Erzbistum Köln steht in der Kritik für seinen Umgang mit Missbrauchsfällen. Und Berger kann diese Kritik nur untermauern. „Die Kommunikation mit zuständigen Stellen in der Bistumsverwaltung hat sich als sehr schwierig herausgestellt“, sagt sie. „Es gibt mehrere Fälle, in denen Mails von mir bis heute nicht beantwortet wurden – und ich rechne ehrlich gesagt nicht mehr damit.“ In anderen Fällen würden langwierige Korrespondenzen über die Berechtigung geführt, dass Mitarbeiter von Leuchtzeichen sich im Namen der Betroffenen an das Erzbistum wenden.
Ein Sprecher des Erzbistum sagt zu der Kritik: „Die Stabsstelle Intervention legt größten Wert auf einen vertrauensvollen und reibungslosen Austausch mit allen, die das Wohl der Betroffenen im Blick haben. Von zentraler Bedeutung ist dabei, die Interessen und insbesondere die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren. Um diesem Vertrauensverhältnis gerecht werden zu können, ist es für die Arbeit der Stabsstelle Intervention auch bei der Kommunikation mit externen Stellen selbstverständlich, sich von der Legitimität einer Anfrage im Namen einer Beratungsstelle zu überzeugen.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Masse der Fälle, die aufwendige Bearbeitung und die Haltung des Erzbistums dazu: „Wir müssen uns angesichts dieser Entwicklung anders aufstellenn, die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen“, sagt Berger, die „Leuchtzeichen“ zwar erhalten bleibt, aber die Leitung der Anlaufstelle niederlegt.