Köln – Als die Menschen zum letzten Mal aus den Luftschutzkellern und Bunkern klettern, ist ihre Stadt der völligen Zerstörung noch ein Stück näher gekommen. Die Infrastruktur ist nun vollends zerstört, das Leitungsnetz gekappt. Nochmals flüchten Tausende Menschen ins Rechtsrheinische, die Stadtverwaltung verlässt ihren Sitz, auch das Polizeipräsidium in der Krebsgasse ist zerbombt. Es ist der 6. März 1945, als die Alliierten Köln „sturmreif“ schießen.
Luftbilder, aufgenommen aus einem Kriegsflugzeug, veranschaulichen eindrucksvoll den Grad der Zerstörung von Köln, der Metropole im Westen. In der Innenstadt sind nur noch der Wasserturm und der Dom zu identifizieren, mit ihren unzähligen Ruinen wirkt die Stadt wie ein Gerippe. Von den einst 750 000 Einwohnern sind viele geflüchtet oder getötet worden, nur noch etwa 40 000 Menschen sind in den linksrheinischen Stadtteilen geblieben. Die Wunden sind so groß, dass Bürgermeister Konrad Adenauer später sogar erwägt, die Stadt weiter nördlich wieder aufzubauen.
Nach dem letzten Luftangriff dauert es noch vier Tage, bis die Kampftruppen der Amerikaner generalstabsmäßig geplant in Köln einmarschieren. Von Westen her nähern sie sich dem Zentrum, über Subbelrather Straße, Venloer Straße rücken sie schließlich zum Dom vor. „Meine Herren, ich übergebe euch Köln, macht ihnen die Hölle heiß“, soll der Leutnant der dritten US-Panzerdivision seine Männer eingeschworen haben.
Widerstand trotz aussichtsloser Lage
Dieser 6. März 1945 ist geprägt von vielen schicksalhaften Begegnungen und Ereignissen. An der Christophstraße gerät die Kölnerin Katharina Esser (27) als Insassin eines zivilen Opel P4 zwischen die Fronten und findet den Tod – recherchiert hat dies der Journalist Hermann Rheindorf. Am Dom leistet eine deutsche Panzerbesatzung Widerstand, obwohl ihre Lage aussichtslos ist. Denn kurz vor 12 Uhr sprengen Soldaten der Waffen-SS die Hohenzollernbrücke, um den Amerikanern den Weg ins Rechtsrheinische so schwer wie möglich zu machen. Die Stadt ist eine Wüste der Zerstörung. 30 Millionen Kubikmeter Schutt sollen später zusammengetragen worden sein.
Bis zur letzten Patrone solle die Stadt verteidigt werden, so lautete der Befehl der Wehrmachtssoldaten. Doch viel Widerstand erleben die Amerikaner bei ihrem Einmarsch in Köln nicht mehr. Einige Bewohner hängen weiße Laken aus den Fenstern. Teilweise werden den US-Soldaten Bier und andere Getränke als Freundschaftsgeste gereicht. Die Soldaten revanchieren sich mit Zigaretten und Brot. „Das Wichtigste war das Ende des Bombenkrieges, unabhängig vom persönlichen Hintergrund der Menschen. Sie konnten nachts endlich wieder durchschlafen“, resümiert Dr. Martin Rüther, Historiker des Kölner NS-Dokumentationszentrums. Sechs Jahre Krieg und 268 Luftangriffe haben die Menschen an diesem 6. März hinter sich. Vorbei die Zeit, in der Leichen auf Straßen und Feldern liegen.
Zu diesem Zeitpunkt ist Gauleiter Joseph Grohé mit einigen Begleitern bereits ins Rechtsrheinische geflohen, nur vereinzelt harren deutsche Soldaten in ihren Verstecken aus. In den 1980er Jahren tauchte der Bericht eines Kämpfers auf, der mitteilte, am Niederländer Ufer noch bis zum 8. März alles abgefeuert zu haben, was an Munition übrig war. Auf einem provisorisch zusammengebauten Boot seien die Männer dann über den Rhein geflüchtet – vor ihnen waren bereits viele Soldaten beim Fluchtversuch ertrunken, zum Teil hatten ihnen Holztüren als Floß gedient.
Die Einnahme Kölns haben die US-Truppen exakt geplant, Straße für Straße nehmen sie ein und errichten ihre Quartiere. Gefolgt werden die vorrückenden Panzer von mehreren Kameramännern und amerikanischen Kriegsreportern, die Zeugen dieses historischen Ereignisses werden. „Nie zuvor hatten Besatzungstruppen mit Zerstörungen dieses Ausmaßes fertig werden müssen“, bilanziert die New York Times.
In Paris gibt das US-Militär eigens eine Pressekonferenz, um über die Einnahme Kölns zu informieren. Doch zunächst beherrschen die Amerikaner nur das linksrheinische Stadtgebiet, das Rechtsrheinische folgt erst in den darauffolgenden Tagen und Wochen. Die Grundlage für den Beginn der amerikanischen Militärregierung ist geschaffen.