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Lesung in KölnWarum Hape Kerkeling wehmütig wurde

Lesezeit 3 Minuten

Hape Kerkeling zog das Publikum in Köln in seinen Bann

Was er auch immer macht, es wird ein Publikumserfolg. Wie Hape Kerkling nun auch wieder am Kölner Tanzbrunnen bewies.

Die Kölner an sich sind ja ohnehin ein schnell zu begeisterndes Event-Publikum. Dass es sich aber schon beim „Einmarsch“ des Künstlers zu „Standing Ovations“ hinreißen läßt, kommt dann doch nicht alle Tage vor. So war wohl selbst Hape Kerkeling überrascht, dass ihm diese Ehre zuteilwurde, als er im brechend vollen Tanzbrunnen die Bühne betrat, um zum ersten Mal öffentlich sein neues Buches „Gebt mir etwas Zeit“ vorzustellen.

Mit majestätischer Geste

Und Hape Kerkeling wäre nicht Hape Kerkeling, wenn er darauf nicht wohlwollend mit jenem majestätischen Winken reagiert hätte, mit dem einst im Fernsehen die niederländische Königin Beatrix täuschend echt parodiert hatte. Schon sind wir mittendrin in der Motivation, die Hape Kerkeling dazu bewogen hat, dieses Buch zu schreiben: „Seit meiner Kindheit wollte ich wissen, woher kommen meine Vorfahren? Deshalb habe ich in ein Röhrchen gespuckt und es zur Analyse der DNA in die USA geschickt. Auf Grundlage des wissenschaftlichen Ergebnisses habe ich mich an den Schreibtisch zurückgezogen, habe mir die Haare gefärbt mit „Honig-Melone“ von Schlecker und dann drei Jahre lang recherchiert – die Pandemie hatte mir ja etwas Zeit gegeben.“

Der Spruch, der jetzt seinem Buch den Titel gab, stand im 17. Jahrhundert an einem Haus in Amsterdam, in dem der Hutmacher Cornelis Kerkeling sein Geschäft hatte. Und diese Läden mit dem abgetrennten Umkleide-Separees entwickelten sich nach und nach zu Bordellen. Es war so, wie heute mit den Coffeeshops in den Niederlanden, wo alles Mögliche verkauft wird, nur kein Kaffee. Apropos Kaffee: „Auch in meinem unersättlichen Kaffee-Konsum - schon nach dem Aufstehen und vor dem Schlafen gehen eine Kanne – haben sich meine niederländischen Wurzeln durchgesetzt“, so Kerkeling.

Wehmütige Erinnerung

Nicht nur skurrile Geschichten entdeckte Kerkeling bei seinen Recherchen, er stieß auch auf einen niederländischen Vorfahren, der, weil er eine Katholikin heiratete, zum „schwarzen Schaf“ der Familie wurde und schließlich in Gelsenkirchen landete. „Viele in der Familie mussten sich im Lauf der Jahrhunderte irgendwie verstecken. Auch mich erwischte es in den 1980er Jahren, als ich mich in Duncan verliebte und mit ihm bis zu seinem AIDS-Tod 1989 in Amsterdam lebte, wo man Homosexuellen gegenüber viel toleranter war, als hierzulande.“ Diese wehmütigen Erinnerungen an eine zugleich glückliche wie auch tragische Zeit sind ein besonders zu Herzen gehendes Kapitel in Kerkelings Buch: „Es hat mich Mut gekostet, darüber zu schreiben, weil das ist natürlich sehr privat ist.“ Und er weist freundlich, aber bestimmt einen Fotografen darauf hin, seinen in der ersten Reihe sitzenden, jetzigen Lebensgefährten nicht zu fotografieren: „Das ist mein Mann. Bitte kein Foto veröffentlichen!“

Dann rücken wieder all die wunderbaren, mit leichter Hand erzählten Geschichten in den Mittelpunkt, bei denen sich Hape Kerkeling auch als brillanter Vorleser entpuppt: „Ich bin Schauspieler! Warum sollte ich einen Sprecher engagieren, der ist viel zu teuer“, erklärt er selbstbewusst dem Publikum. Einem Publikum, für das er immer ein Ohr hat, seine Lesung für ihre Fragen unterbricht – auch wenn er die meist wegen der fehlenden Saalmikrophone, wiederholen muss. Das raubt der Veranstaltung unnötig viel Zeit, die man gerne noch mit der einen oder anderen Anekdote verbracht hätte.

Nummer 111 in der Thronfolge

So wie mit seiner Ahnenforschung in England, wo er rausgefunden hat, dass er an der 111. Stelle der britischen Thronfolge steht,wenn sich alles bewahrheiten sollte: „Wenn ich auch das schwedische Bullerbü-Gesicht meiner Mutter geerbt habe, väterlicherseits bestehen da schon Ähnlichkeiten mit King Charles. Aber vielleicht ist letztlich der Zweifel spannender als die Gewissheit.“ Der begeisterte Schlussapplaus ließ zumindest keine Zweifel daran aufkommen, dass man – nicht nur mit einem signierten Buch – glücklich nach Hause ging, sondern dort sofort in ein Röhrchen spuckt, um es am nächsten Morgen über den großen Teich zu schicken. Vielleicht entpuppt man sich ja als Königinnen-Kind.