„Alles deutet auf eine zweite Welle“Leiter der Kölner Gesundheitsamtes im Interview
Lesezeit 4 Minuten
Die Zahl der Infizierten in Köln steigt stetig.
Mit Dr. Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamtes, sprach Sabrina Steiger über die Entwicklung.
Herr Dr. Nießen, der Blick liegt im Moment besonders auf der Entwicklung an den Schulen. Warum wird am Gymnasium Kreuzgasse die Hälfte der Stufe einer Infizierten in Quarantäne geschickt und an der Montessori-Grundschule nur das infizierte Schulkind?Johannes Nießen: Wir versuchen alles, damit Schulen nicht schließen müssen. Wenn ein Kind positiv getestet ist, rückt deshalb sozusagen die Corona-Polizei aus – das heißt, unsere Mitarbeiter ermitteln, wie hoch die Gefährdung war, die von dem Kind für den Rest der Schule ausging. Die Elftklässlerin am Gymnasium Kreuzgasse hat sich leider sehr verantwortungslos verhalten – keine Maske getragen und eine Zigarette gemeinsam mit zwei Mitschülerinnen geraucht.
Deshalb mussten alle ihre Kurse in Quarantäne. Der Fall aus der Montessori-Schule war ein 10-jähriger Junge, der nur fraglich positiv getestet war … die genaueren Nachtestungen verliefen negativ, so dass hier keine Quarantänemaßnahmen durchgeführt werden mussten.
Sie sind zurzeit schwer zu erreichen. Was beschäftigt Sie neben den Schulen noch?
Gerade komme ich zum Beispiel von einer Informationsveranstaltung für städtische Erzieherinnen. Wir wollen sie im Gesundheitsamt für das Index- und Kontaktpersonenmanagement einsetzen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Kita arbeiten dürfen.
Weil sie zur Risikogruppe gehören?
Ja, wer über 60 ist oder Vorerkrankungen hat, sollte dort nicht hingehen, das ist gefährlich. Aber hier sitzen und mit Kontaktpersonen telefonieren, das geht.
Rüstet sich Köln für die zweite Welle?
Es deutet tatsächlich alles auf eine zweite Welle hin. Ob es allerdings ein Wellchen oder eine hohe Welle wird, wissen wir nicht. Die Zahlen in Köln steigen durch die Reiserückkehrer, aber nicht ganz so schnell wie damals am Anfang der ersten Welle. Ich glaube auch nicht, dass diese zweite so hoch wie die erste Welle wird, weil wir inzwischen Maßnahmen ergriffen haben.
Welche sind das?
Wir intensivieren das Management der Index- und Kontaktpersonen.
Was ist das Besondere am Kölner System?
Wir kümmern uns intensiv nicht nur um die Kontakte, sondern auch um die Infizierten selbst. Sie werden jeden Tag angerufen und gefragt, wie es ihnen geht; sie bekommen auch eine Telefonnummer, wo sie rund um die Uhr anrufen und ihre Sorgen, ihre psychischen Belastungen loswerden können.
Besonders aufmerksam sind wir um den fünften oder sechsten Tag, weil sich da der Zustand oft verschlechtert. Neulich sagte zum Beispiel einer, dem es bis dahin relativ gut gegangen war, heute gehe es ihm besonders gut. Den haben wir am Tag darauf direkt ins Krankenhaus gebracht – die Euphorie war ein Symptom des beginnenden Sauerstoffmangels.
Die Zahl der Infizierten steigt, aber die der Toten kaum.
Ja, weil wir die alten Menschen in den Pflegeheimen, die schnell sterben, schützen. Derzeit infizieren sich nicht so sehr die Älteren, sondern mehr die Jüngeren, die sich wieder viel treffen. Aber auch denen muss man sagen: Das ist eine heimtückische Erkrankung, die nicht zu unterschätzen ist.
Wie viele von ihnen sind Reiserückkehrer?
Zwischen 25 und 50 Prozent der Neuinfektionen am Tag in Köln sind Reiserückkehrer.
Die nach einem Test am Flughafen Köln/Bonn nicht lange auf ihr Ergebnis warten mussten – anders als in Bayern.
Ja, das muss man mal so sagen dürfen. Bei uns werden die Daten der Testpersonen von Anfang an digital erfasst – sie können ihre Krankenkassenkarte einlesen oder einen QR-Code scannen, über den sie dann ihre Angaben machen. So kann der Computer das Ergebnis schnell der Testperson zuordnen, die dann eine Benachrichtigung auf ihr Smartphone erhält. Wenn das Ergebnis positiv ist, steht sogar schon dabei, bis wann die Quarantäne dauert.
Die Reiserückkehrer, die Schulen, was macht Ihnen noch Sorgen mit Blick auf die weitere Entwicklung?
Die privaten Feiern müssen wir im Blick behalten. Und tatsächlich die Grippe: Die Frage ist, ob sich die beiden Viren im Herbst vereinen und zusammen viele anstecken. Deshalb kann man jetzt schon dazu raten, sich gegen Influenza impfen zu lassen.