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Konrad AdenauerUnfall auf der Aachener Straße prägte Gesicht des neuen Landes

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Köln – Nicht nur erster Kanzler der Bundesrepublik, sondern in Personalunion auch bis 1955 deren Außenminister war Konrad Adenauer. Weltweit galt er deshalb vielen als Gesicht des neuen Deutschlands – und dieses Gesicht wurde entscheidend geprägt durch einen Verkehrsunfall auf der Aachener Straße.

Am 18. September 1917 wird Konrad Adenauer von der Stadtverordnetenversammlung mit 52 von 54 Stimmen zum Kölner Oberbürgermeister gewählt – die restlichen zwei Stimmen sind ungültig. Warum aber ist er selbst bei der Wahl nicht zugegen? Adenauer hatte es gemeinhin eilig und fuhr deshalb gerne schnell Auto. Nicht von ungefähr engagierte er sich für eine kreuzungsfreie „Nur-Autostraße“ zwischen Köln und Bonn, auf der weder Fußgänger, noch Radfahrer, noch das „Treiben und Führen von Tieren“ erlaubt sein sollten. Diese erste deutsche Autobahn, die heutige A 555, weihte er als Oberbürgermeister Kölns am 6. August 1932 mit den Worten ein: „So werden die Straßen der Zukunft aussehen.“

Adenauers Chaeuffeur baute schweren Unfall

Adenauer fuhr allerdings nie selbst, sondern hatte stets Chauffeure, die er gerne mit „Jeben Se Jas!“ zur Geschwindigkeit anspornte. Verwunderlich bei seiner Vorgeschichte. Am 20. März 1917 nämlich wollte der damalige Dezernent für die städtische Lebensmittelversorgung im Dienstwagen vom Rathaus schnell zum häuslichen Mittagstisch in die Max-Bruch-Straße 6 in Lindenthal. 13.20 Uhr war es, als sein Fahrer in der Aachener Straße, Ecke Oskar-Jäger-Straße, mit einer entgegenkommenden Straßenbahn kollidierte. Adenauers Chauffeur kommt mit ein paar Kratzern davon, aber er selbst wird Kopf voran in die Autoscheibe geschleudert. Bluttriefend soll er aus dem Wrack gekrochen sein, Kopfhaut aufgerissen, Gesicht zerschnitten, Nasenbein eingedrückt, Jochbein gebrochen, Teile des Kiefers zerschmettert, der Unterkiefer ausgerenkt. Auch etliche Zähne hatte er verlorenen, doch sofort war er wieder um Haltung bemüht und bestand darauf, auf eigenen Füßen den halben Kilometer zum Braunsfelder Dreifaltigkeitskrankenhaus, Aachener Straße 445, zu gehen, wo er erst ohne Narkose genäht wurde, um danach in Ohnmacht zu fallen.

Gerüchte kommen auf, Adenauer habe Hirnverletzungen davongetragen. Nach dem Krankenhaus fährt Adenauer für einige Monate zum Erholungsurlaub nach St. Blasien. In Abwesenheit wird er zum neuen Oberbürgermeister gewählt, dem mit 41 Jahren jüngsten im Deutschen Reich. Nachts kann er seit dem Unfall nicht mehr ohne Tabletten schlafen, weshalb er gerne mittags einnickt. Vor allem aber musste sein Gesicht mühsam wiederhergestellt werden und erhielt leicht exotische Züge. Der amerikanische Außenminister John Foster Dulles soll deshalb gefragt haben, ob unter Adenauers Vorfahren ein Indianer gewesen sein könnte.

Narbe des Unfalls blieb immer sichtbar

Adenauers Gesicht führte dann zu lebhaften Diskussionen in den Wahlkämpfen der Bundesrepublik. Am 27. September 1955 saß der Kanzler für den Kölner Künstler Chargesheimer, der ein Porträtfoto machen wollte, so „wie der Lenbach den Bismarck gemalt“ habe. Adenauer war vom Resultat wenig angetan. „Finden Se dat schön?“, fragte er Chargesheimer nachher skeptisch. Gerade dieses Porträt wählte der Spiegel dann am 11. September 1957, vier Tage vor der Bundestagswahl, als Titelbild für sein Magazin aus und trat damit einen Sturm der Entrüstung los.

Der Bundeskanzler, damals 81 Jahre alt, werde hier als Greis dargestellt, schimpften die Anhänger der CDU. Das Foto suggeriere, dass „der Alte“ dem Amt nicht mehr gewachsen sei – in der Tat zitierte der Spiegel in seiner Titelgeschichte dann auch eine wissenschaftliche Studie, derzufolge „im Spät- und Greisenalter eine Verlangsamung der psychischen Abläufe, Abnahme der Merkfähigkeit, Erschwerung der Wortfindung und Verarmung an Gedankeneinfällen festzustellen“ sei, außerdem „Minderung der geistigen Produktivität und Initiative, die die Notwendigkeit nach sich zieht, mehr und mehr auf Automatismen des psychopraktischen Apparates zurückzugreifen.“ Die CDU selbst hatte im Wahlkampf auf Fotografien weitgehend verzichtet und auf ein Plakat mit gemaltem Adenauer-Konterfei gesetzt, darunter die Mahnung: „Keine Experimente!“ Auch mit seinem zerfurchten Greisengesicht jedoch, in dem die Narben seines Unfalls von 1917 noch sichtbar waren, gewann Adenauer 1957 die absolute Mehrheit.