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Kölns ShoppingmeileWie die Hohe Straße wieder mehr Qualität bekommen will

Lesezeit 5 Minuten
Hohe Strasse 4

Ein Blick auf die Hohe Straße.

Köln – Wenn von der Hohe Straße die Rede ist, wird oft über Leerstand, Qualitätsverlust und Niedergang geklagt. Dabei gerät bisweilen in den Hintergrund, dass sie nach wie vor zu den absoluten Top-Lagen innerhalb Deutschlands zählt. Und gerade im Moment ist einiges im Wandel.

Der Wallrafplatz, natürliches Einfallstor zur Kölner Shopping-Welt, machte den Anfang: Unter anderem mit Namen wie Breitling, Bulgari, Wempe und Swarovski, aber auch Montblanc oder Victorinox hat sich das Entrée gewandelt und wird es weiter tun. Schönheitsfehler wie die nächste Burger-Braterei sind da laut Thomas Nandzik, Head of Retail South West von CBRE, nie ganz zu vermeiden: „Wenn das Angebot stimmt, schert man eben auch mal aus“, sagt er in Bezug auf die Immobilienbesitzer.

Eigentümer wollen mitziehen

Aber gerade bei diesem immens wichtigen Thema habe sich in letzter Zeit sehr viel getan. „Die Eigentümer haben reagiert und sind mittlerweile sehr offen neuen Ideen gegenüber“, stellt der Dienstleister im gewerblichen Immobiliensektor fest. Vielerorts wurde mit den Mieten heruntergegangen, die Laufzeiten sind kürzer – und vor allem investieren die Eigentümer wieder selbst in ihre Objekte. Etwa, wenn es um den Umbau großer Objekte in kleinere Einheiten geht, das ganze Layout verändert werden muss. Oder mit einer neuen, zeitgemäßen Fassade. Demnächst ist nach dem Auszug von O2 und Only die Nummer 152-154 dran. Das klassische Single Tenant-Haus mit mehreren Etagen sei dagegen klar auf dem Rückzug: „Die meisten potenziellen Mieten interessieren sich nur für das Erdgeschoss, an den Obergeschossen haben sie kaum Interesse.“

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Leitbildprozess Hohe Straße / Schildergasse

Einen optimistischen Ausblick gab Markus Greitemann.

Der Auftrag

Um den Strukturwandel von Hohe Straße und Schildergasse zu begleiten, wurden die Stadtplaner „Stadt + Handel“ beauftragt, gemeinsam mit der Stadt, dem Handel und weiteren Akteuren ein Leitbild für die beiden Lagen zu entwickeln. Gestern erfolgte die Impulsveranstaltung im „_blaenk store“ an der Schildergasse.

Der Startschuss

Nach der Eröffnung durch Baudezernent Markus Greitemann stellte Jens Nußbaum die drei Stufen das Verfahren vor: Die Analyse, die Entwicklung des Leitbildes und die Umsetzung. Die ersten ganz konkreten Schritte sollen im Frühjahr nächsten Jahres angegangen werden.

Die Voraussetzungen

Sehr schnell wurde einmal mehr deutlich, dass Corona in vielen Fällen der Katalysator eines ohnehin einsetzenden Prozesses war. Und dass sich sowohl im Handel selbst wie auch in der Aufenthaltsqualität einiges ändern muss. „Reine Handelslagen funktionieren nicht mehr“, so Nußbaum. Vielmehr brauche es einen Mix aus Handel, Gastronomie, Kultur und attraktiver Gestaltung. Wer heute gezielt shoppen gehe, habe andere Ansprüche als früher. Der Einkauf soll zum Erlebnis werden mit Lokalkolorit und einer ausgeprägten Spezialisierung. „Heute haben beide Straßen ein bisschen was von allem, aber Dinge mit Pfiff fehlen“, so Nußbaum.

Kunst und Kultur

Ein großes Kapital liegt nach Ansicht aller Anwesenden ebenfalls weitgehend brach: Kölns kultureller Reichtum von Museen über römische Spuren bis hin zur Stadtgeschichte. Große Hoffnungen liegen hier auf der Via Culturalis, die eine Verbindung schaffen soll zwischen Kultur- und Flaniermeile.

Die Eigentümer

Eine echte Verbesserung ist aber nur mit den Immobilien-Eigentümern möglich. Speziell auf der Hohe Straße zeigt sich hier mehr als ein Hoffnungsschimmer, nämlich die deutlich Bereitschaft, an den Veränderungen mitzuwirken. Was gerade hier auch im engen Dialog möglich ist, da sich noch viele Immobilien in deutscher Hand befinden und die Wege dementsprechend kurz sind. Allerdings mahnen die Eigentümer auch Unterstützung von der Stadt an, was die Gestaltung des öffentlichen Raumes von der Beleuchtung bis zum Bodenbelag angeht.

Die Sicherheit

In der anschließenden Diskussion wurde allerdings auch deutlich, dass viele Anwohner wie Geschäftsleute speziell rund um den Neumarkt sich jetzt und sofort Änderungen herbeisehnen. Die Pandemie habe das Problem der Obdachlosigkeit verschärft, auch der Drogenkonsum auf offener Straße nehme weiter zu. Die Stadt sei in der Pflicht. (two)

Also gilt es, Interessenten genau hierfür zu finden. Und die gibt es, wenn auch oft aus ganz anderen Bereichen. Mikro-Logistiker etwa, die kleinere Stützpunkte zur Auslieferung der gekauften Waren unterhalten, eine Spielewelt für Kinder, Fitness, Kunst und Kultur, die die Aufenthaltsqualität insgesamt fördern und interessanter gestalten können, bis hin zu Kandidaten wie Sanifair, die einfach die eigentlich dringend benötigte Sanitär-Infrastruktur vorhalten. Gegen Gebühr, versteht sich.

Mehr Luxus kommt in die Hohe Straße

Und noch etwas verändert sich gerade in Köln: Der Luxus zieht ein, jedenfalls im vorderen Teil. Ins DomCarré etwa setzt Nandzik sehr große Hoffnungen. Wer in der Vergangenheit mehr oder weniger automatisch nach Düsseldorf ging, zeigt nun mehr und mehr Interesse am südlichen Nachbarn. „Es gibt für manche Marken auch gar nicht mehr viel Auswahl bei den Standorten“, ist Nandzik überzeugt. Es seien nun einmal die großen Städtenamen die ziehen. Und da gehöre Köln unzweifelhaft dazu.

Der hintere Teil der Hohe Straße profitiert zweifellos von der Saturn-Ansiedlung an der Ecke Gürzenichstraße. Hier entwickelt sich langsam eine Elektronik-Peripherie mit wohlklingenden Namen. Apple machte den Anfang, der Boxen- und Kopfhörerspezialist Teufel folgte, seit kurzem sind direkt um die Ecke auch Xiaomi und Samsung vertreten (wir berichteten). Man muss kein Prophet sein um zu vermuten, dass sich die ganze Ecke einem jüngeren, technikaffinen Publikum zuwenden wird – möglicherweise inklusive Verlängerung bis zum Neumarkt. Es ist sicher kein Zufall, dass sich mit Snipes und den fast schon obligatorischen Five Guys am Neumarkt zwei Unternehmen angesiedelt haben, die auf ein junges Zielpublikum setzen.

Weg von Billig-Textilien und Süßwarenläden

Der mittlere Teil der Hohe Straße ist es, der die meisten Sorgen bereitet. Hier wurden viele Leerstände mit Billig-Textilien oder Süßwarenverkauf aus Pappkartons notdürftig gestopft. Wer genau hinschaut, bemerkt allerdings auch hier Bewegung. Einige Schreihälse sind inzwischen wieder verschwunden, bei anderen wird es eine Frage der Zeit sein. Dass sich auch hier mittlerweile der Wind ein wenig dreht, merkt man nicht zuletzt an den ersten zaghaften Versuchen weiterer Gastronomie-Betriebe. Wenn auch ohne große Chancen auf Außengastro, das gibt der Platz einfach nicht her. Der aber wäre etwa in den Seitenstraße gut vorhanden, die ohnehin mehr Aufmerksamkeit vertragen würden. Als in den Lockdowns die Menschenmassen ausblieben, fiel der Blick einigermaßen ernüchternd aus – vieles wurde offensichtlich, was man eigentlich gar nicht sehen wollte.

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Hoffnungen setzen Handel, Politik und Verwaltung nun in den Leitbildprozess Hohe Straße und Schildergasse (s. Infotextlinks). Der soll einerseits den durch Corona extrem beschleunigten, aber bereits vorher in vollem Gange befindlichen Strukturwandel begleiten und im besten Fall auch leiten.