Kölns Innenstadt im LockdownKein Duft von Lebkuchen und Glühwein – Nirgends
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Köln – Um die Infektionszahlen zu senken, sollte Köln idealerweise leer sein. So gähnend leer wie die knochentrockene Wüste in alten Western-Filmen, durch die höchstens mal ein Heuballen wirbelt. Nicht so leicht in einer Millionenstadt. Aber wie geht es den Kölnern kurz vor Weihnachten mit den harten Lockdown-Maßnahmen und wie gehen sie damit um?
Die Fußgängerzone platzt am letzten Samstag vor dem Fest aus allen Nähten. Normalerweise. Im Lockdown sind Hohe Straße und Schildergasse verwaist, ein Vater spielt mit seinem Sohn Fußball. Das hat schon was von trockener Wüste, kein Duft von Lebkuchen und Glühwein, nirgends.
Einige bummeln dennoch über die stillgelegten Konsummeilen, andere nutzen die milden Temperaturen für einen Spaziergang am Rhein. Größtmögliche Abwechslung in schläfriger Kulisse.
Wenigstens lockt ein wolkenloser Himmel am Samstag ans Rheinufer. Entlang der Bastei schlendert Studentin Luca Trueson. Die 21-Jährige ist auf dem Weg zu ihren Freunden, die sie dort trifft. „Zurzeit gehe ich oft spazieren und bin viel Zuhause.“ Die Weihnachtsfeiern mit den Freunden finden per Videokonferenz statt. „Und mit einem Glühweinchen.“ Ihr hilft die Kommunikation per Internet, um Kontakte zu halten.
Ein Stück weiter ist nicht nur der Ausblick auf den Rhein, sondern auch die Sichtweise anders. Rentnerin Marianne Schneider nutzt das Internet kaum für sozialen Kontakt. „Ich fühle mich schon sehr isoliert“, gibt die kulturbegeisterte Frau offen zu.
„Vor Corona habe ich viel Zeit in Vereinen verbracht, habe oft das Theater und Kino besucht. Zurzeit fehlen mir die Weihnachtsmärkte und als Single und mit kleinem Freundeskreis fühle ich mich doch recht einsam.“
„Ich bin trotzdem in Weihnachtsstimmung“
Alleine ist sie an diesem Tag am Rhein aber nicht. Um sie herum fahren die Menschen Rad, Joggen und gehen spazieren. An die Maskenpflicht halten sich die meisten Menschen. An die Abstandsregeln auch. Gastronomen in der Altstadt bieten Getränke und Essen zum Mitnehmen an.
Dennis und Franziska genießen Sonne, Kaffe und Teilchen to go. Franziska kann die Maßnahmen verstehen. „Ich komme damit zurecht. Aber die Gastronomen sind unnötig gestraft. Ich finde das Treffen in einem Restaurant unter Hygienemaßnahmen gefahrloser als wenn ich meine Freundinnen zuhause ohne treffe.“ Dennis vermisst die Restaurant-Kultur weniger. „Ich schätzte die ruhige Zeit, fange an kreativ zu sein und viel zu kochen. Trotz Corona bin ich in Weihnachtsstimmung.“
Innenminister Reul auf Kontrollgang
Abstand halten ist schwierig: Am Samstagabend begleitet NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) Einsatzteams des Ordnungsamtes und der Polizei bei einer Corona-Kontrolle durch die Stadt. Startpunkt des Kontrollgangs ist die Severinstorburg in der Südstadt.
Der Minister zieht mit einer Gruppe aus Polizisten, Ordnungsamtsmitarbeitern und etwa 30 Medienvertretern über einen Teil der Bonner Straße. „Ich wollte wissen, wie sich die Menschen am ersten Wochenende mit Lockdown-Bestimmungen verhalten“, sagt Reul. Während des Einsatzes ahnden die Ordnungshüter neun Verstöße gegen die Maskenpflicht und drei Verstöße gegen das Kontaktverbot.
Nach dem Spaziergang durch die Südstadt zieht der Chef Bilanz: „Ich freue mich, dass sich die Bürger weitestgehend an die Maskenpflicht halten. Ich glaube, die Leute sind klüger als wir manchmal denken“, resümierte Reul. Natürlich mache es keinen Spaß mit dem Mund- und Nasenschutz herumzulaufen, aber um Spaß gehe es nicht derzeit.
Ans Fest erinnert auf der Schildergasse einzig die feierliche Beleuchtung. Und drei Männer in Weihnachtsmann-Kostümen. Sie verteilen Spielzeug und Glückskekse. Nuredin, Andi und Chris sind mit ihren Motorrädern von Dormagen nach Köln gefahren, um Obdachlose und Kinder zu beschenken. „Ich arbeite bei einem Spielzeuganbieter und wir hatten noch Kekse und Spielsachen übrig, womit wir den Menschen eine Freude und den Tag ein bisschen bunter machen wollten“, erzählt Nuredin.
Seit sechs Stunden sind sie als Weihnachtsmänner unterwegs und merken langsam, dass auch gute Taten anstrengend sind. „Jetzt sind wir kaputt, aber super glücklich, dass sich die Menschen so gefreut haben.“
Corona-Gegner und Karnevals-Gegendemo
Während sich der Arbeitstag der Weihnachtsmänner dem Ende neigt, leert sich die Stadt weiter. Vereinzelte Corona-Gegner verteilen sich grüppchenweise und wollen mit Kerzen und Lampions eine Lichterkette an der Hohenzollernbrücke bilden. Wenige Meter weiter stehen Matthias, Katharina, Zsuzsa und Thomas in Narrenkostümen und machen eine karnevalistisch anmutende „Mini-Gegendemonstration“.
„Wir wollen den öffentlichen Raum nicht den Coronaleugnern überlassen“, erzählt Matthias. Denn gegen Leugner hilft aus der Sicht der vier Freunde nur kölsche Satire. Und damit treffen sie bei den Passanten einen Nerv. Klar, Corona müsse man schon ernst nehmen. Aber niemals die Lebensfreude dabei verlieren.