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Konzept verschwindet im NirvanaKVB wollen Sicherheit an Haltestellen erhöhen – daran hakt es

Lesezeit 5 Minuten
In einem Gang, der zum Bahnsteig führt, liegt Müll auf dem Boden.

An vielen Bahnsteigen ist es dreckig und es sind Drogenutensilien zu finden, wie hier am Appellhofplatz.

Das Elend auf den Kölner Straßen hat offensichtlich zugenommen. Die unterirdischen Haltestellen der KVB sind keine Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Entwicklung, sie sind das Brennglas.

Angst arbeitet gegen die Verkehrswende. Wer befürchtet, an der Haltestelle oder in der Bahn von Drogensüchtigen, Bettlern oder Kriminellen angegangen zu werden, der meidet Bus und Bahn, der steigt lieber ins Auto. Angst ist nicht rational. Was immer auch in der Statistik über Gewalt in Bus und Bahn sowie an Bahnsteigen steht, ist es dort dreckig, liegen dort Drogenutensilien, halten sich dort furchterregende Personen auf, nimmt das Unbehagen zu. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) würden gerne mehr tun gegen die Angst. In Absprache mit der Politik hat der Betrieb ein Konzept entwickelt. Für die Innenstadt sieht es sogar eine 24-Stunden-Streife an sieben Tagen in der Woche vor. Es gab sogar schon eine Vorlage dazu, mit Nummer und Gremienverlauf. Im vergangenen Dezember hätte der Stadtrat darüber entscheiden sollen. Doch die Vorlage ist verschwunden. Im digitalen Nirvana. Es heißt, die Kämmerei hat sie aus dem Verkehr gezogen.

Unterdurchschnittliches Sicherheitsgefühl

Es braucht keine Statistik. Das Elend auf den Kölner Straßen hat offensichtlich zugenommen. Junkies setzen sich in aller Öffentlichkeit eine Spritze. Schwerstalkoholiker liegen im Vollrausch in Ecken. Viele verwahrlost. Bettler drehen ihre Runden. Einige aggressiv. Die unterirdischen Haltestellen der KVB sind keine Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Entwicklung, sie sind das Brennglas. Dort kommt das alles gebündelt auf die Fahrgäste zu. Und das erzeugt Druck. Abzulesen am sogenannten Kundenbarometer im alljährlichen Qualitätsbericht des Betriebs, zu desen Erstellung er gesetzlich verpflichtet ist. Der jüngste stammt aus dem Jahr 2022. 500 Fahrgäste wurden zu dem Thema „Sicherheit in den Abendstunden“ befragt. Auf einer Skala von 1 bis 5 ergab sich eine Bewertung von 3,3. Unterdurchschnittlich. Und dieser Wert würde wohl noch sinken, ginge die Befragung tiefer.

Die KVB wollen diese Zustände nicht. Der Betrieb kann die Gesellschaft nicht verändern, „nur“ die Sicherheit hochfahren. Und dazu ist er bereit. Arbeitstitel: „KVB SOS“. Die Ziele sind klar definiert in der Vorlage, die nur noch lesen kann, wer sie sich rechtzeitig ausgedruckt hat. „Die KVB wird ihr bestehendes Sicherheitskonzept ergänzen, um an identifizierten Einsatzschwerpunkten die Kundensicherheit im Stadtgebiet zur erhöhen“, ist darin zu lesen. Erreicht werden soll das unter anderem durch „verstärkte Präsenz an Plätzen mit besonderem Handlungsbedarf“. Und durch die „Durchsetzung des Hausrechts“. Weiter ist in dem Konzept zu lesen: „Darüber hinaus wurden Schwerpunkthaltestellen identifiziert. Diese weisen einerseits ein besonders hohes Fahrgastaufkommen auf, anderseits sind sie erfahrungsgemäß Anlaufstellen für problematische Personengruppen.“ Aufgelistet werden sie nicht in dem Konzept. Doch es braucht kein Hintergrundwissen, um auf die Schnelle eine Hitliste zu erstellen: Neumarkt, Ebertplatz, Friesenplatz, Wiener Platz. Der Lösungsansatz der KVB: „Die Präsenz von Mitarbeitern stellt nicht nur eine Hilfe zum reibungslosen Fahrgastwechsel dar, sondern schreckt auch problematische Personengruppen vom Aufenthalt in den ÖPNV-Anlagen ab.“

Wie soll diese Präsenz verstärkt werden? Die Teams aus den getrennten Arbeitsbereichen Service, Ordnung und Sicherheit sollen laut des Konzeptes zusammengeführt werden, zu KVB SOS. Dieses Gesamtteam würde zusätzlich mit 38 Mitarbeitenden verstärkt. Fünf Problembezirke haben die KVB umrissen, auf die sich das SOS-Team fokussieren soll. In einem Bezirk Innenstadt - von den Ringen bis zum Rhein - wäre so eine Bestreifung rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche möglich. In den weiteren von der KVB gebildeten Bezirken ist ein Zwei-Schicht-Betrieb vorgesehen. Jeder Bezirk soll einen „Funkwagen“- das „KVB SOS-Mobil“ - erhalten.

Und dann kommt die Vorlage zu dem Punkt, der wohl der Kipppunkt ist: Für das zusätzliche Personal und die Ausstattung berechnet der Betrieb 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Allerdings, wird kein Finanzierungsvorschlag gemacht. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Vorlage im klassischen Sinn, sondern um einen sogenannten Haushaltsbegleitbeschluss. Die Idee, die sich hinter dem sperrigen Begriff verbirgt: Die KVB weisen alljährlich ein Defizit aus. Im vergangenen Jahr rund 150 Millionen Euro. In diesem Defizit sei genug Luft, um die 2,5 Millionen Euro abzufangen, heißt es aus den Reihen der Befürworter des Sicherheitskonzeptes.

Hinter den Kulissen wird gerungen

Offiziell will sich zu der „verschwundenen Vorlage“ keiner äußern, denn hinter den Kulissen wird um ihre Zukunft noch gerungen. Das Vorgehen zur Finanzierung sei aber mit der Kämmerin abgesprochen gewesen. Doch in der Zwischenzeit hat sich nicht nur die Sicherheits- sonder auch die Finanzlage besorgniserregend verschlechtert. Der „Puffer“ im Defizit der KVB sei alleine schon durch die Tariferhöhungen mehr als aufgebraucht. Darum habe die Kämmerin die „Sicherheitsvorlage“ nicht gegengezeichnet und aus dem Gremienverlauf genommen, ist aus der Politik zu erfahren.

Die Kämmerei äußert sich auf Anfrage der Rundschau nicht dazu. Es komme immer wieder mal vor, dass eine Vorlage zurückgezogen werden, das sei nicht unüblich, sagt eine Stadtsprecherin lediglich.


KVB-Sicherheit

105 Mitarbeitende haben die Kölner Verkehrs-Betriebe laut Qualitätsbericht 2022 im Bereich Sicherheit und Service. 28 Mitarbeitende sind in Dienstfahrzeugen im Einsatz und „bestreifen“ Haltestellen und U-Bahnstationen. Zudem gibt es zwei Hundeführer. Einige der Sicherheitskräfte tragen in einem Pilotprojekt Bodycams.

Die Straßenbahnen und Busse sind im Innenraum mit Überwachungskameras ausgerüstet. „Auf den Fahrebenen sind alle unterirdischen Haltestellen mit Videoüberwachung ausgestattet, ebenso die Zwischenebenen der Nord-Süd Stadtbahnsowie Neumarkt, Rudolfplatz, Friesenplatz und Dom/Hauptbahnhof“, heißt es in dem Qualitätsbericht aus dem Jahr 2022.

Mit der Polizei gebe es eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, ebenso mit den Ämtern der Stadt.