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Kölner Stadtwerke-Chef„Bund muss mehr Geld für Bus und Bahn bereitstellen“

Lesezeit 6 Minuten
Michael Theis, Geschäftsführer der Stadtwerke Köln.

Michael Theis ist hauptamtlicher Geschäftsführer der Stadtwerke Köln.

Seit 1. Januar ist Michael Theis (59) hauptamtlicher Geschäftsführer der Stadtwerke Köln (SWK). Im Interview betont er: Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn Bund und Land mehr Geld für Bus und Bahn bereitstellten

Warum wollten Sie zu den Stadtwerken Köln? 2018 gab es ja viel Wirbel, als Martin Börschel ohne Ausschreibung hauptamtlicher Geschäftsführer werden sollte.

Die Situation habe ich seinerzeit zur Kenntnis genommen. Das liegt ja nun auch schon länger zurück. Es hat mich nicht davon abgehalten, mich hier zu bewerben und diese Aufgabe zu übernehmen.

Was hat Sie daran gereizt?

Mich motiviert besonders, dass ich bei den Stadtwerken die Transformation der Stadt mitgestalten kann. Dass ich also daran mitarbeiten kann, die Energie- und Mobilitätswende und die Digitalisierung voranzutreiben auf dem Weg zu einem klimaneutralen Köln 2035. Ich liebe Veränderung. Stillstand ist nicht so mein Ding, ich will nicht verwalten, sondern Veränderungen aktiv mitgestalten.

Wie fällt Ihre Bilanz nach einem halben Jahr aus?

Die Stadtwerke Köln sind ein sehr gut aufgestellter Konzern, der einerseits viel im Bereich Daseinsvorsorge für die Menschen leistet – Stichwort KVB, AWB, KölnBäder – und andererseits mit wirtschaftlich starken Einzelgesellschaften wie RheinEnergie oder HGK erfolgreich in den Märkten ist. Das ist eine solide Basis, um die großen Aufgaben, die vor uns liegen, zu bewältigen. Die Transformation kostet viel Geld. Da ist es gut, wenn auch ertragsstarke Unternehmen daran mitwirken, diese Aufgaben zu stemmen.

Warum brauchen die SWK überhaupt einen hauptamtlichen Geschäftsführer neben den bisherigen drei nebenamtlichen Chefs? Was ist Ihre Rolle?

Ich bin der einzige hauptamtliche Geschäftsführer und verantworte direkt die Bereiche Finanzen, Beteiligungscontrolling und Revision. Zudem bin ich die Schnittstelle zur Kämmerei der Stadt Köln. Da ich anders als meine Kollegen nicht noch ein weiteres Unternehmen zu führen habe, habe ich mehr Kapazitäten, mich um die Belange der SWK zu kümmern und ihre Interessen gegenüber den Einzelgesellschaften zu artikulieren. Es gibt zunehmend Aufgaben, bei denen Koordination sinnvoll ist, wie etwa die ESG-Kriterien zur Bewertung der nachhaltigen und ethischen Praxis von Unternehmen, die CSRD-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Ein fürchterliches Wort...

Allerdings. Jedenfalls sind das alles Themen, die alle SWK-Gesellschaften gleichermaßen betreffen. Und sie nehmen zu. Es macht Sinn, dass wir solche Themen stärker koordinieren, zentral bearbeiten und einheitliche Vorgehensweisen etablieren. Dafür bin ich unter anderem da. Außerdem erbringen wir Dienstleistungen für die Einzelgesellschaften wie steuerliche Beratung, Rechtsberatung, Immobilienmanagement, Werkswohnungen.

Schreiben Sie einzelnen SWK-Unternehmen künftig vor, wie viel Geld sie wofür ausgeben dürfen?

Nein. Es ist nicht der Anspruch der SWK-Führung, in das operative Geschäft ihrer Einzelgesellschaften einzugreifen. Wir regieren da nicht rein. Aber es ist meine Aufgabe, ein Gesamtbild aufzuzeigen und danach zu fragen: Wo wollen wir als Gesamtkonzern strategisch hin? Diesen Prozess möchte ich gerne lenken im Sinne einer Moderation. Meine Aufgabe ist es aber auch, herausfordernd zu sein und die Einzelgesellschaften kritisch zu hinterfragen: Könnt ihr eure Ziele, am Ende auch unsere gemeinsamen Ziele mit der geplanten Strategie erreichen?

Die Stadt Köln will bis 2035 klimaneutral sein, das erfordert gewaltige Investitionen, allein zehn Milliarden Euro bei den SWK. Wie wollen Sie die finanzieren?

Das ist angesichts gestiegener Zinsen und Kosten eine große Herausforderung. Jede Einzelgesellschaft muss ihre Investitionen im Wesentlichen selbst finanzieren. Ein ertragsstarkes Unternehmen wie die Rheinenergie kann das aus sich heraus bewerkstelligen. Bei der KVB oder den Kölnbädern, die strukturell defizitär sind, ist das anders. Die KVB muss bis 2035 rund 3,5 Milliarden Euro investieren. Davon sind 2,0 Milliarden für Ersatz und Erhaltung der bestehenden Infrastruktur und Fahrzeuge vorgesehen und 1,5 Milliarden für die Transformation. Wir müssen also in einer Zeit, in der wir in die Transformation investieren wollen, gleichzeitig sehr viel Geld ausgeben, um die bestehenden Angebote zu erhalten.

Wie soll das gelingen?

Früher gab es wesentlich mehr Zuschüsse von Bund und Land, zum Beispiel für neue Stadtbahnwagen. Man muss ganz klar sagen: Wenn wir in Deutschland im Sinne des Klimaschutzes Bus und Bahn stärken und das Angebot ausbauen wollen, dann müssen Bund und Land dafür mehr Geld bereitstellen. Das können die Verkehrsbetriebe, beziehungsweise die Stadtwerke und Kommunen nicht alleine schaffen. Und wir brauchen auch klare Zusagen aus Berlin, dass der Bund dauerhaft für die Ausfälle aufkommt, die durch das 49-Euro-Ticket entstehen.

Kommen auf die Bürger neben hohen Strom- und Gaspreisen jetzt auch höhere Kosten bei Abfallgebühren, Bädereintritt oder KVB zu?

Das muss im Einzelfall entschieden werden. Grundsätzlich fließen natürlich die Effekte steigender Energie-, Material- und Personalkosten in die Kalkulationen mit ein.

Die GAG erhöht seit diesem Jahr ihre Mieten bis an die Obergrenze des Mietspiegels. Gibt es bei den Stadtwerken eine vergleichbare Vorgabe, bei Preisen und Gebühren stärker hinzulangen, um mehr Geld einzunehmen?

Nein, überhaupt nicht.

Werden die SWK auch künftig in der Lage sein, rund 40 Millionen Euro pro Jahr an den städtischen Haushalt auszuschütten?

In den nächsten Jahren werden wir dieses Ziel halten können. Aber ab 2028 wird es zunehmend herausfordernder werden. Dann könnte es durchaus sein, dass wir Eigenkapital von der Stadt benötigen werden, um etwa Investitionen bei der KVB zu ermöglichen.

Die HGK ist durch den Kauf von Neska und Shipping stark gewachsen und hat damit ihren Gewinn deutlich erhöht. Planen die SWK, weitere Unternehmen aufzukaufen, um mehr Geld zu erwirtschaften?

Die HGK hat sich auf eine spannende Reise begeben und ist damit sehr erfolgreich. Dass sie jetzt integrierte Logistikketten anbietet, nutzt nicht nur den Unternehmen und dem Bürger, sondern kommt auch dem städtischen Haushalt zu Gute. Die Rheinenergie ist ohnehin schon sehr breit aufgestellt mit ihren Beteiligungen etwa an den Stadtwerken entlang der Rheinschiene und mittelbar im Umland. Hier bieten sich im Blick auf die anstehenden Transformationsaufgaben weitere Chancen.

Inwiefern?

Kleinere und mittelgroße Stadtwerke werden in den nächsten Jahren bei der Transformation von der Zusammenarbeit mit der Rheinenergie profitieren – etwa beim Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft. Ich kann mir vorstellen, dass sich bei der Wärmewende und beim Erneuerbaren-Ausbau weitere Kooperationen entwickeln werden. Ein interessanter Bereich ist auch die Abfallwirtschaft. Wir haben in Köln eine große Müllverbrennungsanlage, die wir gerne voll auslasten möchten. Wir laden daher Nachbarkommunen ein, nicht eigene Entsorgungskapazitäten aufzubauen, sondern die vorhandenen gemeinsam mit uns zu nutzen.


Stadtwerke Köln

Zu den Stadtwerken Köln (SWK) gehören verschiedene Kölner Unternehmen der Daseinsvorsorge, darunter die Rheinenergie (Strom, Gas, Fernwärme, Wasser etc.), die Kölner Verkehrs-Betriebe (Nahverkehr), die Abfallwirtschaftsbetriebe, Netcologne (Telekommunikation), HGK (Logistik), Kölnbäder und Moderne Stadt (Stadtentwicklung). Vorsitzender der SWK-Geschäftsführung ist Rheinenergie-Boss Andreas Feicht. Weitere nebenamtliche SWK-Geschäftsführer sind Netcologne-Chef Timo von Lepel und KVB-Chefin Stefanie Haaks. Michael Theis kam im Januar 2023 als einziger hauptamtlicher SWK-Geschäftsführer dazu.

Die Stadtwerke Köln gehören der Stadt Köln. Mit knapp 14.000 Beschäftigten haben sie im Jahr 2022 einen Gewinn in Höhe von 68,4 Millionen Euro erzielt (Vorjahr: 72,7 Millionen). Der Umsatz kletterte wegen der stark erhöhten Energiepreise um 66,7 Prozent auf elf Milliarden Euro.