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Einsam in der großen StadtImmer mehr alleinstehende Senioren in Köln – Hilfsangebote wachsen

Lesezeit 5 Minuten
Ein älterer Herr mit Stock geht in einer Fußgängerzone entlang.

In Köln leben rund 90.000 alleinstehende Personen über 60 Jahre. (Symbolbild)

In Politik, Verwaltung und Gesellschaft wächst die Erkenntnis, dass mehr gegen Einsamkeit getan werden muss.

Einsamkeit ist eines der großen Tabuthemen unserer Zeit. Wer unter Einsamkeit und sozialer Isolation leidet, spricht in der Regel nicht gerne darüber. Doch Einsamkeit kann nachweislich krank machen, was Hilfsangebote umso wichtiger macht.

In Politik, Verwaltung und Gesellschaft wächst die Erkenntnis, dass mehr gegen Einsamkeit getan werden muss. Die Enquetekommission des NRW-Landtags hat festgestellt, dass mehr als 14 Prozent der Menschen in NRW einsam sind. Die Landesregierung hat Ende 2022 in der Staatskanzlei eine „Stabsstelle Einsamkeit“ eingerichtet. Und auch die Stadt Köln hat sich die Bekämpfung von Einsamkeit auf die Fahnen geschrieben.

„In Köln leben rund 90.000 alleinstehende Personen über 60 Jahre. Das ist fast jeder sechste der 570.000 Kölner Haushalte“, erläutert Dr. Harald Rau, Dezernent für Soziales, Gesundheit und Wohnen im Gespräch mit der Rundschau. Aus dem Kölner Lebenslagenbericht wisse man, dass der Anteil der älteren Menschen in Köln zunehmen werde. „Alles, was das Alter betrifft, wird in Zukunft stärker eine Rolle spielen“, betont Rau. Die Corona-Pandemie mit den Lockdowns und Ausgehsperren habe ein besonderes Schlaglicht auf das Thema Einsamkeit geworfen, doch es habe auch schon vorher große Bedeutung gehabt.

Die Grafik zeigt ein Hochhaus und mehrere Zahlen geben Aufschluss, wie groß die Vereinsamung in Köln ist.

Immer mehr Menschen leben in Köln allein.

Auslöser für Vereinsamung bei Älteren seien oft kritische Lebensphasen wie der Eintritt in den Ruhestand, der Tod des Partners oder eine Erkrankung. Hinzu komme, dass Ältere in einer zunehmend digital vernetzten Welt häufig technisch überfordert sind und die neuen Kommunikationswege nicht nutzen. Einsamkeit zu verhindern sei nicht nur ein soziales Anliegen, um die Lebensqualität der betroffenen Menschen zu verbessern, sondern auch aus gesundheitspolitischen Erwägungen sinnvoll, unterstreicht Rau. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass Einsamkeit im Schnitt zu mehr physischen und psychischen Erkrankungen führt. Und umgekehrt wissen wir, dass Menschen, die sozial gut vernetzt sind, gesünder leben und zum Beispiel seltener an Demenz erkranken als der Durchschnitt.“

Problematisch sei, dass das Thema meist mit Scham behaftet ist. „Wer einsam ist, sagt selten: Ich bin allein, hilf mir.“ Unterm Strich sei klar, „dass wir als Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft dieses Thema ernst nehmen und aktiv etwas dagegen tun müssen“, so Rau. Ein zentrales Anliegen ist für ihn, dass mehr betroffene ältere Menschen, aber auch ihre Angehörigen erfahren, welche Angebote es in der Stadt gibt und wie sie Unterstützung erhalten. „Wir haben die gewählte Seniorenvertretung als starkes Gremium, das sich sowohl in Köln insgesamt als auch in den neun Stadtbezirken aktiv für die Belange der Älteren einsetzt“ berichtet der Dezernent. „Darüber hinaus gibt es 66 von der Stadt geförderte Seniorennetzwerke in den Veedeln. Unser Ziel ist es, diese Einrichtungen in allen 86 Stadtteilen zu etablieren.“

In Seniorennetzwerke werden Freizeitaktivitäten angeboten

Neben Beratung bieten die von ehrenamtlichen Kräften betriebenen Seniorennetzwerke diverse Freizeitaktivitäten wie Basteln, Singen, Ausflüge oder PC-Kurse an. Für alleinstehende Ältere, die mit der Haushaltsführung überfordert sind, gibt es Angebote zur Unterstützung im Haushalt, die finanziell gefördert werden können. Es finden auch präventive Hausbesuche für Senioren ab 75 Jahren statt, durch qualifizierte Mitarbeiter der von der Stadt hierfür eigens beauftragten Träger. Dabei gehe es um Beratung zu Themen wie Wohnsituation, Finanzen und Pflege. Ziel: „Wir wollen verhindern, dass Menschen schneller pflegebedürftig werden, weil sie einsam sind“, sagt Rau.

2022 habe es 1750 solcher Hausbesuche gegeben, darunter 1313 Erstkontakte und 437 Wiederholungsbesuche. Seit 2002 gebe es zudem zahlreiche von der Stadt beauftragte Seniorenberatungsstellen flächendeckend in jedem Stadtbezirk, darunter in jedem Bezirksrathaus eine professionelle Seniorenberatung mit jeweils einer halben Stelle. Insgesamt seien voriges Jahr 9890 Menschen beraten worden, so Rau. Ein weiteres Angebot sei die häusliche Unterstützung für Menschen mit Demenz und deren Angehörige. Außerdem betreue die von der Stadt beauftragte Koordinierungsstelle für allein lebende Menschen mit Demenz dauerhaft rund 60 Personen.

Mit der Fahrradrikscha durch Köln fahren

Ein interessantes Projekt gegen Vereinsamung ist „Radeln ohne Alter“. Für 100.000 Euro hat die Stadt elf Fahrradrikschas angeschafft, darauf unternehmen Ehrenamtler Ausflüge durch die Stadt mit Menschen, die nicht mehr selbst Rad fahren können. Dem Umgang mit Sterben und Tod – oft ebenfalls ein Tabuthema – widmet sich die „Caring Community Köln“. Sie startet im Mai in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln das „Buddy-Projekt“ (Kumpel-Projekt). Es richtet sich an Menschen mit einer fortgeschrittenen, tödlich verlaufenden Krankheit. Haupt- und ehrenamtliche „Buddies“ sollen ihnen frühzeitig als Ansprechpartner zur Seite stehen und sie begleiten, damit sie ihren Weg in Würde zu Ende gehen können. „Wir wollen die Menschen nicht allein und einsam sterben lassen“, so Rau.

Der Sozialdezernent möchte nicht nur, dass die Hilfsangebote bekannter werden. Er hofft auch, dass sich mehr Menschen finden, die bereit sind, sich als ehrenamtliche Helfer zu engagieren. Dabei sind ausdrücklich auch Senioren gemeint. „Wer sich ehrenamtlich für andere engagiert, kann auch der eigenen Vereinsamung aktiv vorbeugen. Man hilft also nicht nur der Gesellschaft, sondern auch sich selbst.“ Informationen über die Angebote der Stadt Köln für Seniorinnen und Senioren und Menschen mit Behinderung gibt es unter der Telefonnummer 0221/221-27400 sowie im Internet


Singlehaushalte

1,88 Personen lebten laut dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Köln Ende 2021 durchschnittlich in einem Kölner Haushalt. Von den rund 560.000 Kölner Haushalten werden 285.000 von Singles bewohnt, also gut die Hälfte (50,8 Prozent). Knapp jeder dritte Single (31,6 Prozent) ist älter als 60 Jahre. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Singlehaushalte um 16,4 Prozent erhöht. Die meisten von ihnen finden sich im Bezirk Innenstadt, gefolgt von Nippes, Ehrenfeld und Lindenthal. Die wenigsten Alleinstehenden leben in Chorweiler.

Die Zahl der älteren Menschen in Köln wird in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen. Ende 2021 lebten 63.357 Menschen in der Stadt, die 80 Jahre oder älter waren. Bis zum Jahr 2050 wird ihre Zahl laut einer Prognose des städtischen Statistikamts um 22.000 Personen oder rund ein Drittel wachsen. 42,3Jahre beträgt das aktuelle Durchschnittsalter der Kölnerinnen und Kölner. Bis zum Jahr 2050 steigt es laut Prognose auf 43,5 Jahre. Mehr Angebote für die wachsende Zahl der Senioren zu schaffen, wird künftig eine ähnliche Herausforderung für die Stadt wie momentan der Bau neuer Schulen. Um die vorhandenen Angebote für Ältere und Menschen mit Behinderungen besser zugänglich zu machen, arbeitet die Stadt derzeit an einem digitalen Stadtplan, auf dem sich mit wenigen Klicks sämtliche Beratungs- und Hilfsangebote im eigenen Veedel finden lassen. (fu)