Der Prozess um den Tod einer Frau, die von einer Betonplatte auf der Autobahn erschlagen wurde, startet erneut. Drei Bauingenieure sind angeklagt.
Tödliches Drama A3So lief der Neustart des Betonplatten-Prozesses in Köln
Alles auf Anfang hieß es am Montag beim Prozess um den Tod von Anne M. (66), die im November 2020 auf der Bundesautobahn A3 von einem sechs Tonnen schweren Betonelement einer Schallschutzwand erschlagen worden war. Der Neustart des Prozesses war vom Oberlandesgericht (OLG) Köln am Montag vor zwei Wochen angeordnet worden, nachdem es der Besetzungsrüge einer Verteidigerin stattgegeben hatte.
Die hatte bemängelt, dass eine ursprünglich als Schöffin vorgesehene Grundschuldirektorin wegen angeblicher Kollisionen von beruflichen und gerichtlichen Terminen von der Vorsitzenden Richterin Sibylle Grassmann von ihren Pflichten entbunden worden war. Das OLG teilte die Bedenken der Verteidigerin und rügte, Grassmann habe die Entpflichtung nicht ausreichend dokumentiert und begründet, wie das Landgericht auf Nachfrage der Rundschau erklärt hatte. Mit neuen Schöffen auf der Richterbank und einer Hilfsschöffin, die beim Ausfall eines der beiden regulären ehrenamtlichen Richtern übernehmen würde, startete der Prozess nun also in Runde zwei.
Vorwurf: Fahrlässige Tötung durch Unterlassen
Angeklagt sind drei Bauingenieure. Einem 62-Jährigen legt die Staatsanwaltschaft Totschlag durch Unterlassen sowie vorsätzliche Baugefährdung vor. Zwei ehemaligen Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßen.NRW wird fahrlässige Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass die drei Beschuldigten wussten, dass die Betonplatte nicht dem Plan entsprechend montiert wurde und ein erhebliches Risiko darstellten.
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Der 62-Jährige war laut Staatsanwaltschaft während des achtspurigen Ausbaus der A3 von 2006 bis 2008 Bereichsleiter bei der vom Landesbetrieb Straßen.NRW beauftragten Baufirma. Bei dem Autobahnausbau waren sogenannte Lärmschutzwand-Vorsatzschalen mit einem Gewicht von jeweils sechs Tonnen in Halterungen in einer Betonwand eingehängt worden. Beim Einbau der später havarierten sowie sechs weiterer Betonplatten habe sich jedoch herausgestellt, dass die Maße nicht mit den vorgesehenen Halterungen übereinstimmten. Mit Kenntnis des 62-Jährigen seien dann improvisierte Haltewinkel angeschweißt worden, was aber einen mangelnden Korrosionsschutz zur Folge gehabt habe. Der Landesbetrieb Straßen.NRW sei damals über die nicht dem Plan entsprechende Befestigungen informiert gewesen. Darum sei ein von der Baufirma ein Statik-Gutachten zur Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Konstruktion verlangt worden.
Negatives Gutachten hatte keine Folgen
Dieses habe dem 62-Jährigen bereits im September 2008 vorgelegen und darin sei festgestellt worden, dass die Konstruktion mit den abgeänderten Haltewinkeln weder tragfähig, noch dauerhaft sei. Das Gutachten soll der Ingenieur zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht an Straßen.NRW weitergeleitet haben.
Oberstaatsanwalt Dr. René Seppi sagte bei der Anklageverlesung: „Er blieb untätig, obwohl das zu erwartende Versagen der Halterungen für ihn erkennbar war.“ Der Angeklagte habe somit „billigend den Tod eines Menschen in Kauf genommen“.
Die Abnahme der Schallschutzwand im November 2008 erfolgte dann nur unter Vorbehalt des statischen Gutachtens. Die beiden angeklagten ehemaligen Mitarbeiter des Landesbetriebs hätten es in der Folge pflichtwidrig versäumt das Gutachten bei dem 62-Jährigen einzufordern. „Hätten Sie es getan, hätten sie Kenntnis davon erlangen können“, dass der gewählten Konstruktion der Halterungen Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit fehlten.
Am 13 November 2020 kam es mit der Havarie einer der 2,50 mal 5,30 Meter großen und sechs Tonnen schweren Betonplatten dann zur Katastrophe: Während der Vorbeifahrt löste sich die Betonwand und „kippte nach vorne, stürzte ungebremst auf den Kleinwagen und erschlug die Geschädigte“, sagte Seppi bei der Anklageverlesung.
Der 62-Jährige wies die Vorwürfe über seine Verteidiger zurück. Es habe sich um einen Unfall gehandelt, sagte Verteidigerin Dr. Kerstin Stirner in einem Eröffnungsplädoyer. Ihr Mandant habe das Gutachten „nicht zur Kenntnis genommen und erst recht nicht unterdrückt“. Zudem sei nicht der Mandant als Bereichsleiter für die Montage der Betonplatten verantwortlich gewesen, sondern der Bauleiter, der jedoch inzwischen verstorben sei. Die beiden ehemaligen Mitarbeiter von Straßen.NRW schwiegen zu den Vorwürfen. Der Verteidiger eines 59-Jährigen wies jede Verantwortung seines Mandanten am Tod von Anne M. zurück.