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„Die Ampel zeigte nicht Rot“Kölnerin macht KVB nach Unfall schwere Vorwürfe

Lesezeit 4 Minuten
Ampelanlage Köln

Vor einem Jahr wurde Aischa Khatib von der Bahn erfasst. Sie ist sich sicher: Die Ampel zeigte nicht Rot.

  1. Vor einem Jahr ist Aischa Khatib (Name geändert) am Wiener Platz von einer KVB-Bahn erfasst worden.
  2. Durch den Aufprall wurde sie schwer verletzt, noch heute leidet die 50-Jährige unter den Folgen.
  3. Doch wer ist Schuld am Unfall? Khatib ist sich sicher, dass die Ampel beim Überqueren nicht Rot zeigte.
  4. Ein KVB-Fahrer behauptete, dass einige Ampeln kaputt seien. So reagieren die Verkehrsbetriebe auf die Vorwürfe.

Köln – Der Schutzengel von Aischa Khatib (Name geändert) ist an diesem Morgen äußerst aufmerksam. Die 50-Jährige hat es eilig, muss zu ihrem Sprachkurs. Als sie den oberirdischen Bahnübergang am Wiener Platz überquert, sieht sie, dass die Ampel kein Rot anzeigt. Dennoch wird sie von einer heranrauschenden Bahn überrascht und erwischt.

Acht Meter weit wird die Frau durch den Aufprall geschleudert und schwer verletzt. „Es ist ein Wunder, dass meine Mandantin den Zusammenprall mit der Bahn überlebt hat“, sagt Rechtsanwalt Florian Storz. Für den von seiner Mandantin am Morgen des 17. Juni 2019 erlittenen Unfall fordert Storz Schadensersatz von der KVB.

Kölnerin leidet nach Unfall unter einer Depression

46 Stundenkilometer beträgt die Geschwindigkeit der Bahn, als die Fahrerin die Gefahrenbremsung einleitet. 31 Stundenkilometer hat die Bahn noch auf dem Tacho, als Khatib an der linken Körper- und Kopfseite von der aus Deutz kommenden Stadtbahn der Linie 4 erfasst wird. Der südliche Überweg über die Gleise ist mit einer Ampel gesichert, die mit einem roten Signal lediglich anzeigt, wenn eine Bahn kommt. Ein grünes Lichtzeichen, wie an einigen anderen Übergängen, gibt es nicht.

Khatib erleidet eine Serienfraktur und eine Lungenquetschung. Ihr Schultergelenk wird gesprengt. Sie verliert drei Zähne, für deren Ersatz allein 5000 Euro Eigenanteil zu zahlen sind. Wegen eines Schädel-Hirn-Traumas leidet sie bis heute an Drehschwindel und Vergesslichkeit. Auch ihre Psyche ist in Mitleidenschaft gezogen. Sie leidet unter einer mittelgradigen Depression.

„Ihr Leben ist völlig aus den Fugen geraten“

„Das Leben meiner Mandantin ist durch den Unfall völlig aus den Fugen geraten“, sagt Storz. Im Krankenhaus berichtet Khatib später, dass die Ampel an dem Fußüberweg kein Rot angezeigt habe. „Da war nichts“, bestätigt die 50-Jährige im Gespräch mit der Rundschau nochmals. Sie habe sich auf das Lichtzeichen verlassen und die Bahn nicht kommen sehen. Erst kurz vor der Kollision wurde sie ihrer gewahr: „Ich hatte keine Möglichkeit mehr zurückzuspringen“, sagt sie.

An mehr erinnert sie sich nicht. Der Unfall selbst ist in ihrem Gedächtnis wie ausgelöscht. Später berichten Bekannte ihr, dass die Lichtzeichenanlage schon länger defekt gewesen sei. Deshalb seien sie immer über einen unterirdischen Zugang auf den oberirdischen Bahnsteig gegangen.

Als Khatibs Bruder von der kaputten Ampel hört, macht er sich wenige Tage später auf den Weg zur Unfallstelle. Mit einem Handy filmt er, wie eine Bahn den Überweg passiert, ohne dass es ein Rotsignal gibt.

Die KVB äußert sich zu der Ampelanlage

Zwar ist grundlegend die Stadt zuständig für die Signalanlage, dennoch äußert sich die KVB gegenüber der Rundschau. Das Video sei „für sich genommen nicht aussagekräftig“, teilt ein Sprecher mit. Es komme „nun einmal auf das Schaltverhalten der Anlage zum Unfallzeitpunkt an“. Für eine Überprüfung, so der KVB-Sprecher weiter, habe es aber keine „Veranlassung“ gegeben.

Auch die Polizei ermittelte nicht, ob es eine Fehlfunktion gab. Im Unfallbericht (liegt der Rundschau vor), heißt es, dass wegen der Sperrung der Strecke nach dem Unfall „vor Ort nicht geprüft werden konnte“, ob die Ampel funktionierte oder nicht. „Aber auch nachdem die Strecke wieder freigegeben worden war, haben die Beamten keine Ermittlungen zum Ampelschaltverhalten vorgenommen“, kritisiert Storz.

Hinweise, dass Signale auf der Strecke nicht in einwandfreiem Zustand gewesen sein könnten, gibt es. Wie beispielsweise die Aussage eines Bahnfahrers gegenüber Khatibs Bruder. Während der Videoaufnahme musste ein Stadtbahnfahrer vor dem Überweg halt machen, um von Hand ein Signal umzustellen. Auf die Frage Khatibs, ob er von kaputten Ampeln wisse, habe der Fahrer gesagt: „Da ist alles kaputt“, und dabei die Strecke entlang gezeigt. „Und die KVB weist unsere Angaben pauschal zurück, obwohl sie selbst nicht weiß, was mit der Ampel am Unfalltag los war“, sagt Storz.

Köln: „Es geht um die Sicherheit der Bürger“

Vor dem Hintergrund anderer, teils tödlicher Unfälle wegen mutmaßlich nicht funktionierender Ampeln, kritisiert Storz die KVB scharf: „Es geht hier nicht allein um die Ansprüche meiner Mandantin. Es geht auch und gerade um die Sicherheit der Bürger und deren Vertrauen auf die Bereitschaft öffentlicher Unternehmen zur Wahrheitsfindung. Das müssen sich unsere Stadtwerke vergegenwärtigen.“

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Die KVB bedauert den Unfall ausdrücklich. Von einer Gefährdungshaftung – wie sie eigentlich jeden Pkw-Fahrer bei einem unverschuldeten Unfall mit einem Fußgänger trifft – will sie aber nichts wissen. Das Verschulden des Unfalls liege allein bei Khatib, heißt es aus der Rechtsabteilung der Stadtwerke, die für die juristischen Belange der Stadttochter KVB zuständig ist. Daher entfalle „eine etwaige Haftung“, so die Stadtwerke weiter.

Gemeldet hat sich bei Khatib mittlerweile die Versicherungsgesellschaft der Bahnfahrerin. Die will wissen, ob die 50-Jährige die Verantwortung für den Unfall übernimmt, um dann mögliche Therapiekosten der Fahrerin, die wegen eines Schocks nach dem Unfall in ein Krankenhaus zur Behandlung kam, von Khatib ersetzt zu bekommen.