Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Pilotprojekt an Drogen-HotspotsWie eine neue Streife die Sicherheit an Kölns Brennpunkten steigern will

Lesezeit 4 Minuten
Die Bänke neben dem Brunnen auf dem Neumarkt sind ein beliebter Ort bei Konsumierenden. Polizist Jannick Runde kennt durch seine Einsätze viele von ihnen beim Namen.

Die Bänke neben dem Brunnen auf dem Neumarkt sind ein beliebter Ort bei Konsumierenden. Polizist Jannick Runde kennt durch seine Einsätze viele von ihnen beim Namen. 

Ordnungsamt, KVB und Polizei führen seit rund einem Monat als „Kooperationsstreife“ Kontrollen an Orten wie dem Neumarkt durch. Was sie dabei erleben. 

Mit ihrem Kragen vor dem Mund stürmt eine Frau aus dem Aufzug auf die Zwischenebene der U-Bahn-Station am Neumarkt. Der Uringeruch darin ist nur schwer auszuhalten. Direkt neben den Glastüren, aus denen der Gestank strömt, ist eine besondere Streife im Einsatz. Die Brennpunkte Kölns sind der tägliche Arbeitsplatz des Teams. Zu viert stehen die Beamten in der Ecke vor einem Mann, zu dessen Füßen noch der Grund für die Kontrolle liegt: Ein Stück Alufolie, mit dem er Heroin geraucht hat.

Teams aus Kräften der Polizei Köln, dem Ordnungsamt der Stadt und dem Sicherheitsdienst der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) arbeiten seit rund einem Monat als „Kooperationsstreife“ Hand in Hand. Täglich patrouillieren sie mehrere Stunden am Neumarkt, Appellhofplatz, Friesenplatz, Ebertplatz und rund um den Dom. So soll dort die Verwahrlosung und Drogen- sowie Gewaltkriminalität eingedämmt werden.

Hand in Hand arbeiten Ordnungsdienst und Polizei auch in diesem Fall: Es wird Anzeige wegen Drogenkonsums in der Öffentlichkeit gestellt.

Hand in Hand arbeiten Ordnungsdienst und Polizei auch in diesem Fall: Es wird Anzeige wegen Drogenkonsums in der Öffentlichkeit gestellt.

„Das Ziel dieser gemeinsamen Streife ist es, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu steigern. Das scheint sehr gut zu funktionieren. Auch schon durch die Präsenz, die dadurch offenkundig wird“, zog Stadtsprecher Robert Baumanns auf dem Neumarkt eine erste Bilanz. Dort fanden sich Einsatzkräfte und Verantwortliche am Montagmittag zusammengefunden, um das Pilotprojekt vorzustellen.

Die Einsatzkräfte unterstützen sich auf ihren Touren gegenseitig bei ihren Maßnahmen. Es ist immer mindestens eine Person aus den beteiligten Bereichen dabei. In den meisten Fällen kommt es bei den Einsätzen zu einer Kontrolle der Personalien. Hinzu kommen Platzverweise durch die Polizei oder das Ordnungsamt sowie Hausverbote seitens der KVB. Knapp 1000 Personenkontrollen hat das Team laut seiner Bilanz schon gemeinsam durchgeführt. Über 300 Mal wurden Platzverweise erteilt, hinzu kommen rund 260 Aufenthaltsverbote durch die KVB.

Auch der Mann, der die Ecke am Aufzug in der Bahnstation zum Konsumieren nutzte, bekommt ein Hausverbot. Sechs Monate darf er sich nicht in den Anlagen der KVB aufhalten. Weil er in der Öffentlichkeit Heroin geraucht hat, stellt die Stadt außerdem Anzeige. Weil er keinen Ausweis dabei hat, sucht die Polizei ihn per Handy im internen Informationssystem. „Dadurch geht alles viel schneller“, erklärt Andreas Moritz vom KVB-Sicherheitsdienst. „Sonst müssen wir die Polizei in so einem Fall erst rufen.“ In ihrem System kann die Polizei auch direkt sehen, ob bereits Anzeigen oder gar ein Haftbefehl gegen die kontrollierte Person vorliegen. 

Immer wieder findet die Streife in KVB-Stationen Alufolie, mit der Heroin oder Crack konsumiert wird.

Immer wieder findet die Streife in den Gängen der Bahnstationen Alufolie, mit der Heroin oder Crack konsumiert wird.

Oberirdisch unterhält sich einer seiner Kollegen mit einer Frau, die der Straßenbahnen verwiesen wurde, weil sie dort geschlafen und gegessen hat. Sie ist sichtlich genervt. Er freue sich sehr über die Unterstützung der Polizei bei seiner Arbeit, sagt KVB-Mitarbeiter Turhan Celikkale. „Viele Leute werden aggressiv, wenn sie uns sehen. Die Polizei ist gut darin, die Situationen zu deeskalieren und weiß manchmal besser, wie man am besten mit den Leuten spricht.“

Der Polizist Jannick Runde von der Innenstadt-Wache hat sich freiwillig für die spezielle Streife an Kölns Brennpunkten gemeldet. Es seien oft dieselben Leute, die er bei seiner täglichen Arbeit trifft und die dem Team wegen ihres Drogenkonsums bekannt sind. „Uns ist es immer auch ein Anliegen, zu fragen, wie es den Personen geht“, erklärt Runde.

Dafür hat das Team auch Flyer dabei, auf denen Drogenkonsumräume und Notunterkünfte verzeichnet sind. „Gerade die respektvolle Kommunikation ist wichtig. Dann kommt man auch gemeinsam voran.“ Meistens verlaufe das friedlich, erklärt sein Teamkollege von der Polizei, David Ehrenfried. „Manchmal ist es aber auch nicht mehr möglich, zu kommunizieren.“ Wenn die Person gar nicht ansprechbar ist, leiste das Team Erste Hilfe oder rufe einen Krankenwagen.

Auch in der unterirdischen Anlage der KVB-Station Appellhofplatz finden sich viele Ecken, die zum Drogenkonsum genutzt werden.

Auch in der unterirdischen Anlage der KVB-Station Appellhofplatz finden sich viele Ecken, die zum Drogenkonsum genutzt werden.

Mit der Bahn fährt die Gruppe zu ihrer nächsten Station: Appellhofplatz. Die vielen unterirdischen Gänge dort sind ein beliebter Anlaufpunkt für Konsumierende. Auf ihrem Weg finden die Männer mehrere Schlafplätze aus Kartons, daneben liegen Fetzen oder ganze Rollen von Alufolie. Wenn sich herumspricht, dass die Streife unterwegs ist, ergreifen viele die Flucht, erklärt Runde. Um Urin, Dreck oder Müll zu beseitigen, den die Personen teilweise hinterlassen, ist die Streife auch mit den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB) in Kontakt.

In einer Ecke neben einem Nagelstudio auf der Zwischenebene der Station hockt eine Frau mit einer Kapuze über dem Kopf auf Kartons. „Wie geht es dir heute? Gestern war es ja ganz schlecht“, spricht Runde sie an. Es sei heute etwas besser, erklärt sie und fängt an, schleppend ihre wenigen Sachen zu packen. Auch sie bekommt von Kollegen der KVB ein Hausverbot wegen Drogenkonsum. „Pass auf dich auf“, ruft Runde ihr nach, als sie geht.