Die einen suchen Stühle, die anderen gutes Geschirr. Beim Ausverkauf im Le Moissonnier gab es Milchkännchen schon für 50 Cent.
Zwei-Sterne-Restaurant in KölnLe Moissonnier zieht Hunderte zum Ausverkauf an
Leger die Leinenhemden, luftig die bunten Kleider, neckisch der eine oder andere Hut. Es ist ein entspanntes und dennoch größtenteils gediegenes Publikum, das am Samstagmittag ein allerletztes Mal zum Zwei-Sterne-Restaurant „Le Moissonnier“ in der Krefelder Straße gepilgert ist.
„Ich hoffe auf Buttermesser“, sagt ein gutgelaunter Mann, der kurz nach 12 Uhr geschätzt an Position 200 auf dem Gehweg steht. „Wenig Hoffnung, ich weiß. Aber das ist nicht so schlimm. Hauptsache ich bekomme noch ein Souvenier.“ Patron Vincent Moissonnier und seine Frau Liliane, die das einzigartige Restaurant nach 36 Jahren zum Ende Juni geschlossen haben, haben zum Ausverkauf geladen.
Le Moissonnier: Nur 50 Cent für ein Milchkännchen
Moderate Preise hat Vincent Moissonnier in seinem Newsletter angekündigt. Und nicht zu viel versprochen: 50 Cent für ein kleines Milchkännchen oder ein Glas. Zwei Euro pro Stoffservierte. Vier Euro für ein Messerbänkchen. Fünf Euro pro Besteckteil. 105 Euro für einen klassischen Bistrotisch mit Marmorplatte und solidem Metallfuß, 85 Euro pro Stuhl. Eine kleine Speisekarte kostet fünf, eine große zehn Euro. Im Gastraum und in der Küche ist das Inventar ausgestellt. Gläser und Porzellan in allen erdenklichen Formen, Dekoartikel und Möbelstücke.
An der Tür regelt ein Mann den Einlass. Obwohl der Andrang riesig ist, bleibt die Stimmung entspannt. „Ich habe hier so viele schöne Stunden verbracht“, sagt Gastronom Peter Richter. So wie ihm geht es offenbar fast allen, die gekommen sind. „Es sind sehr viele Stammgäste da“, stellt Bettina Schmidt fest. Seit rund 20 Jahren war sie hier im Service. Heute hilft sie beim Ausverkauf.
Vor allem Besteck, Messerbänkchen aber auch die goldenen Teller waren ruckzuck weg, erzählt die Servicekraft. Acht Gabeln und sieben verbliebene Messer bezahlt ein glückliches Paar derweil beim Patron. Der steht mit feschem Strohhut mit Band in den französischen Nationalfarben charmant lächelnd und plaudernd mit seiner Ehefrau hinter dem Tresen und kassiert.
Die emotionalen Reaktionen auf seine Ankündigung, sein Lokal nach 36 Jahren zu schließen, haben ihn überwältigt. Nun beim letzten Akt ist er recht entspannt. „Dass so viele hier sind, ist der beste Beweis, dass die Leute Werte schätzen“, sagt er. „Sie haben mich immer so nett behandelt, obwohl ich nicht reich bin. Ihre Warmherzigkeit allen gegenüber ist so schön“, schwärmt eine Mittvierzigerin, die zwei Stühle bezahlt. „Wir haben hier alle Feste gefeiert, Hochzeitstage, Taufen. Wo sollen wir denn jetzt hin?“, fragt die Frau eines sehr bekannten Schauspielers beim Bezahlen der Champagnergläser.
Ausverkauf im Zwei-Sterne-Restaurant: Speisekarten bleiben als Andenken
In der Küche ist ein Großteil des Geschirrs aufgebaut. Schon seit gut einer Stunde ist ein Ehepaar mittleren Alters im Laden. „Die Speisekarten verwahren wir als Andenken. Das hier war schon eine Institution“, erklärt der Mann. Sehr langsam bewegt sich die Schlange an den ausgestellten Tellern, Schälchen, Schüsseln, Etageren. Gedrängel gibt es hier nicht. Ein Herr mit eigens mitgebrachter Plastiktransportbox präsentiert stolz die Pralienentellerchen, die er ergattert hat. „Handgemachtes Porzellan von Stefanie Hering“, erklärt er. „Zwölf Euro pro Stück ist ein unglaublich guter Preis“, ergänzt seine Frau.
So profan denken ein junger Koch und seine Frau nicht. „Wir waren öfter hier. Es war immer sehr besonders. Wir kaufen hier Geschichte“, sagt die Frau fast andächtig während sie an der Kasse steht. Wehmütig lächelt sie Vincent Moissonnier an. Der lächelt zurück. „Wir machen hier einen Dessous-Laden auf. Extra für dich“, scherzt er.