Ist Kochen Kunst? Über die Licht- und Schattenseiten der Gastronomie sprachen drei Sterneköche der Region, Vincent Moissonnier, Julia Komp und Joachim Wissler, auf der lit.cologne in Köln.
lit.cologne in KölnVincent Moissonnier, Julia Komp und Joachim Wissler über die Schönheit des Kochens
Übers Essen zu reden, ist ein besonderes Vergnügen. Und wenn das dann auch noch mit Literatur zu tun hat, umso besser. Denn neben dem theatralischen Aufbau eines Menüs in Ouvertüre, Hauptgang und Epilog (Dessert) ist die Formulierung der Speisekarte nicht selten ein Ort für Lyriker. Ganz zu schweigen von den Geschichten hinter den Gerichten.
Auf diese gespannt, war man in die lit.Cologne-Veranstaltung „Den Teller lesen“ gekommen, zusammen mit vielen anderen ins rappelvolle Theater im Tanzbrunnen. Aber es ging auch um Ernstes, Existenzielles und Einblicke in einen Beruf, der vom Wurstbrater bis zum Weltstar eine beachtliche Steigleiter bereithält. Wie der Wind auf den oberen Tritten der Leiter weht, wurde unter dem Titel „Sternenlust vs. Sternenlast“ erkundet.
Trio von Köchen aus der Region
Moderatorin Sarah Brasack hatte dazu ein lokales Trio auf dem Podium: Kölns dienstältesten Spitzengastronom Vincent Moissonnier, Kölns jüngste Sterneköchin Julia Komp („Sahila“) und Joachim Wissler, der sich seit über 20 Jahren im Grandhotel Schloss Bensberg den Ruf eines der besten Köche der Welt erkocht hat. Die würzige Mischung: Moissonnier gab letztes Jahr seine zwei Michelin-Sterne ab, Wissler verlor 2022 einen von dreien, und Komp hofft nach einem Stern auf den zweiten. Warum gibt der eine etwas freiwillig auf, dessen Verlust der andere als „Schock“ empfindet und was die dritte sich sehnlichst wünscht?
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Offen berichtete Vincent Moissonnier über die psychische Belastung, die über 35 Jahre höchster Standard am Ende für ihn bedeutet haben: „Jeden Tag im Lokal, das konnte ich einfach nicht mehr aushalten“, berichtet er, auch von der zunehmend fehlenden Freude und heimlichen Tränen an der Theke: „Ich wollte nicht als gastronomischer Beamter enden.“ Es folgt ein leidenschaftlicher Appell ans Publikum: „Lassen Sie sich helfen, wenn es Ihnen schlecht geht. Meine Ärztin hat mich zehn Jahre aus der Hölle geholt.“ Das Outing wird mit Applaus belohnt, Joachim Wisslers Frage „Wohin gehe ich jetzt zum Hochzeitstag mit meiner Frau essen?“ mit Gelächter.
Joachim Wissler dagegen hat „mit meinen 61 Jahren immer noch Ehrgeiz“ und beschreibt akribisch seinen sehr introvertierten Weg beim Kochen, wenn er etwa eine Wiese mit Pilzen aus seiner bäuerlichen Jugend auf dem Teller „nacherzählen“ will. Für Julia Komp ist das Kochen eng verknüpft mit ihrer Reiselust, die sie in alle Welt geführt hat. Ihre Gerichte erzählen die Geschichte ihres Ursprungs, und es wundert nicht, wenn sie berichtet: „Wenn ich einen kreativen Schub brauche, gehe ich in eine Shisha-Bar, rauche eine Wasserpfeife und trinke Tee.“
Ob Kochen denn jetzt Kunst sei, will Sarah Brasack schließlich wissen. „Ich bin ein Handwerker, der seinen Beruf kunstvoll ausübt“, gibt Joachim Wissler sibyllinisch zu Protokoll. Julia Komp antwortet mit einem strahlenden „Ja“, und Moissonnier mit einem kategorischen „Nein“. Ist er denn dann wenigstens ein Künstler der Etikette? Ups, das war die falsche Frage, die Monsieur flugs in eine seiner wortgewaltig-witzigen Philippiken katapultiert: gegen den Zeitgeist, schlechtes Benehmen und überhaupt die Jugend von heute.
Doch solche Bonmots will man hören, ebenso wie den kleinen Klatsch über schlimme Gäste, die schlechten Witze der Köche in der Küche, Promis oder amüsante Tritte ins Fettnäpfchen. Das alles wurde zur Freude des Publikums von der Moderatorin unterhaltsam verknüpft, so dass man am Ende die Veranstaltung verließ mit dem wohligen Gefühl, ein kleiner Insider geworden zu sein in der Welt der großen Kulinarik.