Der Kölner Sterne-Gastronom weiß, welche Regeln beim Bestellen im Restaurant gelten und worauf gute Gastgeber achten sollten, wenn sie einladen.
Vincent Moissonnier erklärtDie Damen dürfen immer zuerst – So bestellen Sie richtig im Restaurant
Bestellen, könnte man meinen, ist die einfachste Sache der Welt: Sie wissen, was sie essen und trinken wollen; Kellner oder Kellnerin schreiben es auf. Aber oft sind die einfachen Angelegenheiten recht kompliziert. Es geht schon damit los, wer loslegt. Haben Sie zum Beispiel Freunde zum Essen eingeladen – sagen Sie dann als Erstes selbst Ihre Wünsche, oder lassen Sie Ihren Gästen den Vortritt? Und was, wenn Sie zu zweit sind? Wer beginnt dann?
Die klassische Regel lautet: Damen zuerst – und im Falle einer Einladung, erst die eingeladenen Damen, dann die Gastgeberin. Aber: Keine Regel ohne Ausnahme. Es kommt nicht selten vor, dass die Aussicht, am Ende eines womöglich üppigen Menüs mit reichlich Wein dabei die Zeche nicht selbst bezahlen zu müssen, nicht nur freudige Gefühle auslöst, sondern eher zu einer gewissen Anspannung führt: Zwei, drei, vier Gänge? Menü? Offenen Wein oder eine Flasche?
Der Gastgeber gibt die Preisrichtung vor
Sobald Sie als Gastgeber oder Gastgeberin solche Vibrationen empfangen, sollten Sie sofort Signale der Entspannung senden und den weiteren Takt vorgeben. Entweder indem Sie eben doch selbst mit der Bestellung beginnen und damit einen Hinweis geben, wie Sie sich die Speisen- und Getränkefolge vorstellen. Oder indem Sie Ihren Gästen das mit kleinen „Entscheidungshilfen“ andeuten: „Nehmen Sie unbedingt eine Vorspeise – die sind hier ganz ausgezeichnet!“ – „Mit dem Vier-Gänge-Menü können Sie hier nichts falsch machen!“ – „Beginnen wir mit einer schönen Flasche Weißwein? Ich schlage vor, wir lassen uns einen empfehlen.“ So wird der Bestellvorgang zum Teil einer Gesamtinszenierung.
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Auf Schwangere am Tisch achten
Wenn Sie von schwangeren Frauen am Tisch wissen, die ihren Zustand noch diskret behandelt wissen möchten, geben Sie dem Restaurant bei der Reservierung einen entsprechenden Hinweis, und helfen Sie so dem Service-Personal. Es wird die Schwangere selbstverständlich auch nach ihrem Getränkewunsch fragen. Auch beim Essen sollten Schwangere bekanntlich auf bestimmte Speisen – Rohmilchkäse, rohen Fisch, rohes Fleisch, rohes Ei – verzichten. Kommen Sie der Küche entgegen und ordern Sie nicht ausgerechnet Gerichte, die auf solchen Komponenten basieren. Also kein Rindercarpaccio und auch kein Tiramisù. Um die Variablen sollte sich die aufmerksame Küche dann ganz ohne zusätzliche Ansage kümmern: das Steak selbstverständlich durchgebraten, die Saucen ohne Alkohol, keine Beilagen mit rohem Ei.
Speisekarten ohne Preis wirken geheimniskrämerisch
Gelegentlich fragen Gastgeber bei Einladungen im Restaurant nach Speisekarten ohne Preis. Der Sinn ist klar: Sie wollen ihre Gäste nicht in die Verlegenheit bringen, im Kopf die Kosten für das Menü zu kalkulieren und vermeintlich das Budget der Gastgeber zu schonen, indem sie eine preisgünstige Wahl treffen. Ich persönlich würde mich als Gast ein Stück weit entmündigt fühlen. Und ich vermute, etwaigen heimlichen Überlegungen Ihrer Gäste – Economy- oder Business-Class? – beugen Sie mit einer bereinigten Karte auch nicht vor. Zumal die Gäste ja schon vorher wussten, wohin es geht, und sich jederzeit schlau machen konnten. Im Internet liegt alles offen zutage – auch die Preise im Restaurant.
Statt leicht affektierter Geheimnistuerei oder Schein-Diskretion empfehle ich zweierlei: Suchen Sie selbst als Gastgeber vorher ein Restaurant aus, mit dem Sie und Ihre Gäste sich auch dann noch wohlfühlen, wenn es für Sie ans Bezahlen geht. Und wenn Sie bewusst ein, zwei Kategorien über diese vermutete Wohlfühlzone hinaus in die Komfortzone gehen, dann machen Sie das nicht nur sich selbst klar, sondern auch Ihren Gästen. Legen Sie Ihr Motiv offen. Sprechen Sie von Ihrer Wertschätzung, Ihrem ausdrücklichen Wunsch, es an diesem gemeinsamen Abend besonders schön zu haben.
Aufgezeichnet von Joachim Frank