Lippenbekenntnisse gibt es viele zur Verkehrswende, aber nun geht es ans Bezahlen. KVB-Chefin Stefanie Haaks im Rundschaugespräch.
KVB-Chefin Haaks zur Verkehrswende in Köln„Wir brauchen absolute Klarheit“
Die Verkehrswende wird teuer. Wie teuer, wurde nun durch eine Strategiepapier der Kölner Verkehrs-Betriebe deutlich, das der Rundschau exklusiv vorlag (siehe Infotext am Seitenende). Über die Kostenprognose sprach Ingo Schmitz mit der KVB-Vorstandsvorsitzenden Stefanie Haaks.
Anhand der nun vorliegenden Zahlen wird deutlicher als je zuvor, die Verkehrswende ist ein Jahrhundertprojekt. Haben sie Sorge, dass angesichts eines Investitionsbedarfs von 3,5 Millionen Euro bis 2035 und einen jährlichen Verlust von 230 Millionen das ein oder andere Bekenntnis für die Verkehrswende aus den Reihen des Stadtrats für die Verkehrswende nun brüchig werden könnte?
Ich kann mir vorstellen, wenn der Finanzbedarf für die Verkehrswende durch den Gewinn des Stadtwerkekonzerns nicht sofort gedeckt werden kann, dass die Entscheidung fällt, die Investitionen für die Verkehrswende zu strecken. Käme es wirklich dazu, würde ich mir aber wünschen, dass wir, die KVB, mit unserer Fachkompetenz in diese Entscheidung mit einbezogen werden. Ich würde empfehlen, Entscheidungen über eine Priorisierung von Maßnahmen nicht rein politisch zu fällen, denn wir haben dabei die Kundenbrille auf.
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Was bekommt Köln für das Geld, wenn wir von einem Maximalszenario ausgehen?
Im 2035 hätten wir dann tatsächlich 340 Millionen Fahrgäste. Wobei gesagt werden muss: Dort, wo wir mit Ausbauprojekten auch neue Strecken und Gebiete erschließen, gibt es auch die größte Chance auf Umsteiger vom Auto auf den ÖPNV. So wäre das beispielsweise bei dem Ausbau der Nord-Süd Stadtbahn über die Bonner Straße bis nach Meschenich. Bei Projekten im Bestand, wie beispielsweise die Ertüchtigung der Ost-West-Achse zwischen Heumarkt und Aachener Straße, handelt es sich „nur“ um eine Notwendigkeit, weil wir auf dieser bestehenden Linie schon überquellen. Für mich wäre schon viel gewonnen, wenn die Menschen, die in Kölns Randbezirken wohnen, aufgrund eines ausgebauten ÖPNV-Angebots zumindest auf das Zweitauto verzichten.
In den aufgelisteten Projekten im Rahmen der Verkehrswende verbergen sich noch viele Stolpersteine. Die KVB will in den kommenden Jahren alle ihre alten Bahnen gegen neue austauschen und plant unter anderem auf der Linie 1 mit Langzügen. Doch es gibt massive Lieferschwierigkeiten. Wie stellt sich zurzeit die Marktlage dar?
Aktuell läuft eine Bestellung über 62 Bahnen a 60 Meter Länge. Die sollen 124 alte Bahnen ersetzen. Für die Vorserie – das sind sechs Bahnen – hat uns der Hersteller einen Verzug von rund 25 Monaten mitgeteilt. Für die restlichen 56 Bahnen der Hauptserie gibt es zurzeit einen Verzug von rund 30 Monaten. Aber auch bei diesen Fristen gibt es noch Risiken.
Und noch eine Hürde gibt es beim Ausbau des KVB-Angebotes, nämlich die Energiewende. Unter anderem will die Rheinenergie ihr Fernwärmenetz deutlich ausbauen. Das kann mit ihren Maßnahmen kollidieren?
Ich glaube, diese Gefahr ist allen Beteiligten bewusst. Da bedarf es einer engen Abstimmung. Wir müssen da ganz klar priorisieren. Bei dem, was die Rheinenergie vorhat hat und was wir planen handelt es sich um eine enorme Steigerung der Bauaktivitäten. Es wird eine zunehmende Herausforderung werden, das alles zu koordinieren.
Wird das alles mit eingerechnet: Bis wann kann die Verkehrswende in dem von der KVB vorgesehenen maximalen Rahmen umgesetzt werden?
Wir planen mit der Jahreszahl 2045.
Was muss der Stadtrat dazu beitragen, damit dieses Ziel erreicht werden kann?
Absolute Klarheit durch verbindliche Zusagen, dass die politischen Beschlüsse, die vorliegen, auch finanziell gesichert sind. Nur mit dieser Planungssicherheit können wir auch selbstsicher agieren.
Das heißt im Umkehrschluss, zurzeit vermissen Sie diese Klarheit?
Wir hatten diese Klarheit, haben sie im Moment aber nicht, weil jetzt nun klar wird, welche finanzielle Herausforderung auf den Stadtwerkekonzern zukommt. Darum bedarf es jetzt einer Aktualisierung dieser Klarheit. Wir brauchen verlässliche Aussagen, wie mit dem zu erwartenden Defizit umgegangen wird.
Zahlen
3,5 Milliarden Euro bräuchten die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) um eine möglichst wirksame Verkehrswende zur realisieren. Das geht aus einem internen Strategiepapier hervor, das der Rundschau exklusiv vorlag und worüber wir berichteten.
Das jährliche Defizit würde dadurch auf 230 Millionen Euro anwachsen. Es muss durch die Gewinne innerhalb des Stadtwerkekonzerns gedeckt werden, zu dem die KVB gehören. Zu diesen Gewinnen tragen wesentlich die Rheinenergie bei. Der größte Anteil an den Kosten für die KVB macht die Beschaffung neuer Stadtbahnen mit 925 Millionen Euro aus. An der Kostenschraube dreht auch das Deutschlandticket. Trotz Förderung verbuchen die KVB 17,4 Millionen Defizit dafür. Dabei ist die Zukunft der Förderung unklar. (ngo)