Der Investitionsbedarf der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) wird in den kommenden jahren massiv ansteigen. Das geht aus einem internen Vorstandspapier hervor.
Internes Papier der KVBSo teuer wird die Verkehrswende in Köln
Die Verkehrswende ist erklärter politischer Wille der Ratsmehrheit in Köln. Autofahrerinnen und Autofahrer sollen dazu gebracht werden, auf Bus und Bahn umzusteigen. Doch während Fahrradstreifen schnell markiert, Parkplätze schnell gestrichen und Anträge für eine City-Maut schnell geschrieben sind, ist der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs ein Projekt auf Jahrzehnte und eins, das große Investitionen benötigt. Wie groß der Finanzbedarf ist, zeigt nun ein nicht öffentliches Papier, das für den Vorstand der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) erarbeitet wurde und der Rundschau vorliegt. Bis zum Jahr 2035 rechnet der Betrieb mit einer Investitionssumme von 3,5 Milliarden Euro. Und dabei ist es noch nicht einmal so, dass für diese Summe große Überraschungen zu erwarten wären. Was sie allerdings enthält, sind große Unbekannte.
Was ist der größte Finanzposten?
Laut des Papiers, das mit dem Titel „Tariferhöhungen und ÖPNV-Finanzierung“ überschrieben ist, werden allein die Ersatzbeschaffungen für die veralteten Stadtbahnen der KVB 925 Millionen Euro verschlingen. Ein Projekt, an dessen Ende an die 400 Bahnen ausgetauscht sein sollen – und bei dem sich exemplarisch zeigen lässt, welchen hohen Finanzierungs- und Zeitbedarf die Verkehrswende in Köln hat. 62 neue Stadtbahnen sollten bis Ende dieses Jahres an den Betrieb ausgeliefert werden, so steht es in den Verträgen mit den Herstellern. Doch daraus wird nichts. Jüngst musste KVB-Vorstandvorsitzende Stefanie Haaks bekannt geben, dass sich deren Auslieferung um voraussichtlich 20 Monate verzögern wird. Es gibt Engpässe auf dem Markt. Und, Haaks sprach eine deutliche Kritik aus: „Die Hersteller sind nicht mehr so zuverlässig wie noch vor 20 Jahren.“ Das dürfte sich auch auf eine Bestellung auswirken, die noch aussteht. Verträge für weitere 132 Stadtbahnen warten darauf, unterschrieben zu werden. Deren Beschaffung hat der Stadtrat bereits 2021 beschlossen.
Was wird in ein größeres Angebot investiert?
Auf Platz zwei der kommenden Investitionen rangieren die „Angebotserweiterungen“. Sie sollen 650 Millionen Euro verschlingen. Dahinter verbirgt sich vor allem der Umstieg auf längere Bahnen, wie er vor allem bei der notorisch überlasteten Linie 1 stattfinden soll. Für die sind Langzüge von 90 Metern geplant. Auf der nicht weniger überlasteten Linie 18 möchte die KVB mit Modulen arbeiten. Im Grunde ein Bausatzsystem: Durch Verlängerungselemente können die Bahnen in den Hauptverkehrszeiten vergrößert werden, mehr Fahrgäste aufnehmen. Was ist mit dem Tunnel zwischen Heumarkt und Aachener Straße? Oder die Vollendung einer Ringbahn auf der Linie 13? Zwei große Unbekannte in er Investitionsrechnung. Weil in der Zuständigkeit der Stadt müssen für dies Projekte Ratsbeschlüsse her. Doch das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt ist sich da nicht einig.
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Wie teuer wird die Elektromobilität?
Wer mehr und längere Bahnen will, der braucht auch mehr Werkstattkapazitäten und Abstellmöglichkeiten. Eigentlich nur eine Folgeerscheinung der Verkehrswende, die aber dennoch laut des Vorstandspapiers mit 615 Millionen Euro zu Buche schlägt. Also annähernd so viel, wie schon die Angebotserweiterung benötigt. Und dann ist da noch die Umstellung auf Elektromobilität. Die KVB ist mit E-Bussen unterwegs. Auch die ganzen Service-Pkw werden zukünftig „Stromer“ sein. Für die Verkehrswende ist durch diese Umstellung nicht viel gewonnen. Trotzdem sind dadurch 540 Millionen weg.
Gibt es Fördergelder?
Die gute Nachricht: Das Land NRW will über 600 Millionen Euro in die marode Schieneninfrastruktur stecken. Die schlechte Nachricht dabei: Die entsprechenden Projekte werden natürlich nicht zu 100 Prozent gefördert. Die Verkehrsbetriebe müssen etwas dazu tun, wollen sie an den Fördertopf heran. Laut des Finanzierungspapiers der KVB müssen dafür 500 Millionen Euro eingeplant werden.
Wer muss das alles bezahlen?
Was das für den Haushalt der KVB in den kommenden Jahren bedeutet, verdeutlichen zwei Kurven in dem Papier „Tariferhöhung und ÖPNV-Finanzierung“. Sie gehen vom Jahr 2024 ausgehend bis zum Jahr 2028 steil nach unten. Das wirtschaftliche Ergebnis des Verkehrs-Betriebs fährt immer tiefer in den Keller. Beträgt das Jahresdefizit im aktuellen Haushalt noch rund 140 Millionen Euro, so steigt es für 2024 bereits auf 160 Millionen an. 2028 wäre dann ein Defizit von rund 200 Millionen Euro erreicht. Für das Jahr 2035 rechnet die KVB mit einem Minus von sage und schreibe 230 Millionen Euro. Wer muss das ausgleichen?
Die Stadt Köln in ihrem Haushalt. Bisher kam das Geld dafür größtenteils aus den Abführungen aus den Gewinnen der Rheinenergie. Am Ende zahlen also alle Kölnerinnen und Kölner. Dabei steckt in diesen prognostizierten Zahlen noch der Faktor Hoffnungen. Denn erneut gibt es zwei große Unbekannte. Die eine ist die Entwicklung der Tariflöhne. Die werden wohl steigen müssen, soll die KVB personell nicht immer weiter austrocknen. Weil es an allen Ecken und Kanten an Personal fehlt, fährt der Betrieb seit Februar 2023 nach einem Notplan. Weil sie den eigentlichen Fahrplan mangels Fahrerinnen und Fahrer nicht mehr erfüllen kann, wurde er auf ein Maß abgespeckt, das einigermaßen verlässlich zu erbringen ist. Jüngst räumte KVB-Chefin Haaks ein: Von dem Gehalt eines Stadtbahnfahrers könne in Köln niemand eine Familie über Wasser halten.
Was kostet das Deutschlandticket die KVB?
Die zweite große Unbekannte ist das Deutschlandticket. Schon jetzt ein Verlustgeschäft für den Betrieb. 74 Millionen Euro verliert die KVB durch das Ticket in 2024. Der Bund fördert mit 57,2 Millionen. Da bleibt unter dem Strich immer noch ein Minus von 17,1 Million Euro auf Seiten der Kölner Verkehrs-Betriebe. Und auch dieses Minus wächst mit den Jahren: Bis zu 41,1 Millionen Euro in 2028. Dabei wäre die KVB noch froh, es bliebe dabei, denn die Förderung durch den Bund ist alles andere als gesichert. Eine Zusage steht bisher nur bis Mitte 2024. Würde die Verantwortung auf die Städte zurückfallen, müsste Köln in 2028 ein weiteres Defizit aus dem Deutschlandticket von rund 100 Millionen auf die Schulter der Bürgerinnen und Bürger legen.
Macht die KVB Druck?
Geht der Blick über den Kölner Tellerrand hinaus, kommen nochmals neue Zahlen zum Tragen. Von Seiten des Landes fehlen Mittel für die Fahrzeugbeschaffungen der Verkehrsunternehmen. Wird von einer Förderquote von 50 Prozent ausgegangen, existiert NRW-weit eine Finanzierungslücke von 1,3 Milliarden Euro, gerechnet bis ins Jahr 2031. Die Verkehrsbetriebe im Land wollen Druck machen. Geplant sind zwei Termine mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, den Oberbürgermeistern und den Vorständen der Verkehrsbetriebe.