Köln – „Das bringt doch nichts. Die Stadt ist unregierbar, und die Verantwortlichen kriegen nix auf die Kette.“ Viele, denen Innenstadt-Pfarrer Dr. Dominik Meiering erzählte, dass er die Diskussion über Wohnungslosigkeit und Drogensucht am Neumarkt in der Karl-Rahner-Akademie besucht, winkten resigniert ab. Tatsächlich bestätigten Monika Kleine, Geschäftsführerin Sozialdienst katholischer Frauen, und Stefan Lehmann, Koordinator Aufsuchendes Suchtclearing am Gesundheitsamt, dass sich die Situation „nicht wirklich“ verbessert hat. Lösungen erhofften sie sich von dem Masterplan zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit, den Sozialdezernent Dr. Harald Rau an dem Abend vorstellte.
Drogen-Problem: Angst vor Belästigungen am Neumarkt
Allzu großen Erwartungen schob Rau jedoch sogleich einen Riegel vor. Statt um einen Masterplan handle es sich um ein Konzept, „eine Vision“ seines Dezernats, das erst im Frühjahr 2023 den Ratsausschüssen vorgelegt wird. Das erklärte Ziel, Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden, sei zwar utopisch, aber: „Kapitulieren ist nicht.“ Rau ist klar, dass der Anblick des Elends auf dem Neumarkt einerseits „wehtut“. Andererseits machte der öffentliche Drogenkonsum, der trotz es Konsumraums am Gesundheitsamtes teils weiter stattfinde, auch Angst davor, belästigt zu werden. „Aber was nicht mehr geht: Menschen, die nicht in die Gesellschaft passen, wegsperren. Wir müssen uns zumuten, dass sie mitten unter uns leben“, verdeutlichte Rau.
Gesetzlich ist die Stadt verpflichtet, jedem Menschen einen Übernachtungsplatz zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich spreche die Stadt jeden Obdachlosen an, versicherte Rau. Aber nicht selten scheitere eine Unterbringung an den psychischen Beeinträchtigungen mancher wohnungsloser Menschen. Einigen falle es schwer, sich von Gewohnheiten zu lösen. Denn so wie Arbeit und soziale Beziehungen einen gewissen Halt geben, strukturieren Platzsuche und Betteln die Tage obdachloser Menschen. Bindungen einzugehen und die Enge von Räumen auszuhalten, falle ihnen aufgrund ihrer Erfahrungen ebenfalls oft schwer.
Die größte Herausforderung, schickte Rau seinen Erläuterungen zum Zwölf-Punkte-Konzept seines Dezernats voraus, sehe er in der Aussöhnung von Gemeinwohl- versus Renditeorientierung, um die Rahmenbedingungen für Investitionen in bezahlbaren Wohnraum zu verbessern. Im Wesentlichen sollen weniger die Probleme der Obdachlosen in den Blick genommen werden, sondern vielmehr ihre Möglichkeiten, sich an der Gestaltung des Neumarkts zu beteiligen. „Wir wollen sie als Experten für Obdachlosigkeit und Drogensucht einbeziehen“, so Rau.
Ebenfalls angedacht sind eine erhebliche Ausweitung des Streetworks, die Gründung einer sozialen Wohnraum-Agentur und die Zusammenführung von Hilfemodellen, etwa in den Bereichen Wohnen und Ausbildung. Damit es erst gar nicht zu Obdachlosigkeit kommt, weil Menschen ihre Miete nicht mehr bezahlen können, haben zuständige Behörden vorbeugenden Maßnahmen verstärkt. Auch auf Menschen aus dem EU-Ausland ohne Leistungsansprüche, wird vermehrt geachtet. In dieser Gruppe und bei Menschen mit psychischen Erkrankungen beobachtet Stefan Lehmann alarmierenden Zuwachs. Einig waren sich alle Teilnehmenden, dass jetzt das Überleben auf der Straße vordringlich ist. Deshalb sei die Winterhilfe der Stadt auch bereist angelaufen.