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Theater für GehörloseErstmals steht eine Dolmetscherin für Gebärdensprache auf der Bühne im Comedia-Theater in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Drei Personen stehen an einem Tisch und greifen in eine Kiste

Das Stück „Das Alles Archiv“ wird an einem Termin von einer Gebärdensprachdolmetscherin begleitet.

Das Comedia-Theater zeigt morgen „Das Alles Archiv“ mit einer Gebärdensprachdolmetscherin - Stück von gehörloser Regisseurin ab Februar.

Neu ist es nicht, im Kulturbetrieb Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher einzusetzen: In den USA beispielsweise gehören sie auf großen Konzerten oder Top-Events wie dem Super Bowl mittlerweile fast zum Standard. Auch das Kölner Comedia Theater will gehörlosen Menschen Zugang zu ihrem Angebot auf der Bühne ermöglichen und wird damit zum stadtweiten „Vorreiter“. Den Anfang macht am morgigen Mittwoch das Stück „Das Alles Archiv“, das in die deutsche Gebärdensprache übersetzt wird. Am 17. Februar 2024 präsentiert das Theater erstmals die von einer gehörlosen Regisseurin inszenierte Produktion „In 80 Tagen um die Welt“.

Sie sind zwar nicht Teil des Ensembles, stehen aber trotzdem auf der Bühne: Was sonst durch Sprache ausgedrückt wird, zeigen Dolmetscherinnen und Dolmetscher dem Publikum mit ihren Gebärden. So auch bei „Das Alles Archiv“ im Comedia. „Das Stück ist für hörendes Publikum konzipiert. Die Gebärdensprachdolmetscherin ist nicht im Stück integriert, sondern eine Art Zusatz“, erklärt Dramaturg Alexander Schaefer.

Das ist ein kleiner erster Schritt, den wir gehen können, um gehörlosen Menschen den Besuch dieser Vorstellung zu ermöglichen und um eine Barriere weniger bei uns zu haben.
Alexander Schaefer, Dramaturg Comedia-Theater

Für eine erfolgreiche Übersetzung braucht es Teamarbeit. Was auf der Bühne passiert, nimmt zuerst eine hörende Person auf, die im Publikum sitzt. Sie „füttert“ wiederum eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher auf der Bühne mit Informationen in der Gebärdensprache. Diese Person ist gehörlos sowie Muttersprachlerin oder Muttersprachler der Gebärdensprache und kann dem Publikum die Infos künstlerisch wertvoll präsentieren.

„Es geht darum, dass die Übersetzung sprachlich sowie künstlerisch auf gutem Niveau beim Publikum ankommt und auch darum, dass Gehörlose auf der Bühne zu sehen sind, also um Repräsentation“, erklärt Schaefer. Das sei nicht der Regelfall, meistens werde mit hörenden Dolmetscherinnen oder Dolmetschern gearbeitet, die es öfter gebe als gehörlose.

Zu dem Stück „Das Alles Archiv“ hat das Comedia-Theater Schülerinnen und Schüler der Johann-Joseph-Gronewald-Schule für Hörgeschädigte eingeladen. Sie sollen im Anschluss bewerten, wie die Übersetzung gelaufe ist.

Extrem gefragt: Übersetzungen in die Gebärdensprache

Wer sein Stück mit einer Übersetzung in die Gebärdensprache begleiten will, steht zuerst vor einer Herausforderung: Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind extrem gefragt. Es sei ein Glücksfall, tatsächlich jemanden zu finden. „Für manche Termine habe ich zwei bis drei Monate im Voraus angefragt und es war schon schwierig“, erklärt er. Bei der Suche greift er auf Online-Verzeichnisse oder die Kölner Agentur Skarabee zurück.

85 Euro pro Stunde kostet es, eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher zu engagieren, das ist gesetzlich festgelegt. Kosten für die Anfahrt kommen hinzu. Für eine Vorstellung von „Das Alles Archiv“ mit Übersetzung bezahlt das Theater rund 300 Euro. Der Preis für die Gäste ändert sich dadurch aber nicht.

Wir sind mit unserem Angebot Vorreiter in Köln.
Alexander Schaefer, Dramaturg Comedia-Theater

„Bei Produktionen im Laientheater gibt es öfter Angebote für Gehörlose. In professionellen Häusern ist das sehr selten“, erklärt Schaefer. „Wir sind mit unserem Angebot Vorreiter in Köln.“ Mit der Produktion „80 Tage um die Welt“ will das Theater gehörlose Menschen auch in den kreativen Prozess einbeziehen. Das Stück von der gehörlosen Regisseurin Stephanie Mündel-Möhr wird von einem überwiegend gehörlosen Team präsentiert. Während der Vorstellung gibt es Elemente in Laut- und Gebärdensprache.

Dass es an Übersetzungen in der Kölner Theaterszene mangelt, kann sich Schafers leicht erklären: „In den Häusern gibt es eine große Überlastung. Die Organisation einer Gebärdensprachdolmetschung ist Arbeit, die dazu kommt, während wir sowieso schon am Limit sind.“ Das Comedia-Theater bemüht sich trotzdem um den Abbau von Barrieren. Geplant sei ein regelmäßiges Angebot für Gehörlose. „Dass wir bei ‚In 80 Tagen um die Welt‘ zum Beispiel eine Produktion entwickeln, die ohne Dolmetschende auf der Bühne auskommt, macht es uns möglich, flexibler zu sein. Aber auch die Übersetzung von bestehenden Stücken wollen wir in Zukunft öfter anbieten“, erklärt Schaefer.


Tickets

Karten für das Stück „Das Alles Archiv“ am 25. Oktober um 12 Uhr gibt es nur noch vereinzelt an der Kasse des Comedia-Theaters. Tickets für „In 80 Tagen um die Welt“ und alle weiteren Infos gibt's online.