Touristen haben einen anderen Blick auf Köln: Sie gehen mit vielem in der Stadt deutlich gnädiger um als die Kölnerinnen und Kölner selbst.
Lebensgefühl als MarkeWarum der Tourismus in Köln besser ist als sein Ruf
Mit Nachdruck lehnt Kölntourismus-Chef Jürgen Amann den Begriff „Sauftouristen“ ab, insbesondere zum Sessionsauftakt am 11.11. und zu Weiberfastnacht. „Das sind keine Touristen“, führt er aus: Der mit Abstand größte Teil der Menschen, die an diesem Tag in Köln feiern, kommt entweder aus der Stadt selbst oder aus der Region. Übernachtungsgäste größtenteils keine, von einigen unfreiwilligen Ausnahmen vielleicht einmal abgesehen. Ähnlich verhält es sich mit den allseits beliebten Junggesellinnen- und Junggesellenabschieden.
Im Wesentlichen seien die mitunter derben Auswüchse an diesen Tagen ein innerstädtisches Problem und hätten mit der Außenwahrnehmung Kölns wenig zu tun: Weder Tages- noch Tagungsgäste hätten das bei ihren Besuchen auf dem Schirm. Und wenn man dann doch über einen betrunkenen Jecken stolpert, heißt es: „Na, die Kölner feiern halt gern.“ Zu Karneval selbst ist das natürlich etwas anderes, aber da sind auch die Ausgangsvoraussetzungen andere.
Viele Gäste kommen mehrmals
Lässt man die Unzeiten 11.11. und Weiberfastnacht einmal außen vor, ist die sprichwörtliche Lebensfreude der Kölnerinnen und Kölner das größte Pfund, mit dem die Tourismus-Branche wuchern kann. Abgesehen von Dom vielleicht, aber letztlich ist der Tourismus ein Geschäft. Und da heißt es, sich so gut wie möglich zu verkaufen, damit die Gäste nicht einmal, sondern mehrmals die Stadt besuchen. Und das tun sie mittlerweile immer öfter im Vergleich zu früheren Jahren. Auch und besonders, weil man das allseits bekannte Lebensgefühl hierzulande zu schätzen weiß. Der Dom dagegen ist nach dem ersten Mal abgehakt.
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Die Gewohnheiten haben sich verändert nach Corona. Deutlich weniger Geschäftsreisen, mehr Tages- und Kurztourismus. Der Experte unterscheidet zwischen postmateriellem Publikum und Expeditiven. Grob gesagt ist ersteres ein Milieu mit hohem Bildungsgrad, dem Wunsch nach Selbstentfaltung und finanziell unabhängig. Zweitere sind etwas schwerer zu fassen: Trendsetter, eher jung als alt, eher intuitiv als Reisedurchdenker. Gerne mit kulturellen Abstechern jeder Art, sei es ins Museum oder in den Club nach Ehrenfeld. Bisweilen auch mit gut gefüllter Börse unterwegs, aber nicht zwangsweise.
Geschäftsreisen nehmen ab
Es sind diese beiden Gruppen, die Amann besonders im Visier hat und die ein neues Klientel abseits der üblichen Reisebusse erschließen soll. Seit gut eineinhalb Jahren fährt man bei Kölntourismus diese Strategie, und augenscheinlich fährt man ganz gut damit. Köln ist aus den Corona-Jahren stabiler hervorgegangen als andere Städte und mehr oder weniger wieder auf Vorkrisen-Niveau. Dem fast vollständigen Wegfall klassischer Geschäftsreisen früherer Tage - halber Tag Anfahrt, zwei Stunden Meeting, Hotel - steht eine Erholung bis Zunahme der sogenannten „promotablen“ Business-Reisen gegenüber: Messe- und Tagungsgäste, die mehrere Nächte in Köln bleiben. Insbesondere durch das neue Confex an der Messe erhofft sich Amann hier noch einmal einen deutlichen Schub.
Die Gäste gehen mit der Stadt oft deutlich deutlich gnädiger um als viele Kölner selbst. In Erinnerung bleiben den meisten Gästen die vielen Sehenswürdigkeiten. Dann aber folgt direkt und auf Tuchfühlung das allseits bekannte und besungene „Jeföhl“, das offensichtlich immer noch kaum eine andere Stadt zumindest im Bundesgebiet so zu verbreiten weiß. Was Köln denn auch als starke eigene Marke bespielt, auf einer Ebene mit Hamburgs Hafen, Berlins Hauptstadt-Status oder Münchens Biergärten etwa. Auf andere Art eben, aber nicht weniger wichtig.
Probleme gibt es natürlich dennoch. Eine lebendige Club-Szene mit immer weniger Clubs beispielsweise. Einer nach dem anderen muss schließen, sei es aufgrund diversester Vorgaben oder schlicht, weil neu gebaut werden soll. Andererseits, erklärt Amann, ist immer der Status quo entscheidend: Wer jetzt als Tourist die Stadt besucht, hat in der Regel keinen Vergleich mit früheren Zeiten und wird das Clubsterben als solches kaum wahrnehmen. Und auch der Massenansturm aus Busanlandungen wird sich nicht vermeiden lassen.
Probleme gibt es dennoch
Dass Köln keinen Sonderpreis in der Sauberkeits-Wertung verdient, ist ebenfalls bekannt. Und die Probleme an neuralgischen Plätzen wie dem Neumarkt oder dem Breslauer Platz sind nicht wegzudiskutieren. Dass sich hier einiges grundlegend ändern muss, hat nicht zuletzt der Verein Stadtmarketing noch einmal nachdrücklich angemahnt. Aber auch das scheint in der Wahrnehmung der Gäste oftmals eher ein Randphänomen zu sein.