Die Besucher des Literaturfestivals erleben zwei spannende Abende im Tanzbrunnen und der Kulturkirche Nippes. Als die ehemalige Tennisspielerin aus ihrem zweiten Buch vorliest, wird es emotional.
lit.CologneWarum Andrea Petković vier Doppelfehler nicht vergessen kann
Aufschlag Andrea Petković: Über 1000 Besucher wollten beim Literaturfestival den Tennisstar sehen. Um dem Ansturm einigermaßen gerecht zu werden, war die Lesung der Tennisspielerin aus ihrem zweiten Buch „Zeit, sich aus dem Staub zu machen“ extra hierhin verlegt worden. In der Kulturkirche präsentierte sich tags drauf Erdmöbel-Gitarrist Markus Berges.
Als „Weltstar“ angekündigt zu werden, gefällt Petković nicht. „Ich muss den Weltstar revidieren. Das ist etwas übertrieben“, startet der ehemalige Tennis-Profi in den Leseabend im Rahmen der lit.Cologne. „Es war sehr schlimm“, sagt Petković und meint die Zeit des Abschieds nach 16 Jahren „mit Leidenschaft“ im Tennis-Zirkus. Sie beschreibt einen Moment, als sie in der Pariser Metro untertage stehen bleibt. „Wie lange noch? Gedanken voller Skorpione.“ Im Sport sei man mit Mitte 40 schon zehn Jahre in Rente. Mit über 28 müsse man drei Mal soviel arbeiten wie eine Jüngere, nur um auf der Stelle zu treten. Man raffe sich auf, belüge sich selbst. Die 36-Jährige stellt fest: „Das Feuer in mir lodert nicht mehr. Ich fühle mich alt.“
Die Autorin, die heute in Los Angeles lebt und für den Tennis Channel kommentiert, liest die Passage über ihr letztes Spiel bei den US Open 2022, eins, das sie mit vier Doppel-Fehlern beginnt, dann noch mal aufdreht, aber letztlich doch verliert. Jetzt wird es emotional. Nach einem Schluchzer fließen Tränen. Das Kölner Publikum spürt, dass sie jetzt Unterstützung braucht und antwortet mit Applaus: lang anhaltend und warm. Andrea Petković fasst sich wieder und sagt: „Es ist vorbei. Es ist ok. Ich fühle mich leichter, befreit.“
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Mal las er aus seinem neuen Roman „Irre Wolken“, mal sang und spielte Markus Berges in seiner Band Erdmöbel. In der ausverkauften Kulturkirche in Nippes erlebte das Publikum einen vielseitig talentierten Kölner Künstler. 1986, im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe, tritt ein schüchterner, stark übergewichtiger 19-Jähriger sein Freiwilliges Soziales Jahr in „der Hülle“ an. So wird die psychiatrische Klinik in der Nähe von Münster im Volksmund genannt. Zu dieser Zeit heißt die Psychiatrie noch „Klapsmühle“, der Klub „Disko“ und Jägermeister „Hochsitz-Cola“. Der namenlose Ich-Erzähler, der im Laufe des Romans den Spitznamen „Kuli“ bekommt, stammt aus einer westfälisch-katholischen Familie mit klar formatiertem Weltbild. Ausgerechnet in der Klinik mit an schweren Psychosen erkrankten Menschen verliebt er sich in die schizophrene Patientin Anne.
Als sie bei einem Spaziergang zu türmen versucht, fängt er sie ein – und lässt sie gehen. In einem geheimen Versteck treffen sich beide wieder, sie erleben einen kurzen Frühling unter dem Zeichen ihrer verbotenen und unberechenbaren Liebe. Der Autor, Sänger und Texter der Kölner Band Erdmöbel erzählt in seinem dritten Roman von der Initiation eines jungen Mannes, dessen erste Liebe ihn in eine extreme existenzielle Bedrängnis führt. „Mir ist besonders wichtig, dass die Leserinnen und Leser die Motive des Protagonisten verstehen. Wofür brennt er? Wie sieht er sich selber?“, betonte Berges im Gespräch mit Stefanie Junker. Der Coming of Age Roman hat ausgeprägte autobiografische Züge. So hat Berges selbst als Zivildienstleistender in einer Psychiatrie gearbeitet.