Abseits jeglicher Schubladen begeistert der 34-Jährige 10.000 Fans im Tanzbrunnen. Der Grund für sein Kommen? „Sachbeschädigung“.
Konzert in KölnAlligatoah feiert Abrissparty im Tanzbrunnen
Der Mann vereint Gegensätze in sich: Hiphop und Metal, Kreativität und Zerstörung, Liebe und Hass, Trainingsanzug und Pelzmantel. Wer zu seinen Konzerten geht, muss mit allem rechnen. Und diese Gegensätze bekamen die Gäste im Tanzbrunnen am Mittwochabend zu sehen: Einen immer noch jungen, und doch schon altbekannten Künstler, der in keine Schublade passen möchte und passend dazu ein ganzes Mobiliar inklusive Schubladen auf der Bühne zertrümmerte. Der Rapper und Sänger Alligatoah spielte mit seiner Band vor rund 10.000 Fans in Deutz und feierte mit seinen Anhängern eine ganz besondere Abrissparty.
Alligatoah liebt es, sich nicht anzupassen und das Unerwartete zu tun. Schon das Konzert-Opening hat es in sich: Auf der Bühne eine Art Büro, mit Schreibtischen, Displays, Stühlen, dazu seine Band in Anzug und Krawatte, wie auf ein Meeting wartend. Dann ein klingelndes Telefon – die Fans sehen Lukas Strobel alias Alligatoah auf den Bildschirmen. Er schaltet sich zum Büro-Meeting zu und beginnt „Stay In Touch“ zu singen, bis nach einem lauten Knall ein Körper von der Decke stürzt. Zum Glück lediglich eine Puppe, und der echte Alligatoah erhebt sich in braunem Pelzmantel und rotem Trainingsanzug hinter seinem Schreibtisch. Wie eine teuflische Mischung aus Mephisto und Macklemore zieht er gleich seine Fans in seinen Bann, welche vor dem Konzert noch in einer kilometerlangen Schlange von der Deutzer Brücke bis zum Tanzbrunnen geduldig ausgeharrt hatten.
Alligatoah in Köln: Metal-Elemente neu im Repertoire
Wer von Alligatoah ausschließlich Rap erwartet hatte, wird enttäuscht: Der 34-Jährige hat eine Radikalkur hinter sich, wendet sich mittlerweile härteren Gitarrensounds und Metal-Elementen zu. Seine beißende Ironie und seinen Sarkasmus hat Alligatoah allerdings nicht verloren. „Ihr merkt, ich bin nicht mehr der Gefühlvolle, ich schreie jetzt rum und bin härter geworden“, brüllt der Sänger von der Bühne. „Alligatoah, hat der nicht mal Rap gemacht, ist das überhaupt noch Hiphop?!“, äfft er seine Kritiker nach. Am liebsten verwirrt er seine Fans, so scheint es. Die ersten Songs sind vom neuen Album, der Mitsing-Faktor ist gering. „Ich würde meinen Stil als Sex, Drugs und Rock‘n‘Roll bezeichnen – obwohl, Rock‘n’Roll doch nicht“, lacht er dann – die perfekte Überleitung für seinen Song „Fuck Rock‘n’Roll“, zu dem endlich die Fans abgehen.
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Bald spielt Alligatoah auch ältere Hits, zum Beispiel „Lass Liegen“, „Ein Problem mit Alkohol“, „Narben“ und „Fick ihn doch“. Dazu zertrümmert er mit Hingabe sein Bühnenbild, schlägt die Möbel kurz und klein und schmeißt Displays durch die Gegend. („Gefällt euch mein Bühnenbild? Mir auch nicht!“) Der Sänger bedient sein Publikum nicht, er spielt lieber mit diesem. Nach dem Song „Scheissdreck“ hat er auf einmal eine Fake-Waffe in der Hand. Ein lauter Knall, und Konfetti rieselt von der Bühne auf die Fans herab. Kurz darauf folgt „Musik ist keine Lösung“ – die Fans singen jetzt jede Zeile mit. Seine Band begleitet ihn unter anderem mit Klarinette – der musikalische Kosmos scheint unendlich zu sein.
Die Bühne wird zum Schlachtfeld
Wie einst bei Nirvana ähnelt die Bühne am Ende einem Schlachtfeld. Ein solches erkennt der Künstler auch im menschlichen Verhalten, das er in „So raus“, „Monet“ oder „Du bist schön“ beschreibt – stets macht er sich über Gier, Narzissmus und Egoismus der Erdbewohner lustig. Dazu verkündet er sein Credo: „Es gibt einen Grund, warum ich vom Mond zurückkomme: Sachbeschädigung!“ Am Ende behauptet er, dank seines Publikums therapiert worden zu sein - und Köln jubelt ihm zu.
Bevor er endgültig geht, spielt Alligatoah aber noch den Hit, der ihn berühmt gemacht hat, und der sogar in den Clubs von Deutschland bis Mallorca gespielt wurde. „Willst du“ scheint auf den ersten Blick eine Aufforderung zu Drogenkonsum und Absturz zu sein – auch hier wurde der ewig Ironisierende von vielen missverstanden. Eigentlich will der Mephisto aus Niedersachsen nur den Finger in die Wunde legen – zumindest seine Fans lieben ihn dafür und feiern ihn auch dann, wenn er nur mit ihnen spielt.