Mit seinen altbekannten Hits und absurden Dialogen zog der Mülheimer Entertainer Helge Schneider erneut ein begeistertes Publikum im Deutzer Tanzbrunnen in seinen Bann.
Alte Hits und junges GlückHelge Schneider wird von seiner Fanschar im Tanzbrunnen gefeiert
„Wenn ich mich so umschaue, ist das ja wie ein Museum hier. So viele alte Leute – sind denn die Hörgeräte eingeschaltet?“ Helge Schneider wird Ende des Monats 69 Jahre alt – bleibt jedoch der ewig junge Entertainer, der sich selbst und sein Publikum auf die Schippe nimmt und sich selbst offensichtlich nicht zum alten Eisen zählt. Und ja – auch sein Publikum ist mit ihm gealtert, aber lacht weiterhin mit ihm statt über ihn, und liebt seine Absurditäten und Floskeln, den gelegentlichen Wahnsinn und die Irreführungen. Auch in diesem Jahr gastierte der Mülheimer Künstler wieder im Deutzer Tanzbrunnen und zeigte eine Show, die auch in den neunziger Jahren hätte stattfinden können.
Programm im Tanzbrunnen: Der alte Helge ist der junge Helge
So spielte Helge Schneider am Freitagabend mit seiner vierköpfigen Band die alten Gassenhauer, über die man schon zu Schul- oder Studienzeiten lachen musste: „Katzeklo“, „Es gibt Reis, Baby“ oder „Telefonmann“ waren in den frühen Neunzigern bereits Klassiker. Passend dazu heißt seine aktuelle Tour „Katzeklo auf Räder“. Schneider präsentiert an diesem schwülen Abend so manchen alten Song, und die alten Fans schmunzeln oder rasten komplett aus, je nach Temperament. Der alte Helge ist der junge Helge, nichts scheint sich in seinem Kosmos zu verändern.
Unter anderem ist auch der ständige Wechsel zwischen Gags, bekannten Hits, Jazz, absurden Dialogen mit seiner Band oder dem Publikum bereits altbekannt. Und doch ist nichts erwartbar bei Helge Schneider, er macht auf der Bühne immer noch, was er will. Er rülpst, trinkt Tee – seit 30 Jahren serviert von seinem Teekoch Bodo – er kommentiert die Gegebenheiten: „Wir müssen Rücksicht nehmen auf die Nachbarn in Leverkusen“, erklärt er die teils zu geringe Lautstärke. Die Gäste im Tanzbrunnen haben sich auf dem gesamten Gelände verteilt, nur wenige hundert Sitzplätze werden den deutlich über tausend Gästen zur Verfügung gestellt. So kommt nicht jedes Wort oder jeder Ton deutlich genug bei den hinteren Reihen an.
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Nummern sind durchsetzt von Anspielungen auf andere Künstler
Im Anschluss lässt Helge sich über die Handysucht oder die Abhängigkeit von der künstlichen Intelligenz aus: „Meine Band besteht ausschließlich aus lebenden Menschen“, bekennt der Musiker. In Deutz ist nichts von künstlicher Intelligenz zu spüren, sondern lediglich die vollkommene Unvollkommenheit der Anwesenden. Gerne imitiert Helge Schneider andere Künstler: Er macht den Gang von Roland Kaiser oder Howard Carpendale auf der Bühne nach, er singt bei „She's gone“ im nuscheligen Stil von Herbert Grönemeyer, er teilt humorvoll gegen Jürgen Drews oder Atze Schröder aus. Die Musik hierzulande belächelt er gerne – stattdessen huldigt er in längeren Jazz-Passagen seinen internationalen Vorbildern.
Ebenso präsentiert er „Satin Doll“ von Duke Ellington oder „Dexterity“ von Charlie Parker. Schneider improvisiert am Bariton-Saxofon, wechselt für eine langsame Nummer ans Altsaxofon, spielt virtuos am Klavier.
Publikum und Künstler bilden eine Einheit
Er wäre aber nicht Helge Schneider, würde er von der genialen Huldigung nicht nahtlos übergehen in eine Jazz-Version der volkstümlichen „Vogelhochzeit“, und das Publikum zum Kanon animieren. Seine Band spielt routiniert ihre Rolle als virtuose Begleiter: Reinhard Glöder am Kontrabass, Sandro Giampietro an der Gitarre und Willy Ketzer am Schlagzeug sind schon seit Jahren sein Gerüst, auf das er sich stets verlassen kann. Sein alter Kumpel Sergej Gleithmann macht dazu die tollpatschigsten Verrenkungen.
Das Publikum amüsiert sich. Eine solche verschworene Einheit bilden wohl nur wenige Künstler in Deutschland mit ihrem Publikum – durch ihre Liebe zur Anarchie und zur vermeintlich fehlenden Perfektion bleiben beide jung.