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Köln im NationalsozialismusRegio Colonia führt zu verborgenen Orten der Erinnerung

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Auf der  Eisenbahnschwelle am Hauptbahnhof – etwas versteckt Richtung Wartesaal – sind vier Messingplaketten angebracht. Im Bild rechts Birgit Deckers vor der „Domplombe“.

Köln – Manches, was Propaganda statt Wahrheit war, hielt sich lange in Köln. Manche Spur des dunklen Kapitels der deutschen Geschichte ist bis heute nur in verborgenen Ecken zu finden. Die Führung „Köln im Nationalsozialismus“ der Stiftung Regio Colonia bot Erhellendes selbst den Kölnerinnen und Kölner, die ihre Stadt gut kennen.

Geschichte ist oftmals versteckt

Es braucht schon das Wissen von Stadtführerinnen wie Dr. Birgit Deckers, um etwa die wahre Geschichte der Domplombe zu erfahren. Bis in die 70er-Jahre hinein wurde der Wehrmachtsoffizier Paul Börger als tatkräftiger Held gefeiert, der den Dom vor einem Teileinsturz bewahrte. Er rückte nach einem versehentlichen Bombentreffer am 3. November 1943, der eigentlich dem Hauptbahnhof galt, mit Pionieren, später Zwangsarbeitern, an, die das Loch verfüllten. Doch der Funktionär und evangelische Pfarrer nutzte den Einsatz auch, um sich nach dem Krieg eine weiße Weste zu waschen. Denn der Dom war eine bedeutende Landmarke. Wer an seiner Rettung beteiligt war, stand gut da. Die Domplombe am Nordturm blieb bis 2004 sichtbar, seit 2005 sind die 20 000 Ziegelsteine mit Sandstein verblendet.

Ein kleines Mahnmal ganz in der Nähe blieb fast gänzlich verborgen, bis ein Schild das Abstellen von Fahrrädern an der „Schwelle der Erinnerung“ verbot. Diese Schwelle aus Eichenholz ist auch jetzt noch leicht zu übersehen auf dem Weg zwischen Bahnhof und Dom. Als die private Initiative „Bahn erinnern“ sie im Januar 2006 aufstellte, gab es Streit. „Die Deutsche Bahn AG hat die Reichsbahn übernommen, weigert sich aber bis heute, in ihren Räumen und Bahnhöfen die Einbindung der Reichsbahn in die Verbrechen der Nazis zu dokumentieren“, erklärten die Initiatoren.

Auf vier Metalltafeln ist nachzulesen, welcher Erinnerung sich die Bahn stellen soll: „Beamte, Angestellte und Arbeiter der Reichsbahn waren in der Zeit des Nationalsozialismus an der Deportation von Millionen Menschen beteiligt.“

Ein Bunker für die Domschätze

Noch gut sichtbar sind einige der 40 erhaltenen Bunker in Köln, zum Beispiel die Kulturbunker in Ehrenfeld und Mülheim. Dagegen weiß kaum jemand, dass die roten Wände, die beim Blick durch die Fensterfront des Römisch-Germanischen Museums ins Untergeschoss auffallen, Bunkerreste sind. Allerdings kein Schutzraum für Menschen, sondern für die Domschätze.

Von dort leitet Dr. Birgit Deckers über zur Rolle der katholischen Kirche in der NS-Diktatur. Dass nur vereinzelt Widerstand geleistet wurde, ist den meisten bekannt. Auch die Ausnahme Josef Kardinal Frings, dessen Denkmal auf dem Laurenzplatz besucht wird. Wenige Meter weiter befindet sich dann der Karl-Küpper-Platz, der in älteren Stadtplänen noch gar nicht verzeichnet ist: Denn der widerständische Büttenredner, der nach dem Krieg von Karnevalsfunktionären mit NS-Vergangenheit kaltgestellt wurde, erfuhr erst spät Ehrung in seiner Heimatstadt.

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Auch die Stolpersteine des Bildhauers Gunter Demnig sind bekannt. Weniger, was im Haus Neuerburg in Sichtweite des entstehenden Jüdischen Museums geschah: Hier spielte sich im März 1933 nach der Machtergreifung Hitlers ein vom damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer äußerst ungebetener Besuch ab. Adolf Hitler kam in der Absicht, die anstehende Kommunalwahl zu forcieren und zu beeinflussen. Zwar hatten ihm bei der Reichstagswahl nur ein Drittel der Kölnerinnen und Köln ihre Stimme gegeben, im Vergleich zu den 44 Prozent deutschlandesweit. Doch schon bei der Kölner Ratswahl stieg das Ergebnis für die NSDAP auf 40 Prozent. Da das nicht zur absoluten Mehrheit reichte, wurde auch in Köln der Prozess der Machtergreifung in Gang gesetzt, Sozialdemokraten verhaftet, Kommunistengruppen aufgelöst und die Zentrumspartei einverleibt.

In der laufenden Session interessierte besonders, was die Nazis mit dem Karneval machten. Als erstes verboten sie Männer in Frauenkleidern, die Jungfrau im Dreigestirn musste weiblich sein. Männliche Tanzmariechen verschwanden von den Bühnen. „Letzteres wurde bekanntlich beibehalten“, erläuterte Dr. Birgit Deckers.