Der Ausbau des ÖPNV in Köln und der Region wird Milliarden Euro benötigen. Als eine mögliche Finanzierungsquelle hat der VRS eine City-Maut in Köln untersucht. Volt will eine Machbarkeitsstudie beantragen.
Machbarkeitsstudie geplantKommt nun doch eine City-Maut für Köln?
Mit dem Tag, als das Wort das erste Mal ausgesprochen wurde, war klar: Das wird Köln verfolgen. Einmal rausgelassen, kriegt man dieses Thema nicht mehr eingefangen: City Maut. Mittlerweile haben sich einige daran den Mund verbrannt (siehe Infotext am Ende dieser Seite). Die Zeit war wohl einfach noch nicht reif dafür. Nun sei sie reif, überreif sogar, meint die Stadtratsfraktion von Volt. Für den kommenden Verkehrsausschuss will sie einen Antrag zur City-Maut stellen. Stau-Bepreisung, wie es bei Volt heißt. Die Stadtverwaltung soll eine Machbarkeitsstudie dazu erarbeiten.
„Wir arbeiten da eigentlich schon seit zwei Jahren dran“, sagt Max Pargmann, verkehrspolitischer Sprecher von Volt – und will damit andeuten, dass er er und seine Parteikollegen und -kolleginnen gegen Widerstände anarbeiten. Im Februar 2021 wurde das Fundament gelegt für den nun geplanten Antrag. Damals präsentierten Grüne, CDU und Volt nach frisch gewonnener Kommunalwahl ihr Bündnispapier. Ein Punkt auf der To-Do-Liste für die kommenden vier Jahre: „Wir wollen prüfen, ob mit einem geeigneten Steuerungsinstrument nach dem Vorbild anderer europäischer Städte die Zufahrt in die Innenstadt geregelt werden kann. Die gegebenenfalls entstehenden Einnahmen werden wir zur Verbesserung des ÖPNV nutzen.“ 2025 steht die nächste Kommunalwahl an. Wird noch die heiße Phase des Wahlkampfs abgezogen, bleibt nicht mehr viele Zeit für Sachpolitik. „Wir befinden und zwar noch in Vorbesprechungen, aber ich bin mir sicher, dass unser Antrag zur Novembersitzung kommt“, sagt Pargmann.
City-Maut: Stockholm als Vorbild
Bei der Suche nach Vorbildern schaut Pargmann nach Norden: Stockholm. „Das Beispiel halte ich für geeignet.“ Dort legen sich die Zugangsschleusen wie ein Halbkreis um den Stadtkern, von einer Seite durch Wasser begrenzt. Die Blaupause für die Kölner Ringe und den Rhein? Auch London hat eine City Maut. „Dort gibt es zu viele Zugänge, das System ist zu bürokratisch“, sagt Pargmann. In Stockholm sind es 18 Zugänge. „15 bis 20 Zugänge, damit sollten wir auch in Köln hinkommen“, so der Volt-Verkehrsexperte. Und wer muss zahlen? „Freien Zugang bekommt nur, wer in der Zone wohnt und Menschen mit Sondergenehmigung, beispielsweise bei eingeschränkter Mobilität.“ Berufspendler sind da klar außen vor.
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Ein gewichtiges Argument auf Pargmanns Seite für die City Maut: Der Erlös wird dringend für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) benötigt, sollen die Autofahrer auf Bus und Bahn umsteigen. Wie dringend, das verdeutlicht ein Gutachten des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS), zum dem auch die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) gehören. Sollen die Leistungen innerhalb des Verbundes lediglich mit der Spitze in der Branche gleichziehen, wächst der Finanzbedarf bereits um 28 Prozent auf bis zu 245 Millionen in Jahr an. Doch für eine erfolgreiche Verkehrswende müsste die angebotene Leistung im ÖPNV die Branchenspitze optimalerweise um 60 Prozent überbieten. Dafür bräuchte es laut Gutachten 510 Millionen Euro im Jahr, ein Plus zu bisherigen Finanzierung von 56 Prozent.
ÖPNV: Milliardenkosten kommen auf Köln zu
Eine Präsentation der KVB zur ÖPNV-Finanzierung, die der Rundschau vorliegt, zeigt, was alleine auf Köln zukommt. Der Verkehrs-Betrieb rechnet bis zum Jahr 2023 mit einem Investitionsbedarf von rund 3,5 Milliarden Euro. In dieser Summe ist die Beschaffung von neuen Stadtbahnen eingepreist (925 Millionen Euro), eine Angebotserweiterung wie beispielsweise durch den Ausbau der Ringlinie oder durch Langzüge auf der Linie 1 (650 Millionen Euro), und für all das müssten ja auch die Bau- und Betriebshöfe expandieren (615 Millionen Euro). Werden noch die steigenden Personal- und Energiekosten eingerechnet, geht die KVB von einem Anstieg ihres jährlichen Verlustes um 90 Millionen Euro auf 230 Millionen Euro aus. Und dabei sind noch nicht einmal die Auswirkungen des Deutschlandtickets eingerechnet, dessen Finanzierung durch den Bund nur noch bis Mitte 2024 gesichert ist.
Da braucht es jeden Cent, der locker gemacht werden kann. Der VRS geht in seinem Gutachten davon aus, dass eine City Maut in Köln ein Einnahmepotenzial von 60 Millionen Euro im Jahr hat. Bis zur Umsetzung könnte es anderthalb bis zweieinhalb Jahre dauern.
Ob Grüne, CDU oder Volt im Kölner Stadtrat: Sie alle bekennen sich zur Verkehrswende, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. In ihrem Bündnispapier ist die City Maut als Steuerungselement verankert. Da wird es wohl nicht leicht fallen, Argumente gegen den in Arbeit befindlichen Antrag von Volt für eine Machbarkeitsstudie zur City-Maut zu finden.
„Wir haben uns im Bündnispapier auf eine Machbarkeitsstudie geeinigt, das stimmt“, beginnt Lars Wahlen, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, mal vorsichtig. „Wir sind da aber noch in sehr frühen Überlegungen, wir haben intern noch Gesprächsbedarf “, sagt er. Die CDU sagt nicht Nein, aber eben auch nicht Ja zu dem Vorstoß von Volt. „Ich halte den jetzigen Zeitpunkt nicht für den richtigen“, so Teresa De Bellis, verkehrspolitische Sprecherin der Union. In diesen Monaten stünden für die Bürgerinnen und Bürger hohe Belastungen und Unsicherheiten an. „Ich würde das gerne ins kommende Jahr vertagen, wenn sich die Menschen wieder sicherer fühlen“, sagt De Bellis.
Gesetze müssen geändert werden
Zieht denn vielleicht außerhalb des Bündnisses die SPD mit? „Wir sehen nicht den Sinn einer Machbarkeitsstudie zur Einführung einer City Maut, wenn vollkommen klar ist, dass dazu gesetzliche Vorschriften geändert werden müssen“, sagt Lukas Lorenz, verkehrspolitischer Sprecher der SPD. Damit spricht er einen Punkt an, den auch Pargmann einräumen muss: „Die Stau-Bepreisung ist juristisch anspruchsvoll“, räumt er ein. Will sagen, sowohl auf Bundes, wie auf Landesebene müssten Gesetze angepasst werden, damit überhaupt erst die Einführung einer City Maut möglich ist. Die Regelung für Bundesfernstraßen müsste geändert und für Landesstraßen bräuchte es einen Straßennutzungsgebührentatbestand.
Heißes Eisen
Die Vokabel „City-Maut“ dürfte bei Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf einer Index-Liste stehen. In ihrem ersten Wahlkampf 2015 sagte sie beim Rundschau-Interview: „Das ist ein Wort, das man in Köln nicht sagen darf. Es funktioniert in anderen Städten erstklassig.“ Daraufhin äußerte die SPD scharfe Kritik, und Reker präzisierte einen Tag später, „dass man darüber nachdenken sollte, ob dieses Steuerungselement“ nicht in Köln geeignet sei. Seitdem äußert sich die OB lieber nicht zu dem Thema. Anders als Umweltdezernent, Harald Rau, der 2017 zugab: Ja, die City-Maut wünsche er sich dringend. „Autofahren muss unattraktiver werden.“ Reker pfiff Rau zurück, und wenn es einen Giftschrank für Vokabeln im OB-Amt geben sollte – das Wort City-Maut wäre dort geparkt. (mft)