Wo sonst das pralle Leben tobt, herrscht in Corona-Zeiten oft nur noch Ödnis. In einer Serie stellt die Kölnische Rundschau „verlassene Orte“ vor – Orte, die nun eine ganz neue, völlig ungewohnte Realität abbilden.
Köln/ Bonn – Um den Corona-Albtraum am Flughafen Köln/Bonn zu verstehen, muss man nur Masrori Mohsen zuhören. Der 50-Jährige sitzt seit 7.20 Uhr in seinem Taxi am Rande des Terminal 1 und wartet und wartet. Um kurz vor 12 Uhr wird der Taxiunternehmer interviewt: „Wie viele Fahrgäste haben Sie heute schon gefahren ?“ Die Antwort: „Keinen.“ Taxifahrer Mohsen steht in einer Reihe von 13 Wagen und hat noch einen Kollegen vor sich. Auch der wartet schon seit Stunden.
Doch auch wenn einer der wenigen Fahrgäste kommt, fährt nicht jeder in die Innenstadt in ein Hotel. „Es gibt auch nur Fahrten nach Porz. Das sind dann nur wenige Euro. Dann geht es zurück und es heißt wieder hinten anstellen“, seufzt der 50-Jährige. Aber man habe ja schließlich eine Beförderungspflicht. Es sind Szenen vom Montagvormittag; und sie wiederholen sich in diesen Tagen immer.
Das Drama um die ausbleibenden Fahrgäste und die Finanzen für die Taxifahrer ist nur ein kleiner Teil des Wahnsinns rund um die Pandemie. Der Rundgang durch den Flughafen lässt Menschen mit Fernweh fast die Tränen kommen. Das Terminal 2 menschenleer, eine Corona-Durchsage, die in der riesigen Halle niemand hört. Vor der Tür ist nur der Lärm einer Hotel-Baustelle zu hören und nicht der Turbinen-Lärm, der hier sonst ständig präsent ist. Es sind viele besondere Eindrücke im Flughafen-Gebäude in diesen Zeiten – und sie machen traurig.
Aber so soll es nicht sein. Denn der Airport ist ein Sehnsuchtsort – nach dem Traumurlaub oder den Liebsten, die im Terminal 1 gegenüber Rewe nach der Ankunft umarmt werden. Doch herzliche Begrüßungen finden bei den aktuellen AHA-Regeln kaum noch statt, keine Rosen zur Begrüßung und keine Freudentränen. Der Verkehrsknotenpunkt ist eine kleine Stadt, der fast vollständig das Leben ausgehaucht wurde.
Ein anderer Blick: Der ehemalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes streckt frech die Zunge heraus, Alt-Bundeskanzler Willy Brandt hat Staub angesetzt und ein Foto vom ehemaligen US-Präsident Barack Obama nimmt im Halbdunkeln kaum noch einer wahr. Es ist die einst beliebte „Ständige Vertretung“ – eine Kneipe, in der die Kölner vor dem Abflug noch schnell ihr Lieblingsgetränk trinken oder Touristen schon mal ein wenig Köln-Flair schmecken und schnuppern konnten.
Direkt gegenüber der „Vertretung“ ist die Anzeigetafel des Flughafens. Durchschnittlich 2500 Passagiere starten täglich in Pandemie-Zeiten. In guten Zeiten waren es 25 000. Die Ziele sind angenehme Orte, wie Berlin, Las Palmas oder München – Sehnsuchtsziele sind aber andere. Der Flugplan ist extrem ausgedünnt. Fast verwaist sind ganze Zeilen im Airport: Ein Gang vom Terminal 1 in Richtung des geschlossenen Terminal 2 führt an Geschäften vorbei, an denen Kleidungsstücke zwar hell angestrahlt, aber mit Staubschutz abdeckt sind. Im Geschäft blättert eine Mitarbeiterin in ihren Papieren und macht Notizen. Eine Inventur der Nichtverkäufe? Eine Antwort gibt es nicht.
Bei „Burger-King“ ganz in der Nähe sind die Jalousien komplett heruntergelassen, Zeitschriften oder Reiseführer im Geschäft einige Meter weiter gibt es keine – aber für den Kaffeedurst und den kleinen Hunger hat eine Bäckerei geöffnet. „Wir kommen klar. Anderen geht es schlechter“, sagt eine Mitarbeiterin einem Kunden.
Es komme immer darauf an, wie viele Passagiere tatsächlich in den Fliegern sitzen – je nachdem sei eben mehr oder weniger zu tun. Doch viel ist es meistens nicht: „Die Passagierzahlen sind in der Corona-Pandemie in bisher ungekanntem Ausmaß eingebrochen“, teilte der Flughafen mit. Dieser Eindruck ist bei einer Tour durch großen Hallen extrem deutlich zu erkennen.
Die Corona-Krise zeigt sich am Airport Köln/Bonn an vielen Ecken, und sie zeigt auch die Verzweiflung bei manchen Menschen. Ein älterer Mann schiebt seine wenigen Habseligkeiten durch die Halle und sucht im kaum frequentierten Flughafen nach Essensresten oder im Müll vor der Tür nach Pfandflaschen. Der Mann will nicht viel erzählen. Nur so viel: In der Innenstadt seien zu viele Obdachlose unterwegs und würden ihm die Pfandflaschen wegnehmen. Außerdem habe er kein Geld für die Bahnfahrt in die Stadt. Was er in den Mülleimern vor und im Flughafen findet, reicht ihm zusammen mit ein paar kleinen Spenden erst einmal für den Tag.
Es bleibt die Hoffnung, dass es bald wieder bessere Tage am Kölner Flughafen geben wird – für alle.