Köln – Der Alptraum dauert nun fast schon zwei Jahre an. Nicht nur, dass die Eltern von Lisa Dohmann damals ihre Tochter durch einen schweren Unfall mit einer Bahn der Linie 18 auf der Luxemburger Straße verloren haben. Danach sahen sie sich Schadensersatzforderungen ausgesetzt. Denn die Schuld an dem Unglück geben die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) der jungen Frau – trotz dünner Beweislage. Die Eltern nahmen sich vor, sich dagegen zu wehren. Nun haben sie genug Kraft und Beweise gesammelt. Am Dienstag hat ihr Anwalt am Landgericht Klage auf Schuld an dem Unfall gegen den Verkehrs-Betrieb eingereicht.
„Der Schmerz wird einfach nicht weniger. Ich frage mich seit zwei Jahren, wie ich das aushalte“, sagt Anette Dohmann, Mutter von Lisa Dohmann.
Am 15. Januar 2019 will Lisa Dohmann den Gleisübergang der Linie 18 an der Luxemburger Straße auf Höhe der Wittekindstraße überqueren. Sie wartet vor der Fußgängerampel. Als sie die Gleise betritt, rast eine Bahn heran und erfasst sie. Wenige Stunden später erliegt die 27 Jahre junge Frau in einer Klinik ihren schweren Verletzungen.
Andere Fußgänger bezeugen grünes Signal
Noch vor Ort nimmt die Polizei Zeugenaussagen auf. Lisa Dohmann stand nicht allein vor der Ampel. Viele, die mit ihr gewartet hatten, bezeugen, das Signal für die Fußgänger sei auf Grün umgeschlagen. Sie selbst hätten sich in Bewegung gesetzt, konnten aber anders als die tödlich Verunglückte noch schnell genug zurückschrecken. Aufgrund des grausamen Unfalls gingen immer mehr Hinweise ein. Passanten, die regelmäßig den Übergang nutzen, sagten aus, es sei dort schon öfter zu falschen Signalen gekommen. Eine Anwohnerin konnte sogar ein Handyfoto beisteuern, das durch die Scheiben einer vorbeifahrenden Bahn eine auf Grün stehende Fußgängerampel zeigt.
Die Klageschrift des Anwalts von Lisa Dohmanns Eltern benennt alleine 16 Zeugen, die aussagen, die Signalanlage habe schon im Vorfeld des Unfalls und auch am Unfalltag nicht einwandfrei gearbeitet. Immer wieder sei es an der Stelle zu kritischen Situationen gekommen.
Ermittlungen wurden eingestellt
Dennoch, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden rund ein dreiviertel Jahr nach dem Unfall eingestellt. Untersucht wurde lediglich, ob der Bahnfahrer ein rotes Signal missachtet habe. Das hatte er nicht. Hinweisen, die Anlage könnte fehlerhaft gearbeitet haben, wurde nicht weiter nachgegangen. Die Stadtverwaltung, zuständig für die Fußgängerampel, legte einen Schaltplan vor, wonach ein Signalfehler auszuschließen sei. Allein, am Tag des Unfalls war die herkömmliche Ampel gar nicht in Betrieb. Eine Baustellenampel regelte damals den Verkehr. Ein Ermittler fand heraus, dass das Signal für die Bahn eine ungewöhnlich lange Gelbphase hat. Wird das von der Bahn spät passiert, kann die einige Meter weiter entfernte Fußgängerampel schon Grün anzeigen. Und in der Tat, Aufzeichnungen der Überwachungskamera aus dem ersten Waggon zeigen, das Signal für die Bahn stand beim Vorbeifahren schon wieder auf Rot.
Das könnte Sie auch interessieren:
Dennoch, die Rechtsabteilung der Kölner Stadtwerke, zuständig für juristische Angelegenheiten der KVB, nahm das eingestellte Verfahren zum Anlass, um bei den Eltern nach einer Haftpflichtversicherung anzufragen. Der Schaden an der Bahn müsse beglichen werden, wie auch die Kosten für die Behandlung des unter Schock stehenden Fahrers. Dass die Eltern die Forderungen entsetzt zurückwiesen, half nichts. Die Konzern setzte ein Mahnschreiben auf – es wurde den Eltern zum Geburtstag der toten Tochter zugestellt. Nach Berichterstattung der Rundschau entschuldigten sich die Stadtwerke dafür. Von den Forderungen ließen sie indes nicht ab.
Lange sahen sich die Eltern der Verunglückten dem wehrlos ausgesetzt. Es brauchte Zeit, die Klage vorzubereiten. Nun wehren sie sich – noch bevor am 15. Januar 2021 die zweijährige Verjährungsfrist greift. „Ich bin froh, dass es nun endlich weitergeht“, sagt Anette Dohmann. „Das sind wir Lisa schuldig.“