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Security-Einsätze an KarnevalSchwere Vorwürfe gegen Kölner Ordnungsamt

Lesezeit 5 Minuten
Sicherheitspersonal an einer Einlasskontrolle beim Straßenkarneval im Zülpicher Viertel im Februar 2022.

Sicherheitspersonal an einer Einlasskontrolle beim Straßenkarneval im Zülpicher Viertel im Februar 2022.

Laut einer internen Überprüfung kam es beim Einsatz von Sicherheitspersonal an Karneval in den Jahren 2018 bis 2023 zu massiven Unregelmäßigkeiten.

In einem nicht-öffentlichen Prüfbericht des Kölner Rechnungsprüfungsamts, der der Rundschau vorliegt, werden dem Ordnungsamt der Stadt Köln und der beauftragten Security-Firma grobe Versäumnisse und sogar Gesetzesverstöße vorgeworfen. Demnach wurden in den Jahren 2018 bis 2023 unter anderem Sicherheitskräfte ohne vorgeschriebene Zuverlässigkeitsprüfung eingesetzt, geltende Tariflöhne nicht gezahlt und zulässige Arbeitszeiten überschritten. Das Ordnungsamt habe überhöhte Rechnungen bezahlt sowie auf zugesagte Rabatte und Skonti verzichtet, dadurch sei der Stadt ein finanzieller Schaden in Höhe von Zehntausenden Euro entstanden, so die Prüfer. Ein Überblick.

Was war der Grund für die Prüfung?

Die Stadt Köln gibt laut Prüfbericht ämterübergreifend im Schnitt rund 40 Millionen Euro pro Jahr für externes Sicherheitspersonal aus. Dabei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen und Verstößen, wie an Silvester 2016/17 oder dem Elften im Elften 2017. Der Stadtrat beauftragte die Verwaltung 2017, bei jeder Beauftragung von Sicherheitsfirmen auf Tariftreue etc. zu achten. Dies wurde nun vom Rechnungsprüfungsamt überprüft für Januar 2018 bis Februar 2023.

Was deckt der Bericht ab?

Der am 30. August vorgelegte Bericht analysiert die Verträge, ihre Einhaltung und Abrechnung in Bezug auf den Straßenkarneval (Weiberfastnacht bis Veilchendienstag sowie Elfter im Elften). Demnach stiegen die Kosten für Security (vor allem im Bereich Zülpicher Viertel, sowie in der Altstadt und Südstadt) an diesen Tagen von 0,89 Millionen Euro in der Session 2018/19 auf 1,22 Millionen Euro in 2021/22 und 2,99 Millionen Euro in der Session 2022/2023 (inklusive der Rasenabdeckung auf der Uniwiese für 500.000 Euro).

Mit wem arbeitete das Ordnungsamt zusammen?

Laut Bericht hat das Ordnungsamt die Verträge für die Session 2018/19 ausgeschrieben mit Verlängerungsoption für drei Jahre. Nach Vertragsende wurde für die Session 2022/23 neu ausgeschrieben. Einziges Kriterium war der Preis. In beiden Fällen kam derselbe Dienstleister zum Zug.

Was sind zentrale Vorwürfe des Berichts?

Der Dienstleister gab an, er führe seine Dienste ausschließlich mit Hilfe von zwei Subunternehmern durch. Später stellte sich aber heraus, dass das Sicherheitspersonal aus einem Geflecht von insgesamt 27 Subunternehmen rekrutiert wurde, von denen die Stadt Köln mindestens elf nicht kannte. Dabei soll es teils zu massiven Verstößen gegen Tariftreue, Arbeitszeitgesetz, Qualifikationsnachweise und andere Vorschriften gekommen sein. Besonders viele Probleme gab es am Elften im Elften 2021.

Was passierte an diesem Tag?

Der Dienstleister hatte vorab 972 Personen für den Einsatz gemeldet, die die gesetzlich erforderliche Zuverlässigkeitsprüfung aufwiesen. Davon erschienen an diesem Tag jedoch nur 314 Personen zur Arbeit. Das entspricht einer Ausfallquote von 68 Prozent. Daraufhin meldete der Dienstleister am Tag 108 Personen nach. Davon wurden aber nur 42 bei der Polizei telefonisch überprüft. 66 Personen wurden ohne jegliche Kontrolle ihrer Eignung eingesetzt. Das Ordnungsamt gab an, man habe sie an „unkritischen Positionen“ eingesetzt. Das steht laut Bericht im Widerspruch zur Aussage des Ordnungsamts, es habe an diesem Tag ständige Personalverschiebungen gegeben.

Welche finanziellen Unregelmäßigkeiten gab es?

Laut Bericht nutzte das Ordnungsamt unter anderem die Möglichkeit zu Skonto-Abzügen nicht und verschwendete dadurch rund 16.000 Euro Steuergeld. Stundenlöhne seien ohne Begründung und nur aufgrund mündlicher Vereinbarungen erhöht worden, eingeräumte Rabatte habe man nicht abgezogen. Der Dienstleister habe stattdessen bestimmte Leistungen nicht abgerechnet, argumentierte das Ordnungsamt. Diese Praxis rügt der Bericht als rechtswidrig.

Am Dienstag musste Kölns Stadtdirektorin Andrea Blome im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Vorher erklärte sie auf Anfrage, dass sie nach Bekanntwerden der Prüfergebnisse „umgehend reagiert und personelle sowie organisatorische Maßnahmen ergriffen habe. Diese werden bereits für den kommenden 11.11. umgesetzt.“ Nicht zu vergessen: Am 11.11.2022 wurden Ordner im Zülpicher Viertel beobachtet, wie sie verbotenerweise Jecke gegen Zahlung von Bargeld durch die Absperrung ließen.

Welche Konsequenzen folgen jetzt?

Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts wurde nach Angaben der Stadt „gebeten, Überstunden abzubauen“. Die Politik fordert Aufklärung. „Der Prüfbericht ist ein Schock. Die Stadtverwaltung muss jetzt die Zusammenarbeit mit dem aktuellen Dienstleister unverzüglich beenden, denn solchen Akteuren darf nicht weiter die Sicherheit der Feiernden anvertraut werden“, so SPD-Fraktionschef Christian Joisten. Es brauche künftig „bessere, transparentere und vor allem wirksamere Kontrollmechanismen, um diesem Klüngel-System Herr zu werden. Die Auslagerung von Dienstleistungen an immer weitere Subunternehmer durch intransparente Kettenverträge führt zu schlechten Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und mangelnder Sicherheit bei den Veranstaltungen selbst.“

„Dass das Ordnungsamt offenbar überhöhte Rechnungen durchgewunken hat, ist entweder Amtsversagen oder bei Vorsatz ein Fall für den Staatsanwalt“, sagte Volker Görzel (FDP). Dass sich Subunternehmer nicht an Arbeits- und Sozialgesetze hielten, sei für die Stadt Köln, die sich soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen schreibe, „extrem peinlich“. Sollte sich herausstellen, dass der Dienstleister vorsätzlich gehandelt habe, „müsste die Stadt ihn rauswerfen“, so Görzel. Die Frage sei aber, wie die Stadt in der knappen Zeit von nur noch acht Wochen Alternativen für den 11.11. finden wolle.

Der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Jörg Detjen (Linke), sagte, es brauche „ein ganz anderes System“, um die Probleme mit den zahlreichen Subunternehmern abzustellen. Detjen schlug vor, eine eigene kommunale Sicherheitsfirma einzurichten, um die Einhaltung der Standards zu gewährleisten. Diese solle eine gewisse Personalstärke vorhalten und könne bei Bedarf durch private Kräfte aufgestockt werden.