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Rundschau-Sitzung „Ärm en Ärm“Wie es sich anfühlt, zu den oberen Elf zu gehören

Lesezeit 4 Minuten
Lächeln, schunkeln, singen: Elferräte sind die Vorklatscher, Orden-Anreicher und Stimmungs-Multiplikatoren im Saal. Und sie sehen verdammt gut aus.

Lächeln, schunkeln, singen: Elferräte sind die Vorklatscher, Orden-Anreicher und Stimmungs-Multiplikatoren im Saal. Und sie sehen verdammt gut aus.

Elferräte haben Tradtion im Karneval, oft werden sie ironisch belächelt. Wie es ist, dazuzugehören, das durfte unser Redakteur Thorsten Moeck erleben – und berichtet davon.

Nicht der hellste Kopf zu sein, ist manchmal eine Frage der Stromzufuhr. Filigrane LED-Lichterketten zieren die Hutbänder tiefgrüner Zylinder, die für den Elferrat bereitliegen. Schnell das blau-weiße Ringelshirt überstreifen, dann einen schwarzen Frack – eine Leihgabe der Kleiderkammer des Festkomitees. „Wir ziehen in umgekehrter Reihenfolge unserer Sitzplätze in den Saal ein“, stellt Sitzungspräsident Walter F. Passmann kurz vor Beginn der Rundschau-Altenhilfe-Sitzung „Ärm in Ärm“ klar. Die Saalkapelle spielt die ersten Töne, die hinterste Flügeltür des großen Saals im Pullman öffnet sich – nur die Batterie der Hut-Lichterkette hat keine Lust auf Karneval.

Sitzungsleiter Walter F. Passmann mit Mareike Marx

Sitzungsleiter Walter F. Passmann mit Mareike Marx

Kaum eine Institution ist im Karneval so klischeebesetzt wie ein Elferrat. Es gibt Büttenredner, die quasi zum Warmplaudern den Altersdurchschnitt dieser Gremien süffisant irgendwo zwischen „Körperwelten“ und „Melaten“ verorten und ansonsten erstaunt fragen, wann man abends wieder bei Mutti sein muss. Elferrat fühlt sich anders an als Stammelf. Auch wenn mein Name bei der Aufstellung hinter der Nummer neun steht. Acht zelofanverpackte Strüßjer liegen für jeden Grünhut bereit. Lächeln, winken, werfen - der Weg durch den Mittelgang gleicht einem Triumpfmarsch. Die Kapelle spielt, die Menschen klatschen taktvoll, schon ist der Platz im Elferratsgestühl erreicht. Elferrat bedeutet Karneval von oben. Eine Sitzung als jeckes Hochamt.

Dr. Matthias Hamann und Dr. Wilhelm von Moers

Dr. Matthias Hamann und Dr. Wilhelm von Moers

Viele Mitglieder des Elferrats erleben an diesem Abend ihre Premiere in dieser Funktion. „Ich war mal Elferrat in Düsseldorf, aber das ist lange her und zählt nicht“, meint Gisela Walsken, ehemalige Regierungspräsidentin und die Nummer zehn. Über die weitaus größte Erfahrung verfügt der Mann in der Mitte, er trägt eine dunkelrote Mütze — das Zeichen für ein ehemaliges Mitglied des Kölner Dreigestirs. Walter F. Passmann, Prinz des Jahres 2005, und Moderator von inzwischen mehr als 170 Karnevalssitzungen. Vor uns tanzen die Husaren-Pänz, die jüngsten Kinder sind gerade mal so groß wie das Pult des Sitzungspräsidenten. „Wir bleiben stehen“, befielt er. Lächeln, schunkeln, klatschen. Dreimal Alaaf.

Gisela Walsken und Rundschau-Redakteur Thorsten Moeck

Gisela Walsken und Rundschau-Redakteur Thorsten Moeck

Darf man im Elferrat Kölsch trinken? Oder ist das sogar Voraussetzung? Die Frage beantworten bauchige Wasserflaschen, die auf den Elferratstischen stehen. Elf Scheinwerfer tauchen die Bühne in helles Licht und treiben Schweißperlen auf die Stirn, von hier oben wirkt der Saal wie eine dunkle Höhle. Schnell wird klar: der Eferrat sieht Dinge, die den Menschen im Saal verborgen bleiben sollen. Wenn sich Tänzerinnen und Tänzer dem Eldferrat zuwenden, dann nur, um sich mal kurz den Schweiß abzutupfen. Die Equipe des Dreigestirns ordert drei Gläser Wasser. Für Prinz René I. spielt die Saalkapelle zunächst den 80er-Discohit „YMCA“ der Village People. „Genießt jeden Schritt, denn jeder Schritt zählt“, ruft Passmann dem Dreigestirn zu. Er weiß, wovon er spricht.

Als Thomas Cüpper, bekannt als „Et Klimpermännche“, seinen Vortrag mit den Veständnisproblemen des kölschen Liedguts beginnt, legt er den Finger in die Wunde. Denn Textsicherheit ist im Elferrat durchaus von Vorteil, wenn man nicht schweigend vor 850 singenden Menschen stehen möchte. Das geforderte Repertoire erstreckt sich an diesem Abend von Willi Ostermanns „Heimweh noh Kölle“ bis hin zu „Tommi“ der Kölner Gruppe AnnenMayKandereit. Eine Kellnerin serviert ungefragt ein Kölsch, später dann noch eins. Und jetzt? Erst nippe ich etwas verstohlen am Glas, aber es interessiert offenbar niemanden. Also Prost!

Getanzt wird auch auf den Stühlen

Elferrat bedeutet auch Körperbeherrschung. Als die Klüngeköpp die „Stääne“ besinge, ist gleichmäßiges Schunkeln gefordert, bei „Gedäuf met 4711“ klettert das Elfer-Gremium etwas asynchron auf die Stühle. Jetzt darf jeder nach Belieben tanzen. Dann runter vom Stuhl, stehen bleiben und dreimal Alaaf. „Wenn Künstler auf die Bühne kommen oder gehen, stehen wir auf. Das ist eine Frage des Respekts“, hat Walter Passmann vorab sehr deutlich instruiert. Schnell ist klar: die Stühle im Elferrat dienen eher der Dekoration und des zwischenzeitlichen Verschnaufens.

Das Stühlerücken beginnt mit dem Aufzug des Reiterkorps Jan von Werth. Das Jan und Griet-Paar zieht mit 120 Mann in den Saal ein - und auf die Bühne. Hinter dem Elferrat, im Elferrat - überall stehen plötzlich Männer mit Säbeln und Federhüten. „Heidewitzka, Herr Kapitän“ spielt das Tambourkorps, die Tänzer springen krachend mit ihren monströsen Reiterstifeln auf die Bühnenbretter.   Fünfeinhalb Stunden sind im Nu vorbei. „Es war uns ein Fest“, ruft Walter F. Passmann den Menchen zu. Er steht jetzt mitten auf der Bühne. „Sie waren der Star des Abends“, sagt er und holt zu einem letzten Alaaf aus. Klatschmarsch, Abmarsch. Dieses Mal ohne Strüßjer.