Köln – Die Verwunderung ist auch am Montag noch groß bei den Organisatoren der karnevalistischen Veranstaltungsreihe „Humba Tätärä“, allen voran bei Deiters-Chef Herbert Geiss. Mit seinem Kostüm-Imperium ist er seit Jahren Sponsor des Festkomitees und vieler Veranstaltungen im Karneval. „Die Partnerschafts-Frage müssen sich jetzt beide Seiten stellen“, sagt Geiss im Gespräch mit der Rundschau und bringt sein Unverständnis zum Ausdruck. Das alles, weil das Kölner Dreigestirn am Samstag trotz zunächst erfolgter Zusage des Festkomitees dann doch nicht beim Karnevals-Dinner im Lindner-Hotel auftreten durfte.
Wie lässt sich Karneval mit Corona unter einen Hut bringen?
Außerhalb des karnevalistischen Kosmos dürfte die Aufregung schwer zu verstehen sein, doch letztlich geht es um mehr als das Dreigestirn, um mehr als eine ungeschickte Absage und um mehr als die Frage, wie sich die kölsche Karnevalsseligkeit mit der Corona-Schutzverordnung in Einklang bringen lässt. Es geht kurz gesagt um das große Ganze: Um die Rolle des rheinischen Karnevals als immateriellen Kulturerbe. Um Absprachen mit der Landesregierung. Und um die Vorbildfunktion Kölns im Reigen der regionalen Karnevalsverbände.
In Düsseldorf droht Ärger wegen Rosenmontagsabsage
Zum Verständnis der Gemengelage gehört auch die angekündigte Verschiebung des Düsseldorfer Rosenmontagszugs in den Mai. Und damit außerhalb der Karnevalssession. Hierfür droht den Düsseldorfern nun Ärger, denn im Bund Deutscher Karneval (BDK) wird offen über einen Ausschluss oder eine Suspendierung der Düsseldorfer nachgedacht. „Jeder, der die Brauchtumsgrenzen verletzt, muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Denn hierdurch wird die Ethikcharta des BDK verletzt“, erklärt Michael Euler-Schmidt, Mitglied des Kulturbeirats im BDK. Dass er Kölner ist, spiele dabei keine Rolle, betont er. Der Ärger über diesen Alleingang sei gleichmäßig über die Republik verteilt.
Was darf stattfinden und was nicht?
Auch bei der Frage, ob, und wenn ja, welche Karnevalsveranstaltungen denn nun stattfinden sollten, geht es um Absprachen. Ende des vergangenen Jahres hatten Karnevalisten und Vertreter der Landesregierung den Verzicht auf Karnevalsitzungen vereinbart und zugleich dem Karneval den Weg geöffnet, um Gelder beim „Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen“ beantragen zu können. Rund 360 Registrierungen sind hierfür inzwischen aus Köln eingegangen. Als der Sitzungsverzicht verkündet wurde, saßen drei Personen auf dem Podium in Düsseldorf. Nathanael Liminski (CDU), Chef der Staatskanzlei, Frank Prömpeler, Vize-Präsident des BDK. Und Christoph Kuckelkorn, Präsident des Kölner Festkomitees. Köln sah sich bei den Gesprächen mit dem Land stets in der Verantwortung. Und als Vorbild.
Düsseldorf macht sich lustig über „Humba Tätära“-Getöse aus Köln
„Die spinnen, die Kölner“, lautete am Wochenende prompt der Kommentar einer Düsseldorfer Zeitung über das geplante „Humba Tätära“-Getöse aus Köln und den angekündigten Besuch des Dreigestirns.
Keine Beschwerde, keine Kontrolle
Veranstalter Deiters hat die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung mit seiner Veranstaltung formal eingehalten. Laut Stadt habe es am Samstagabend keine Kontrolle des Ordnungsdiensts im Lindner Hotel gegeben, da aus Kapazitätsgründen nicht jede Veranstaltung in Köln kontrolliert werden könne. Beschwerden über das Lindner Hotel gebe es jedenfalls nicht.
Laut Verordnung sind unter anderem folgende Veranstaltung unter der 2G-Plus-Regel erlaubt: „Private Feiern mit Tanz, ohne dass das Tanzen den Schwerpunkt der Veranstaltung bildet, sowie Karnevalsveranstaltungen und vergleichbare Brauchtumsveranstaltungen in Innenräumen“.
Nicht erlaubt sind „öffentliche Tanzveranstaltungen, private Tanz- und Diskopartys und ähnliches“. Der Veranstalter habe sicherzustellen, dass die Grenze zur Tanzveranstaltung nicht überschritten wird, teilt die Stadt auf Anfrage mit.
Oberhalb von 250 Personen darf die zusätzliche Auslastung bei Veranstaltungen höchstens 50 Prozent der über 250 Personen hinausgehenden Höchstkapazität liegen. Die Höchstgrenze liegt bei 750 Zuschauern. Ein Beispiel: Fasst ein Veranstaltungsort normalerweise 500 Gäste, sind nun 250 plus die Hälfte der 250 weiteren möglichen Gäste erlaubt, insgesamt also 375. Im Lindner Hotel waren rund 250 Gäste anwesend, das ist laut Verordnung erlaubt. (sim)
Von einer „Mordsgaudi für das Virus“ war die Rede und vom „Feiern, bis der Arzt kommt“. Dieses Echo hatte auch das Festkomitee befürchtet und nach der Zusage am Freitagmittag um 17 Uhr dann die Absage für den Auftritt des Dreigestirns erteilt. „Angekündigt war die Veranstaltung bei uns als Abendesen mit kleinem Programm. Nachdem sich Christoph Kuckelkorn am Freitagnachmittag den Saal angeschaut hat, haben wir abgesagt, denn das war die Art von Veranstaltungen, auf die unsere Vereine verzichten wollten“, erklärt Festkomitee-Sprecher Michael Kramp am Montag. Deiters-Chef Herbert Geiss sieht das anders: „Es ist Quatsch, so zu tun, als hätten wir anders gefeiert als abgesprochen“, sagt er.
Woanders wäre dies eine Petitesse, aber nicht in Köln. Am Samstag befand sich das Dreigestirn auf offizieller Mission in Bad Neuenahr, ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt stand auf dem Programm, ebenso ein Treffen mit Vertretern des Vereins „Ahrche“, der sich um die Opfer der Hochwasserflut vorigen Sommer kümmert. Woanders wird solche Ehre Staatsgästen zuteil. In Köln ist der Karneval eben ein Stück professioneller als anderswo. Der WDR hat seinen Sitz in der Stadt, das Festkomitee verfügt über Fernsehverträge für Rosenmontagszug, Karnevalssitzung und Proklamation des Dreigestirns, der Autohersteller Ford stellt seit Jahrzehnten eine stattliche Fahrzeugflotte für Dreigestirn, Kinderdreigestirn und Festkomitee.
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Doch auch in Köln selbst gibt es viele interessierte Beobachter des karnevalistischen Treibens. Als die Karnevalsfeier im Lindner-Hotel Ende voriger Woche kräftig beworben wurde, rief das auch einige Karnevalsvereine auf den Plan, die sich fragten, warum sie selbst nicht auch solch eine Feier veranstalten können. Denn die Feier mit 250 Gästen, die an langen Tischen saßen und schunkelten, entsprach formal den Vorgaben der Corona-Schutzverordnung (siehe Kasten). „Überall wird für mehr Eigenverantwortung plädiert. Wir haben uns entschieden, gemeinsam diesen Weg zu gehen“, betont Horst Müller, Mit-Inhaber der Veranstaltungsagentur „alaaaf“.
Doch zur Vereinbarung zwischen Karnevalisten und Land gehörte der Verzicht auf „Karneval in engen Sälen“.
Die Frage, wie eng das zu sehen ist, steht nun im Raum.