Der Karneval befindet sich nach der Pandemie im Umbruch. Viele Vereine suchen neue Formate - manche erweisen sich als erfolgreich, andere eher nicht. Das Festkomitee spricht von einer „Evolution“.
Karneval in KölnViele freie Plätze bei erster Köln-Düsseldorfer Sitzung
Die Karnevalisten, die zu den pathetischen Klängen des Bundesfanfarenkorps aus Neuss-Furth in den Gürzenich einziehen, tragen sehr viele Fasanenfedern auf ihren Mützen. Kaum hat der Elferrat die Bühne erreicht, donnert zum ersten Mal eins ehr kräftiges „Grosse von 1823 - Helau“ durch den Saal. „Das ist ein historisches Ereignis“, bekundet Thomas Frings. Normalerweise leitet er alleine die Sitzungen der Grossen von 1823, nun steht Stefan Kleinehr vom AVDK von 1829 neben ihm. Es ist die erste „Alaaf & Helau“-Sitzung in der Geschichte des rheinischen Karnevals.
„Eine Veranstaltung, die lange überfällig war“, witzelt Guido Cantz in der Bütt, „Düsseldorf, die Stadt der Reichen und Schönen. Und Köln: der Wahlkreis von Karl Lauterbach“, stichelt er. Der Tusch ist neutral, dann rufen die Jecken im Saal wieder abwechselnd Alaaf und Helau. Wobei viele Tische leer geblieben sind, 1000 Menschen feiern im Gürzenich, der für mehr als 1300 Jecke Platz bietet. Der Düsseldorfer Verein hat 250 Tickets an Interessenten aus der Landeshauptstadt verkauft.
Alaaf, Helau - immer öfter werden im Karneval Grenzen überschritten, neue Ideen getestet und alte Formate still und leise beerdigt. Die Köln-Düsseldorfer Sitzung wird sich im Jahr 2024 vermutlich nicht wiederholen.„Die Session ist sehr kurz, es ist fraglich, ob wir uns dann für eine zusätzliche Veranstaltung entscheiden“, sagt Stefan Kleinehr. Es sei froh, nach der Pandemie nun „Dinge ausprobieren zu können“. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn spricht gar von einer Zeitenwende. „Wir machen eine kleine Evolution durch, die vielleicht nach 200 Jahren auch nötig war. Alles wird auf den Prüfstand gestellt und abgewogen. Was sich als gut herausstellt, wird bleiben“, ist Kuckelkorn sicher.
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Mehr als 600 Karnevalssitzungen gibt es in der Stadt, dazu Partys und Bälle. Bei den Roten Funken spricht manch einer von einem „Überangebot“, was stutzig machen darf, weil das Korps in seinem Jubiläumsjahr mehr als 70 Veranstaltungen aufbietet. „Auch wir suchen nach neuen Formaten. Bei der Sitzungsfülle tut eine Flurbereinigung gut“, sagt Sören Riebenstahl, Sprecher der Grossen von 1823. Die Befürchtung, dass kommerzielle Anbieter dem ehrenamtlichen Karneval Konkurrenz machen, sei unbegründet gewesen - nach dem pandemiebedingten Sitzungsverzicht des Festkomitees im Vorjahr hatten plötzlich diverse Anbieter Sitzungen veranstaltet.
Die Kunden kaufen ihre Tickets kurzfristiger, sie sind offenbar auch wählerischer geworden, weil das Geld in Krisenzeiten nicht mehr so locker sitzt. „Auch große Vereine haben es mitunter schwer. Wir haben bewusst keine neue Veranstaltung ins Leben gerufen, das hätte die Bauchschmerzen verstärkt“, gesteht Markus Wallpott, Präsident der Bürgergarde blau-gold und Inhaber der Veranstaltungsagentur „Die Eventwerkstatt“. Auch er weiß: „Es gibt niemanden mehr, der Karten für fünf oder sechs Sitzungen kauft“.
Neue Sitzungs-Party der Blauen Funken
Die Kölnische KG hat in dieser Session auf ihre edle Harlekin-Gala verzichtet, zu schleppend lief der Kartenverkauf, zu groß seien die Kostensteigerungen gewesen. Bei diesem Anlass hatten sich stets rund 300 Menschen in feiner Abendgarderobe im Pullman-Hotel versammelt, gespeist und einem kulturell-karnevalistisches Programm gelauscht, 200 Euro kostete das Ticket. „Aufgeben werden wir das Format nicht, aber wir werden im kommenden Jahr den Veranstaltungsort wechseln“, sagt Dirk Kniep, Sprecher der Kölnischen KG.
Probleme haben vor allem Vereine, die einen Generationenwechsel verschlafen haben, da sind sich die Karnevalsverantwortlichen einig. Nach der Pandemie rückt vor allem das jüngere Publikum ins Visier der Vereine. Karnevalssonntag werden die Blauen Funken erstmals das Format „Krüzz und Quer“ im Kristallsaal veranstalten, Tanz und Musik sollen im Mittelpunkt stehen, geplant ist ein nahtloser Übergang von Sitzung zur Party. Jungen Bands soll eine Bühne geboten werden.