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Kann denn Frohsinn Sünde sein?Ein wehmütiger Blick zurück auf den 11.11. in Köln

Lesezeit 2 Minuten

Wat wor dat schön: Vor einem Jahr drängten die Narren auf den Heumarkt als wäre es vorerst das letzte Mal. Gute Riecher.

Köln – Wenn kein Trömmelchen jeiht, dann steht niemand parat, dann trinkt keiner eine met und dann jitt et och kei Wood, dat sage künnt, wat ich föhl. Oh-ho-ho. Mit Worten ist der Stimmungslage eines kölschen Jecken ohnehin kaum beizukommen. Nicht in dem Überschwang der Gefühle, die mit dem Sessionsstart zu strömen beginnen wie der Rhein im Hochwasser die Landkarte herab. Aber, und das ist neu, schon gar nicht, wenn die Session einfach ins Wasser fällt und statt dem kölschen Grundgesetz plötzlich nur die Corona-Schutzordnung gilt.

Karneval sei nicht nur auf den Tischen tanzen und exaltiert schunkeln, sondern auch die Stunde der Sentimentalitäten, hat der Psychologe Stephan Grünewald schlau bemerkt. Wobei diese Ausprägung des Brauchtums in der üblichen karnevalistischen Praxis oft zu kurz kommt. Was der Chef des Kölner Rheingold-Instituts meint: „Karneval ist eigentlich das Fest der letzten Stunde – 11 Uhr 11.“ Das habe etwas von Trauer, Wehmut, Totentanz. Im Wissen um die eigene Sterblichkeit haue man umso doller nochmal auf die decke Trumm. Wenn das so ist, dann wird das Trauerspiel nie ausufernder sein als in der nun beginnenden Session. Im Jeckespill ohne Narren, im trocken gelegten Treiben. Mer bruche keiner, der uns sät, wie mer Fastelovend nit fiere dät.

Als junge Leute noch kein rücksichtsloses Partyvolk waren, sonder nur Partyvolk. Konzert im Tanzbrunnen.

Oder fängt an diesem Elften im Elften am Ende gar nichts an? Ist alles schon vorbei? Gilt das überhaupt ohne Konfettikanone auf dem Heumarkt, ohne anschmiegsames Giraffenkostüm in der S-Bahn aus Quadrath-Ichendorf und ohne Druckbetankung auf der Zülpicher Straße?

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Garantiert ohne Abstand: Massen von feierwütigen Besuchern schieben sich über die Zülpicher Straße.

All diese schönen Traditionen dürfen an diesem 11.11. nicht gepflegt werden. Hähne zu statt Jläser huh. Die Plätze werden nutzlos in der Stadt herum liegen, das Konfetti in den Karnevalskisten verstauben und die schönen Lieder im Hals stecken bleiben. Der ein oder andere wird sein Fenster öffnen und „Wat wor dat fröher schön doch in Colonia“ über den Hof schicken. Mitsummen ist erlaubt, Tränchen verdrücken aus hygienischen Gründen schon nicht mehr. Sonst kommt Karl Lauterbach und ruft Aschermittwoch aus. Lustig ist das nicht mehr.

Kumm loss mer singe und uns nit um die Aerosole kümmere: Jecke bei der Eröffnung in Deutz.

Der Psychologe Grünewald findet übrigens, es brauche in dieser Session einen „Prinz Zuversicht, einen „Bauern Lebensmut“ und eine „Jungfrau Achtsamkeit“. Das scheint etwas zu akademisch gedacht und müsste vom Krisenstab noch genehmigt werden. Vor allem aber fehlt doch jemand, der die ganze Malaise verbockt hat.

Wie ist das eigentlich mit dem Nubbel? Hat der auch Kontaktverbot?