Trinken, Tanzen, Feiern: Karneval ist viel mehr. Das Brauchtum kann Lebenselixier sein. Ein Besuch des Dreigestirns auf der Palliativstation.
Die ernste Seite des FrohsinnsDas Kölner Dreigestirn besucht Krebspatientin
Zwei Herzen hat eine Mitarbeiterin Elly Fechner auf die Wangen gemalt. Im Haar trägt die 74-Jährige einen bunten Blumenreif. „Dass das Dreigestirn kommt, finde ich schon besonders“, sagt Elly Fechner. Die Krebspatientin ist seit zehn Tagen im Mildred Scheel Haus, der Palliativstation der Uniklinik Köln. Hier wollen die Mediziner medikamentös ihre Schmerzen in den Griff bekommen.
„Das Ziel ist, dass ich vier Stunden schmerzfrei bin“, sagt die zierliche Frau. Wenn das erreicht ist, wird sie ins Hospiz umziehen. Eine Heilung der schweren Krankheit ist nicht mehr in Sicht. „Für meine Tochter, die schwer behindert ist, möchte ich noch möglichst lange leben“, sagt Elly Fechner. „Seit November war ich nonstop im Krankenhaus“, erzählt sie weiter. Dann stoppt sie. Das Dreigestirn ist da. In seinen prächtigen Gewändern und mit allerlei Gefolge versammeln sich Prinz, Bauer und Jungfrau im Garten der Palliativstation.
„Karneval ist so viel mehr als Halligalli“
„Wie geht es Ihnen?“, fragt Prinz Boris I. und beugt sich zu Elly Fechner. Schnell sind sie in einem privaten Gespräch. Prinz, Bauer und Jungfrau nehmen sich Zeit. Eine gute Stunde bleiben sie in der Palliativstation. Das liegt auch daran, dass das Verkehrschaos infolge des KVB-Streiks den Plan durcheinandergewirbelt hat. Den Folgebesuch in einem Altenheim in Bornheim habe man verschoben, erzählt Hoffriseur Mike Engels. „Wenn wir das nicht gemacht hätten, hätten wir hier nur eine Viertelstunde Zeit gehabt“, sagt er.
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Engel ist sichtlich berührt vom Besuch bei den schwer kranken Menschen und den fröhlich kostümierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Mir war früher nicht bewusst, was für Botschafter Prinz, Bauer und Jungfrau sind. Karneval ist so viel mehr als Halligalli“, sagt er mit Blick auf das Dreigestirn. Freundlich und zugewandt sprechen Prinz, Bauer und Jungfrau mit den Patienten, die es nach draußen geschafft haben.
Die hohe Strahlkraft des Dreigestirns
Immer wieder werden Fotos gemacht. Auch das Personal genießt die Nähe zu den Tollitäten. „Die Figuren haben eine hohe Strahlkraft“, weiß Prinz Boris I., „Wir benutzen die Figuren, um den Menschen auch Hoffnung zu geben.“ Etwa 60 Prozent aller Auftritte, die das Dreigestirn in der Session absolviert, finden nicht im Rampenlicht statt, sondern sind sozial oder karitativ.
Die närrischen Botschafter besuchen Krankenhäuser, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und Seniorenheime. „Dabei geht es darum, gute Stimmung zu verbreiten“, erläutert Prinzenführer Marcus Heller. Doch während in rappelvollen lauten Sälen die Stimmung mit Tanz und Lied geschaffen wird, sind es im Mildred Scheel Haus die leiseren, persönlichen Begegnungen, die zählen. „Hier ist es wichtig, dass wir auf die Menschen zugehen“, sagt der Prinz. „Unglaublich. Meine erste Prinzenspange!“
Gespräche statt Alaaf
Das Dreigestirn singt hier nicht, es ruft noch nicht einmal „Alaaf“. Stattdessen finden Gespräche statt, freundliche Berührungen werden getauscht − und der Prinz überreicht die Prinzenspange. „Unglaublich. Meine erste Prinzenspange!“, Elly Fechner strahlt. „Ich bin so berührt. Das war alles so liebevoll, und dem Prinzen habe ich jedes Wort, das er gesagt hat, abgenommen. Unfassbar, wie viel Zeit die sich genommen haben“, schwärmt sie, während sie im Sonnenschein sitzt.
„Ich gönne das so sehr dem Personal. Die haben das so sehr verdient. Das sind gute Seelen“, fügt Elly Fechner hinzu. Erst zum zweiten Mal besucht ein Dreigestirn die Palliativstation der Uniklinik.„Wir sehen jeden Tag Licht und Schatten“, erklärt Prinz Boris I. Beides gehört zusammen. „Wir winken Rosenmontag mal“, sagt der Prinz als er sich verabschiedet.