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Interview

IHK Köln macht Druck
„Wir haben hier seit Jahren Stillstand“

Lesezeit 5 Minuten
Nicole Grünewald und Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein sitzen nebeneinander.

Kammer-Präsidentin Nicole Grünewald und Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein im Gespräch mit der Rundschau.

Seit nahezu über 15 Jahren wird über einen Stadtbahntunnel zwischen Heumarkt und Neumarkt diskutiert. Jetzt platzt der IHK der Kragen.

Seit dem Frühjahr liegt nun die Vorlage der Stadtverwaltung für die Ost-West-Achse vor. Doch die Entscheidung für einen Stadtbahntunnel oder eine oberirdische Ertüchtigung der Achse zwischen Heumarkt und Aachener Straße steht weiterhin aus. Wie bewertet die IHK diese Hängepartie?

Grünewald: Vorangeschickt, unsere Meinung zur Ost-West-Achse hat sich in den zurückliegenden 15 Jahren nicht verändert. Wir wollen den Tunnel. Im Gegensatz zu einigen Parteien sind wir also verlässlich in unseren Aussagen. Die Ertüchtigung dieser Achse zwischen Heumarkt und Innerer Kanalstraße ist nicht nur für unsere Mitglieder, sondern für die ganze Stadt sehr wichtig. Die Verkehrswende ist mittlerweile in aller Munde. Die wird in Köln aber nur gelingen, wenn wir die Bahn unterirdisch führen.

Also sind sie enttäuscht über das zögerliche Vorangehen des Stadtrates?

Grünewald: Bei der Bedeutung des Themas Verkehrswende für unsere Stadt wundert es uns sehr, dass der Stadtrat bei der Ost-West-Achse nicht mit großer Mehrheit für die Tunnellösung ist. Zumal die Stadtverwaltung dazu eine klare Meinung hat, nämlich dieselbe wie wir. Deshalb würden wir uns von der Politik sehr wünschen, dass sie dieser folgt.

Mittlerweile werden aus fast allen politischen Richtungen Änderungsanträge zu der Verwaltungsvorlage angekündigt, sodass es in dieser Wahlperiode wohl keine Entscheidung mehr geben wird.

Vetterlein: Die Sorge ist berechtigt. Deswegen brauchen wir jetzt dringend eine Richtungsentscheidung, um endlich loslegen zu können. Wir wollen doch alle die Verkehrswende. Dafür brauchen wir einen funktionierenden Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dafür brauchen wir ein U-Bahn-System. Und darum wollen wir den Stadtbahntunnel. Wenn darüber entschieden ist, können Fachleute die Details klären. Eine Debatte um jedes kleinste Detail mit immer neuen Änderungsideen verzögert Entscheidungen immer und immer weiter. So wird ewig geplant und nichts umgesetzt. Das kann sich Köln nicht mehr leisten.

Ist das vielleicht auch Ausdruck eines grundsätzlichen Misstrauens der Politik gegenüber den Fachleuten in der Verwaltung?

Vetterlein: Das ist ein Kölner Phänomen, das in anderen Städten nicht so ausgeprägt ist. Hier gibt es eine Verschränkung von Politik und Verwaltung, eine starke Einflussnahme von den Parteien auf die Stadtverwaltung. So kommt es zu einer Interventionsspirale, bei der am Ende die Fachlichkeit verloren geht. Wir müssen dringend raus aus diesem Kleinklein.

Für die Realisierung des Ausbaus ist es wichtig, dass Fördermittel fließen. Sehen Sie die Gefahr, dass die Gelder bei weiteren Verzögerungen in andere Kanäle fließen?

Vetterlein: Das Risiko besteht. Erstens weil der Bund weniger Mittel haben wird. Zweitens gibt es mit Hamburg und München zwei Städte, die bereits in konkrete Tunnelplanungen eingestiegen sind und deshalb trotz eines schlechteren Förderfaktors schneller Mittel beantragen können. Und Fördertöpfe sind auch irgendwann einmal leer. Aber wenn wir als Stadt den Tunnel wirklich wollen, ist für uns die Frage der Fördermöglichkeit zweitrangig.

Grünewald: Prinzipiell wollen alle eine U-Bahn. Alle demokratischen Parteien, mit denen wir dazu in Gesprächen sind, sagen uns: Ja, wir brauchen hier in Köln einen besseren ÖPNV und dafür eine U-Bahn.

Und diese Reaktion erhalten sie auch von den Grünen?

Vetterlein: Ja, explizit auch von den Grünen.

Aber die Grünen lehnen den Tunnel zwischen Heumarkt und Innerer Kanalstraße kategorisch ab.

Vetterlein: Und eben deswegen wird die Entscheidung seit rund 15 Jahren herausgezögert.

Grünewald: Wir haben hier in Köln seit Jahren Stillstand, während sich um uns herum die Städte rasant weiterentwickeln. Köln muss seine Rolle als Metropole endlich annehmen! Schauen wir uns in anderen Metropolen um, dann gibt es dort überall einen funktionierenden ÖPNV. Beispiel Paris, Berlin, sogar in Düsseldorf. Da hat Andrea Blome vor ein paar Jahren doch vorgemacht, wie es geht.

Funktionieren kann der ÖPNV theoretisch auch oberirdisch. Warum also den Tunnel?

Grünewald: Wenn ich mir alleine die bisherigen Visualisierungen für den Neumarkt bei einem oberirdischen Ausbau anschaue: Bei der Vielzahl der Gleise und Haltestellen sieht das aus wie ein zweiter Hauptbahnhof – mitten auf einem der zentralen Plätze unserer Stadt! Der Tunnel schafft den Raum für eine freie Gestaltung, eine richtig schöne Architektur. Der Neumarkt ist doch eine Visitenkarte der Stadt Köln – und im Moment zeigt er, was wir nicht können. Daran ändern auch der wieder aufgebaute Brunnen und die neuen Übergänge wenig.

Vetterlein: Bei der Debatte um den Tunnel geht es uns nicht primär darum, ob es am Ende zwei Minuten an Zeitgewinn gibt. Wir brauchen endlich eine ÖPNV-Qualität, die in anderen Metropolen völlig normal ist: Dort kommt eine Bahn einfach pünktlich. Sie fällt auch nicht aus, weil mal jemand über Rot gefahren ist. Sie ist unabhängig! Ein funktionierender ÖPNV ist für unsere Wirtschaft wichtig: Die Berufstätigen kommen mit der Bahn zur Arbeit, die Kundinnen und Kunden nutzen gerne die Bahn für ihren Einkauf. Aber das geschieht bei dem jetzigen Zustand der KVB eben nicht. Die Konsequenz: Viele Berufstätige nutzen lieber das Auto, viele kaufen lieber in Düsseldorf ein.

Grünewald: Eine Verkehrswende bedeutet eben nicht nur, Fahrradwege auf die Straße zu malen. Sie bedeutet viel mehr: Es gibt einen so attraktiven ÖPNV, dass ich mein Auto freiwillig stehen lasse, weil ich mit der Bahn pünktlich, schnell und sicher dort ankomme, wo ich hin möchte. Und das geht mit einer U-Bahn so viel besser! Wir haben unsere Mitglieder in vielen Zentren bei uns im IHK-Bezirk gefragt, was für sie wichtig ist. Die Antwort: Erreichbarkeit, Erreichbarkeit, Erreichbarkeit! Das Zentrum von Köln ist aber immer schwerer zu erreichen, weil wir hier eines der schlechtesten Nahverkehrsangebote landesweit haben und Autos nicht mehr erwünscht sind. Wir sagen es nochmal klar und deutlich: Wir wollen die Verkehrswende. Aber dann richtig!

Ihre Mitglieder vor Ort scheuen nicht eine Tunnelbaustelle, die über viele Jahre andauernde würde?

Grünewald: Bei diesem Thema werden bewusst Ängste geschürt. Da wird unseren Einzelhändlern erzählt: Vor Eurer Tür werden riesige Gräben entstehen, Ihr werdet nicht mehr erreichbar sein. Ich war in Düsseldorf, als dort der Tunnel für die Wehrhahn-Linie gebaut wurde. Durch den Tunnelvortrieb gab es dort und wird es auch in Köln keinen kilometerlangen Graben geben. So baut man doch heute keine Tunnel mehr. Siehe in Paris – wo zur Olympiade auch neue Metrotunnel gebaut wurden. Die Geschäfte haben das alle überlebt. Da erwarten wir natürlich von der Stadt Köln, dass vor und in der Bauphase vernünftig kommuniziert wird.