- Pest, Pocken oder Cholera – die Kölner mussten immer wieder mit großen Epidemien fertig werden.
- Wie, das lesen Sie in unserer Serie.
Köln –
„Im Jahre 1870 erkrankten vom 12. September bis zum 12. September 1871 im Ganzen 2450 Personen an Pocken. Die Sterblichkeit betrug in Hospitälern 379 = 19 Prozent, in Privatwohnungen 100 = 21 Prozent. Von 271 pockenkranken Soldaten starben 30 = 11 Prozent. Damals hatte Cöln 129.251 Einwohner.“ So schreibt es 1908 Dr. Peter Krautwig, der erste ärztliche Beigeordnete in der Stadt Köln.
Pocken-Panik hieß die Epidemie, die während des deutsch-französischen Krieges wütete, in der Bevölkerung. Die Seuche forderte in Deutschland insgesamt viermal so viele Tote wie der Krieg selbst. 181.000 Menschen starben an der Krankheit. Hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Halskatarrh, so beginnt die Krankheit. Dann folgt der Ausschlag mit dicken Pocken – auch Blattern genannt – die zu eitern beginnen.
Die Pocken überholten schon im 17. Jahrhundert in Sachen Sterblichkeit in Europa die Pest. Die Geschichte der Pocken ist aber auch eine Geschichte der Impfung. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden in England Gesunde mit dem Eiter aus den Pocken Erkrankter infiziert – eine Methode, wie sie im Orient praktiziert wurde. „Das konnte gut gehen oder auch nicht“, erklärt Monika Frank vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Kölner Universität. Ein Quantensprung sei deshalb der Nachweis des britischen Arztes Edward Jenner gewesen, dass Menschen mit dem Erreger der Kuhpocken gegen die echten Pocken immunisiert werden konnten. Das war 1798.
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„Und hier kommt Köln ins Spiel“, sagt Monika Frank. Denn Napoleon, seit 1799 erster Konsul der französischen Republik, griff die Erkenntnisse auf und ließ flächendeckend impfen – auch in den eroberten und zu französischen Départments gemachten linksrheinischen Gebieten. In Köln begannen die Impfungen 1803.
Sie wurden vom „bureau de bienfaisance“ organisiert und fanden in deren Sitz im Minoritenkloster statt. Für die Kinder mittelloser Familien war die Impfung kostenfrei. Zahlungskräftige Eltern sollten eine Spende für die Armenkasse leisten. Eine Impfpflicht gab es zwar nicht, aber Lehrer, Hebammen und Geistliche wurden einbezogen, um die Eltern zu beeinflussen. „In Köln zeigte die Impfkampagne der französischen Zeit großen Erfolg“, sagt Monika Frank. 15 Jahre nach Impfbeginn habe die Krankheit dort als weitgehend besiegt gegolten.
Doch die Aufmerksamkeit und auch die Impfbegeisterung ließen in ganz Europa wieder nach und es kam wieder zu Epidemien, auch in Köln. Auch stellte man fest, dass die Vakzination (von vacca, lateinisch für Kuh) nicht lebenslang immunisierte. Der Impfstoff wurde aus den Pocken von geimpften Kindern gewonnen, so also von Mensch zu Mensch weitergegeben, wobei er sich abschwächte.
Die Pocken
1980 erklärte die WHO die Welt für pockenfrei – das Ergebnis einer weltweiten Impfpflicht, die seit 1967 bestand. In Deutschland gab es den letzten Fall 1972 in Hamburg, die letzte Pockenepidemie 1970 im Sauerland.
Die echten Pocken oder Blattern, verursacht durch das Variolavirus, gehörten lange zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten der Menschheit. Sie ist hoch ansteckend. Ein Heilmittel gibt es nicht.
Die Impfung erfolgte per Impfpistole in den Oberarm. Die typische runde Impfnarbe haben viele damals Geimpfte noch heute. 1976 endete die Impfpflicht in Westdeutschland
Heute lagern Pockenviren offiziell nur noch in zwei Laboren, eins in den USA und eines in Russland. Sie werden aufbewahrt, um bei einem erneuten Auftreten der Krankheit Impfstoff testen zu können. (sab)
Trotzdem waren die deutschen Soldaten im deutsch-französischen Krieg noch ausreichend geimpft. Eingeschleppt wurde die Seuche nun ausgerechnet wieder von französischen Kriegsgefangenen, bei denen die Impfpflicht zu lasch gehandhabt worden war.
1874 verabschiedete der Reichstag das Reichsimpfgesetz, das die zweimalige Pockenimpfung für die gesamte Bevölkerung vorschrieb. In Köln fasste die Stadtverordnetenversammlung 1886 den Beschluss, nur noch mit Tierlymphe zu impfen – weil sich die als wirksamer erwiesen hatte.
Die Lymphe, also die Flüssigkeit aus den Pocken, musste jetzt Kälbern entnommen werden. Deshalb wurde die Impfanstalt direkt am Schlachthof angesiedelt. Bei der Eröffnung des neuen Schlachthofes mit Impfanstalt in Ehrenfeld verwiesen die Stadtväter mit Stolz auf die Hygiene, die dort herrsche. Im Kälberstall wurden die Tiere erst mit Kuhpocken infiziert. Die Kälber wurden geschlachtet, bevor ihnen Lymphe entnommen wurde – das galt als besonders human. Geimpft wurden die Kinder allerdings nicht am Schlachthof, sondern an Impfstellen in der Innenstadt.
Nach 1900 sind zunächst keine Pockenfälle mehr für Köln verzeichnet. Nur 1908 treten nochmal welche auf: Zwei Ägyptenreisende und ein Arzt, der auf einer Reise in Tunis war, hatten sich infiziert.