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Imgrund im GesprächWo sich die Kölner „Stadtstreicherin“ inspirieren lässt

Lesezeit 7 Minuten
Fietse Nowitzki

Fietse Nowitzki bemalt in Köln Stromkästen.

  1. Fietse Nowitzki bemalt seit Jahren Stromkästen im Kölner Stadtgebiet.
  2. Ihre Inspiration holt sie sich von den Bürgern und lässt sich hilfreiche Tipps geben.
  3. Im Interview spricht sie über ihren Umzug aus Ostwestfalen nach Köln und was sie besonders an Stromkästen ärgert.

Köln – Mit ihrem geblümten Kleid und dem Strohhut könnte Fietse Nowitzki auch in Südfrankreich unterwegs sein. Stattdessen jedoch treffen wir uns in einem Café an der Deutzer Freiheit. Fußläufig erreichbar: mehrere von ihr bemalte Stromkästen.

Was sind die Herausforderungen beim Bemalen von Stromkästen?

Ganz banal muss man die erstmal saubermachen.

Was muss dabei entfernt werden?

Ach, es gibt zum Beispiel Leute, die sind so glücklich darüber, ihren Namen schreiben zu können, dass sie ihn überall draufkrakeln.Gehen Sie mit Spezialwerkzeug vor, also mit Kärcher & Co.?Nee, neben dem Spachtel reicht mir mein Hausfrauenequipment: Topfkratzer, Wasser und Muskelkraft.

Stromkästen sind häufig geriffelt und haben Vorsprünge, Schlösser zum Beispiel.

Ich bemale ja die Kästen der Rheinenergie, und eine Sorte ist tatsächlich mit Furchen versehen. Da muss man das Motiv dann entsprechend anpassen. In der Rosenstraße in der Südstadt habe ich eine schwarze Blumenvase gemalt und die Furchen weiß gelassen. Die Blüte der Rose darin besteht dann aus dem Endlossatz „Une rose est une rose est une rose“ von Gertrud Stein. Aber die alten, glatten Kästen sind natürlich angenehmer, da kann ich mich austoben.

Welche Farben benutzen Sie?

Acrylfarben. Am ersten Tag wird gesäubert und grundiert und der Hintergrund angelegt. Am zweiten Tag entsteht dann das Motiv. Unter fünf Grad halten die Farben allerdings nicht, dann muss ich gar nicht erst raus.

Zur Person

Fietse Nowitzki wurde 1950 in Salzkotten geboren. Nach dem Abitur in Bielefeld verbrachte sie ein Jahr in Utrecht und kam dann 1973 nach Köln. Sie studierte an der FH für Kunst in der Südstadt, wo sie zunächst auch wohnte. Eine Ausbildung zur Lehrerin absolvierte sie zwar, arbeitete aber nie in diesem Beruf. Stattdessen zog sie drei Kinder groß und arbeitete als freie Künstlerin. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen begleiteten ihren Werdegang.

Sie stammen aus Ostwestfalen und leben seit 1974 in Köln. Wie verlief der Wechsel?

Köln war schon ein bisschen lebendiger (lacht). Ich habe an den ehemaligen Kölner Werkschulen Kunst studiert und auch in der Südstadt gewohnt. Das war ganz toll. Und im Vergleich zu Bielefeld etwa, wo ich auch gewohnt habe, waren die Menschen in Köln viel offener.

Die Südstadt der 1970er gefiel Ihnen?

Sehr sogar. In der Südstadt konntest du in jede Kneipe gehen, da war was los. Und das Kölsch war bezahlbar, das Glas kostete damals 80 Pfennige. Später war dann das Roxy angesagt, also das alte auf der Maastrichter Straße. Da traf man zum Beispiel Ingo Kümmel, den Kunst-Impresario.

Wie wirkte der auf Sie?

Der war immer vorneweg. Mit Malerei konnte er nichts anfangen. Brav im Atelier sitzen und Strich für Strich pinseln, da stand der nicht drauf. Ingo Kümmel wollte Fluxus, Performances, Außergewöhnliches aller Art.

Haben Sie sich angepasst?

Ja klar, ich habe auch performativ gearbeitet. Einmal hatten wir im Rahmen einer Gruppenperformance jeweils fünf Minuten Zeit für unsere Idee. Ich habe mich hingesetzt und stumm das Publikum gezeichnet.

Und dann?

Dann war Schluss, ganz einfach.

Wie hießen Ihre Idole als junge Studentin?

Matisse, Picasso und vor allem Magritte. Mir gefällt, wenn Künstler einen gewissen Witz haben. Ironie sorgt für mehr Aufmerksamkeit beim Betrachter.

War die Kölner Post-68er-Szene so politisch wie in Frankfurt oder Berlin?

Die Künstler hier schienen mir nicht sehr politisch drauf zu sein. Denen ging es meinem Eindruck nach mehr um leben und leben lassen. Irgendwie kölsch, nicht? (lacht)

Sie sprechen bei Auftritten zuweilen sogar ein wenig Kölsch.

Ja, man hört sich so rein, mir gefällt der Dialekt. Ist doch schon schön, wenn man was Eigenes hat, wie es bei Loriot im „Jodeldiplom“ heißt. Ostwestfälisch finde ich demgegenüber nicht so prägnant. Die können halt kein r sprechen, wie im Ruhrpott.

1990 sind Sie nach Deutz gezogen.

Damals schien mir das ein Alte-Leute-Viertel. Aber die sind weggestorben, jetzt bin ich die Alte (lacht). Jenseits dessen hat sich viel verändert. Deutz ist an manchen Orten schöner geworden. Aber es gibt immer weniger Einzelhandel, stattdessen Spiddelläden mit Ramsch aus China oder sonstwo. Und gleichzeitig sind die Mieten unglaublich hoch geworden.

Sind Sie auf der Suche?

Meine drei Kinder sind inzwischen ausgezogen. Ich suche deshalb eine kleinere Wohnung, und die sollte dann ja gefälligst auch billiger sein. Aber da findet sich nichts. Schön finde ich solche Entwicklungen wie das „Deutzer Tägchen des guten Lebens“ letzte Woche. Da kommt das Veedel zusammen.

Sie nennen sich auch die „Stadtstreicherin“.

In meiner Jugend gab es Land- und Stadtstreicher, das waren Obdachlose. Heutzutage streiche ich durch die Stadt, aber ich streiche sie ja auch. Zumindest die Stromkästen. Das Schöne ist, dass ich dabei viel rumkomme in der Stadt und häufig Anregungen für Motive aufschnappe.

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Zum Beispiel?

Ein Anwohner in Deutz hat mir erzählt, dass Jacques Offenbachs Eltern in der Tempelstraße gewohnt haben. Und dementsprechend ziert er dort jetzt einen Stromkasten. Nebenbei habe ich dabei auch erfahren, dass die eigentlich Templerstraße heißen müsste, weil der gleichnamige Orden hier, wo heute St. Heribert steht, ein Gut unterhielt.

Wie reagieren die Leute auf Ihre Mal-Aktionen?

Den meisten gefällt das, die finden, dass die Stadt dadurch schöner wird und die Schmierereien auf den Kästen verschwinden. Einmal hat mich aber auch jemand schwer beschimpft, als ich anfing, die bereits grundierte Fläche zu bemalen. Aber der hatte die Situation vielleicht auch missverstanden.

Wer nicht von der Abmachung weiß, die sie mit der Rheinenergie getroffen haben, könnte Sie auch für so etwas wie einen Graffitisprayer mit Pinsel halten.

Anfangs bin ich auch des öfteren von der Polizei befragt worden. Aber ich habe ja immer den Schrieb dabei, der bestätigt, dass ich hier im Auftrag arbeite.

Sind Sie inzwischen Ehrenmitglied der Rheinenergie, mit FC-Dauerkarte und freiem Strom zuhause?

So weit ist es leider noch nicht. Unsere Abmachung besagt, dass ich meine Motive frei wählen darf. Nichts Anstößiges natürlich, also nichts Pornografisches oder in eine Richtung weisendes Politisches. Aber mache ich ja auch nicht. Und wenn ich fertig bin, bekomme ich dann eine Pauschale fürs Material.

Sind die Motive immer stadthistorisch angebunden?

Nicht immer, weil bei der Recherche auch schon mal nichts rumkommt. Aber zuletzt in der Achterstraße konnte ich mich an Willi Ostermann halten. Denn die Straße kommt ja vor im Lied „Kutt erop! Bei Palms, do es die Pief verstopp“. Da stehen gleich zwei Kästen, und auf dem einen gucken jetzt die Leute ganz alarmiert, und auf dem anderen ruft die Frau Palm aus dem Fenster raus um Hilfe.

Wie gehen Sie denn Ihrerseits mit Beschädigungen und Schmierereien auf Ihren Bildern um?

Tja, manchmal renoviere ich die. Aber oft ist das schwierig wegen der verschiedenen Farbnuancen und der Art der Zerstörung. Da läuft man nur Gefahr, dass die Woche drauf schon wieder alles versaut ist.

Das ärgert Sie, nehme ich an.

Natürlich! Da macht man was Schönes, und die Leute wissen es nicht zu würdigen. Aber was soll’s, ein paar Idioten gibt es immer, do mähst’e nix dran.

Insgesamt geht durch Ihre Arbeit das Bekleben von Stromkästen aber zurück, liest man.

Ja, die Malereien halten davon ab. Und die Leute bleiben stehen und gucken – vor allem Eltern mit kleinen Kindern und die Alten mit ihren Rollatoren.

Und die dazwischen starren eher auf ihre Handys?

Och ja, von denen bekommt man auch hin und wieder ein anerkennendes Nicken.

Generieren Sie durch Ihre Bekanntheit als Stromkastenmalerin auch neue Aufträge?

Nee, das ist äußerst selten. Es kommen schon mal Leute auf mich zu, die eine Wand bemalt haben wollen. Aber weil das was kostet, springen sie meistens auch schnell wieder ab.

Sie haben drei Kinder großgezogen. Was lernt man von Kindern für die Kunst?

Überraschungen mitzunehmen. Außerdem habe ich durch die Kinder gelernt, ganz schnell zu arbeiten. Das ging gar nicht anders (lacht).