Köln – Es muss ein Leichtes sein, sich Pater Christoph anzuvertrauen. Wie ein Fels in der Brandung steht er vor einem im Habit der Dominikaner. Der graue Bart wie ein Symbol für die über Jahrhunderte angehäufte Weisheit des Predigerordens. Die Lachfalten um seine Augen wie Insignien der Güte. Die warme Stimme wie eine Einladung zum Gespräch. Der erste Eindruck, den der Dominikanermönch auf sein Gegenüber macht: Da ist der Richtige an der richtigen Stelle. „Du willst Gemeinde, bei den Menschen sein, mit ihnen Gottesdienst feiern“, so sei er sich schon früh sicher gewesen. „Leutepriester“, nennt Pater Christoph das. So steht er nun da: mitten in Köln, mitten unter den Menschen, als Pfarrvikar in St. Andreas. Fußend auf der 800-jährigen Geschichte der Dominikaner in dieser Stadt, aber nicht starr: „Allein aus unser langen Geschichte heraus können wir nicht leben“, sagt der Pater in mit Blick auf die Zukunft.
Wie sein Mönchsalltag aussehe? Pater Christoph muss herzhaft lachen. „Ich weiß, da läuft jetzt bei vielen Menschen ein Film vor dem inneren Auge ab: Der Name der Rose.“ Dicke Klostermauern, straff getakteter Tagesablauf, viel Schweigen. „Aber so ist es eben nicht bei den Dominikanern.“ Er lebt mit einem weiteren Bruder in einer Gemeinschaft. Gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsame Gebete. „Und man trifft sich immer wieder mal am Tag zum Austausch.“ Ansonsten sei da viel Freiraum, um den eigenen Aufgaben nachzugehen. Und diese Freiheit sei es eben gewesen, die ihn zum Dominikanerorden gezogen habe.
Schon in der Kindheit sei er da gewesen, der Orden. Als Kind besuchte Christoph Wekenborg mit seinen Eltern oft die Gottesdienste in der Dominikanerkirche im nahegelegenen Vechta. Später ging er im südoldenburgischen Friesoythe auf das Albertus-Magnus-Gymnasium, das nach dem großen Heiligen benannt ist, der in St. Andreas ruht. Im Theologiestudium sei er den Dominikanern dann wieder über den Weg gelaufen. Charismatische Persönlichkeiten seien es gewesen. „Es war dann mehr eine Bauch- als eine Kopfentscheidung“, sagt Pater Christoph. „Ich habe mich einfach gleich wohlgefühlt bei ihnen.“ Nach dem Diplom trat er ein. Zwei Jahre Postulat und Noviziat. Das erste Gelübde. Noch mit einer Hintertür. Nach drei Jahren das ewige Gelübde. Bis zum Tod. „Das war schon ein ganz besonderer Moment. Gänsehaut.“
1221 werden vom Generalkapitel der Dominikaner in Bologna, dem noch der Heilige Dominikus als Ordensgründer vorsteht, Brüder nach Köln gesandt, um dort ein Konvent zu gründen. Sie werden zunächst vom Stiftsherren von St. Andreas aufgenommen. Dieser stellt ihnen das Hospiz St. Maria Magdalena an der Stolkgasse als erstes Konvent zur Verfügung.
1248 Kommt Albertus Magnus nach Köln und gründet die erste Deutsche Ordensschule der Dominikaner, die Vorläuferin der Kölner Universität. Weitere berühmte Ordensmitglieder im Mittelalter waren Thomas von Aquin und die Mystiker Meister Eckhart und Johannes Tauler. Bruderschaften bilden sich, wie die bis heute bestehende Petrus-von-Mailand-Bruderschaft der Kölner Brauer.
1447 gründet der Rektor der Universität und Prior des Kölner Dominikanerkonvents die allen Ständen offen stehende Rosenkranz-Erbruderschaft. In der Reformationszeit ist Köln eine Hauptspitze des Papsttums. In einer aktuellen Schrift der Dominikaner zum Jubiläum heißt es dazu: „Bei den Kölner Dominikanern gibt es eine ansehnliche Zahl von eifrigen Verteidigern des katholischen Glaubens.“
1659 brennt das alte Dominikanerkloster in Köln aus, die Kirche jedoch wird von der Zerstörung verschont. Viele Dokumente werden Opfer der Flammen. Das Kloster wird im barocken Stil neu errichtet.
1799 erhalten die Dominikaner von der französischen Militärregierung den Befehl, ihr Ordenshaus zu räumen, da es als Kaserne für 1500 Männer bestimmt sei.
1898 – solange brauchte es nach allen Wirren, bis die die Doninikaner-Provinz Teutonia neu gegründet werden und in der Folge die Dominikaner nach Köln zurückkehren konnten. Der Grundstein zur neuen Klosterkirche wird 1902 gelegt.
1947 kommen die Dominikaner an die ehemalige Stifts- und spätere Pfarrkirche St. Andreas zurück, wo die Gebeine ihres Mitbruders Albertus Magnus liegen. In der 50er Jahren gehören beispielsweise Konrad Adenauer und der Erzbischof und spätere Kardinal Frings zu den berühmten Förderern des Ordens in Köln. Heute ist St. Andreas der pastorale Schwerpunkt der Dominikaner, während der Konvent Heilig Kreuz an der Lindenstraße als Wohnort dient.
Eigenständige Köpfe seien sie zumeist, die Dominikaner. „Da gibt es die Konservativen und die Liberalen. Jeder hat seine Interessen, die im Orden gefördert werden. Wir alle können uns aber gut nebeneinander stehen lassen. Und was uns dabei eint: Wir wollen gemeinsam den Glauben verkünden.“
Pater Christophs Weg zum „Leutepriester“ führte über viele Stationen. Eine, die sicherlich viel zu seiner Ausstrahlung beigetragen hat: Beichtvater und Pilgerbegleiter in Lourdes zu sein. „Das war sehr bewegend und prägend. Ich habe als erwachsener Mensch nicht so viel geweint wie dort“. Dann trat die Ordensleitung auf ihn zu: „Sie suchten jemand für St. Andreas. Das war wie ein großes Geschenk für mich.“
Die Kirche St. Andreas ist ein bisschen versteckt im Schatten des Doms und des Hauptbahnhofes. „Viele Kölner kennen sie gar nicht. Und Touristen müssen uns schon gezielt anlaufen. Dafür haben wir aber Gottesdienstbesucher, die kommen aus dem ganzen Rheinland, die bezeichnen sich als Andreaner“, sagt Pater Christoph. Viele Gläubige berichten, in den Messen in St. Andreas herrsche eine besondere Atmosphäre. „Ich kann ihnen gar nicht erklären, was es genau ist, wie diese Atmosphäre zustande kommt. Es ist wie ein kleines Geheimnis“, sagt Pater Christoph fast schon entschuldigend.
Was er aber mit Gewissheit weiß, dass es darum gehen muss in der Zukunft der Dominikaner, der Kirche, der Christenheit: „Eine Atmosphäre zu schaffen fürs Herz und fürs Hirn. Beratend zur Seite zu stehen. Verlässlich Präsenz zu bieten.“ Die Welt hat sich verändert. Das weiß auch ein Mönch sehr wohl. „Kirche ist für Menschen nicht mehr wie selbstverständlich Ansprechpartner. Die Gemeinden schrumpfen. Wir sind keine Volkskirche mehr“, sagt Pater Christoph.
Und ja, die aktuellen Diskussionen um Missbrauch und Klerikalismus, die machen alles schwerer. Aber sich zurückzuziehen hinter die vermeintlichen Klostermauern, auszuruhen auf 800 Jahren dominikanischer Geschichte, das kommt für ihn nicht in Frage. Oder gar darauf zu hoffen, dass am Ende diejenigen in der Kirche bleiben, die es wirklich Ernst damit meinen, der sogenannte heilige Rest: „Das ist auf keinen Fall meine Sichtweise“, sagt Pater Christoph klar. „Menschen haben immer noch dieselben existenziellen Fragen wie vor hunderten von Jahren, sie sind immer noch auf der Suche.“ Und so lange das so ist, will er als Dominikaner, als Leutepriester und Christ ihnen dabei helfen, Antworten und ein Ziel zu finden.