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„Komplett schief gelaufen“Hitzige Debatte im Kölner Rat zum Schulanmeldeverfahren

Lesezeit 4 Minuten
06.03.2022
Köln, NRW
Demonstration von Eltern und Schüler zur Schulplatzvergabe

Immer wieder demonstrierten abgelehnte Schüler und ihre Eltern in letzter Zeit vor dem Rathaus. (Archivfoto)

Im Kampf um die letzten verbliebenen Schulplätze hatten wohl nicht alle die gleichen Chancen.

Das Drama um fehlende Schulplätze und Hunderte abgelehnte Kinder beschäftigt Köln seit Monaten. Aktuell zittern noch etliche Schüler und ihre Eltern, ob sie einen Platz an einer weiterführenden Schule bekommen und wie weit diese von ihrem Wohnort entfernt sein wird. Wer diese Woche erfahren hat, dass sein Kind auch in der zweiten Vergaberunde leer ausging, fand sich in einem Wettrennen um die letzten freien Plätze wieder, da diese laut Stadt „in der Reihenfolge der Anmeldungen“ vergeben werden.

Doch die Ablehnungsbriefe kamen nach Rundschau-Informationen längst nicht alle am selben Tag an, was ungleiche Chancen für die Eltern bedeutet.

Das intransparente Verfahren wurde auf Initiative der FDP am Donnerstag kurzfristig zum Thema einer Aktuellen Stunde im Stadtrat. Dort bekannte Schuldezernent Robert Voigtsberger, er habe „größtes Verständnis“ für die Sorgen der Familien. „Bei allen, die das Gefühl haben, im Stich gelassen zu werden, entschuldige ich mich in aller Form. Mir geht das sehr nah.“

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Die Schulverwaltung sei sich „sehr bewusst, dass noch immer eine große Herausforderung vor uns liegt“. Doch es gebe auch Positives zu berichten. „Neun von zehn Kindern bekommen einen Platz an ihrer Wunschschule“, sagte Voigtsberger. Ein vollständig digitalisiertes Anmeldeverfahren wäre „absolut sinnvoll“, aber rechtlich leider nicht möglich, so der Schuldezernent.

Nachdem es für viel Aufregung gesorgt hatte, dass einige Kölner Kinder Schulplätze in Hürth bekommen haben, aber Hürther Kinder dort abgelehnt wurden, stellte Voigtsberger klar: „Genau drei Kinder werden aus Köln nach Hürth zum Gymnasium gehen.“ Mit Blick auf die an Grundschulen in Wohnortnähe abgelehnten Kinder und die Sorge vor weiten Schulwegen, sagte er, die Lage   bleibe kritisch. Es werde aber für jedes Kind einen Grundschulplatz geben, „manche leider nicht wohnortnah“. Die Stadt werde bei der Beförderung helfen und individuelle Lösungen bei Härtefällen anbieten.

Es kann nicht sein, dass Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren quer durch die Stadt fahren müssen.
Stefanie Ruffen (FDP)

Erneut werde man lediglich das Symptom bekämpfen, räumte Voigtsberger ein. Nachhaltige Lösungen gebe es nur durch die Schaffung neuer Schulplätze. „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Man müsse „die Hausaufgaben früherer Jahrgänge miterledigen“, aber der Blick zurück helfe nicht weiter.

In einer hitzig geführten Debatte kritisierte Bärbel Hölzing (Grüne) eine „völlig verfehlte Schulbaupolitik der Vorjahre und ein Anmeldeverfahren, das die Situation unnötig verschlimmert hat“. Sie gab zu: „Wir haben als Politik nicht genug Druck gemacht. So viel Ehrlichkeit muss sein.“ Doch in den nächsten Jahren werde die Lage besser dank der geplanten neuen Gymnasien und Gesamtschulen.

Helge Schlieben (CDU) sagte, es lasse „niemanden kalt, wenn unsere Kommune nicht in der Lage ist“, allen Kindern Schulplätze anzubieten. Dabei richtete er seinen Blick auf die Eltern und Schüler, die die Debatte auf der Besuchertribüne verfolgten. „Egal was wir am Anmeldeplatz ändern, mehr Plätze kriegen wir dadurch nicht“, sagte Schlieben. Er betonte, dass der Anteil abgelehnter Kinder an Gesamtschulen von 38 Prozent im Jahr 2007 auf 23,3 Prozent gesunken sei. „Die Lücke wird kleiner.“ Im nächsten Jahr wolle man sie um die Hälfte senken, daran müssten sich OB und Baudezernent messen lassen. Schlieben schlug vor, nur noch eine Anmelderunde mit Erst-, Zweit- und Drittwunsch durchzuführen.

„Jährlich grüßt das Murmeltier“

Oliver Seeck (SPD) fasste das Schulplatzdrama in die Formel: „Jährlich grüßt das Murmeltier.“ Es fehlten einfach Schulplätze, und das habe etwas mit den Prioritäten des Ratsbündnisses zu tun. „Nun erreicht das Desaster der Abgelehnten auch die Grundschulkinder.“ Grünen, CDU und Volt warf er Selbstzufriedenheit vor. Alle Vorschläge der SPD zur Schaffung von Schulplätzen seien ignoriert worden. „Junge Familien verlassen mittlerweile entnervt Köln.“

Heiner Kockerbeck (Linke) bemängelte, die Stadt stelle zu wenig Flächen für den Schulbau bereit. „Seit Jahren gibt es keine übergreifende Flächenstrategie.“ Der Rat müsse Geld bewilligen für Container und Anmietungen. Er forderte drei Gesamtschulen pro Stadtbezirk. Stefanie Ruffen (FDP) bezeichnete das Anmeldeverfahren als „komplett schief gelaufen“. Ein Schulplatz sei „eine Bringschuld der Stadt. Es kann nicht sein, dass Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren quer durch die Stadt fahren müssen.“ Manuel Jeschka (Volt) sagte: „Ich schäme mich, dass ich Teil dieses Rates bin.“ In der Debatte sei es um „persönliche Fehden“ gegangen. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Letztendlich sind wir alle daran beteiligt.“ Man solle sich nicht gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben.