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Historisches ErgebnisWie die Kölner Grünen ihren Wahlsieg feiern

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Freudentaumel bei den Grünen: Auf einen Sieg hatten sie gehofft, aber in der Höhe nicht zu träumen gewagt:

Köln – An der Wand, auf die die grüne Führungsspitze an diesem Abend in der Kneipe „Ex-Vertretung“ wie gebannt starrt, hängt ein historisches Foto: Joschka Fischer als erster grüner Außenminister. Darüber ein Fernseher auf dem eine Wahlprognose erscheint. Ebenfalls historisch: 28,5 Prozent für die Grünen. Stärkste Partei. Mit Abstand. So noch nie dagewesen bei einer Kölner Kommunalwahl.

Bei Christiane Martin löst sich die ganze Anspannung. Noch fünf Minuten vor der Prognose ein Stoßseufzer: „Mir ist schlecht.“ Fünf Minuten später nur noch Euphorie. Parteivorsitzende Katja Trompeter greift als erste zum Mikrofon: „Das ist absolut großartig.“ „Wir schreiben Geschichte“, stimmt ihr Co-Vorsitzender Frank Jablonski mit ein. Vor dieser Wahl ging ohne die Grünen in Köln nicht viel. Nach dieser Wahl geht ohne sie nichts mehr.

Gehofft hatten sie es, sicher waren sie sich nicht. Zu viele fischten thematisch im gleichen Gewässer. Volt, Klimafreunde und auch ein bisschen die SPD hatten die offensichtlich für Köln entscheidenden Themen Umwelt und Verkehr bedient. „Doch die Wähler haben sich fürs Original entschieden“, sagt Jablonski. Da muss er ein bisschen über sich selbst lachen, wegen der Floskel. Aber Sieger dürfen das.

Und Sieger dürfen noch mehr. Sich dafür entscheiden, wen sie an ihre Seite holen. Die Grünen kommen aus einem Bündnis mit der CDU. Gemeinsam mit der Union haben sie die parteilose Henriette Reker als ihre Oberbürgermeister-Kandidatin auf den Schild gehoben. Also wieder mit den Christdemokraten, dieses Mal halt nur als Juniorpartner. Das wird schon alleine rechnerisch schwierig. Zu schlecht ist das Ergebnis der Union. Und wahre Liebe klingt irgendwie anders: „Ja, wir werden zuerst mit der CDU reden, so ist die Gepflogenheit“, sagt Martin. Als „eine Frage der Höflichkeit“, bewertet das Jablonski.

Die Union hat also nur das Privileg, erste zu sein. „Reden werden wir mit allen demokratischen Parteien“, sagt Martin. Die Weichen für den Gesprächsreigen wird eine Delegiertenkonferenz der Grünen am Montagabend stellen. Nicht weniger richtungsweisend dürfte dann die konstituierende Fraktionssitzung am Mittwoch werden. Das historische Wahlergebnis wird viele neue und junge Gesichter in die Fraktion spülen. Und die haben – das zeigte sich schon auf den Nominierungsparteitagen – nicht so große Lust auf ausgetretene Pfade.

Und dann kommt es auch darauf an, wie sich die anderen zusammenfinden. „Wir wissen ja noch gar nicht, wie die Fraktionen bei CDU und SPD am Ende aussehen werden“, sagt Lino Hammer, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion. Wer muss bei CDU und SPD für die schlechten Wahlergebnisse den Kopf hinhalten? Und wer trägt ihn danach noch oben? Nein, das bisher fünf Jahre alte schwarz-grüne Bündnis ist noch längst nicht gemachte Sache.

Und wenn es schon allgemein an die Ursachenforschung geht: Warum holen die Grünen ein historisches Ergebnis, aber ihre OB-Kandidatin fällt hinter ihren Stimmenanteil von 2014 zurück, muss wider alle Umfragen in die Stichwahl? Wer so deutlich die Nase vorn hat wie die Grünen, der muss nicht mehr lange um den heißen Brei reden: „Es gibt grüne Milieus, für die ist Henriette Reker ein schwarzes Tuch“, sagt Hammer. Und dieses Milieu hatte Spielbälle, konnte ihren grünen Kandidaten im Wahlbezirk wählen und bei der OB-Stimme beispielsweise auf den Volt-Kandidaten setzen.

Für einige Grüne ist

Reker ein schwarzes Tuch

„Für die Stichwahl muss es darum gehen, dieses Milieu neu zu motivieren“, sagt Jörg Frank, grünes Urgestein, der dem neuen Rat nicht mehr angehören wird. Reker gegen Andreas Kossiski (SPD). „Jetzt muss es heißen, im Zweifel Reker“, sagt Frank und Hammer nickt. So sollen die Abweichler davon abgehalten werden, das rote Tuch zu wählen, anstatt das schwarze.

Haben sich die Grünen in der OB-Frage verzockt? Die parteilose Reker war an der Basis nicht unumstritten. Vor allem die Jungen Grünen kämpften für einen eigenen Kandidaten. „Den gibt es aber nicht aus der Retorte, der muss über Jahre aufgebaut werden“, sagt Frank.