Die Verkehrswende ist teuer. Für Ausbauprojekte müsste der Betrieb von der Stadt mit 339 Millionen Euro unterstützt werden. Der Streichliste könnten viele große Verkehrsprojekte zum Opfer fallen.
Finanznot bei den KVBDiese Projekte stehen auf einer geheimen Streichliste
Die Verkehrswende ist nicht kostenlos zu haben. Sollen alle für Köln vorgesehenen Ausbauprojekte im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) umgesetzt werden, rechnen die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) für das Jahr 2035 mittlerweile mit einem jährlichen Zuschussbedarf von 339 Millionen Euro. So geht es aus einem internen „Strategiecheck“ des Betriebs hervor. Aufbringen müsste das Geld der Stadtwerkekonzern. Doch auch für viele der dort zusammengeführten Stadttöchter sind die fetten Jahre vorbei. Und in der Stadtkasse herrscht zunehmend Ebbe. Darum haben die KVB nach Informationen der Rundschau ihrem Aufsichtsrat nun ein „Minimalszenario“ für die ÖPNV-Investitionen vorgelegt. Ein Papier, das wohl kaum anders verstanden werden kann, als eine Absage an die Verkehrswende.
Wie steht es um die Finanzen der KVB?
Im Jahr 2019 haben die KVB einen Erlös von 445 Millionen Euro erwirtschaftet. Der größte Teil davon stammt aus den Ticketverkäufen, rund 60 Prozent. Als die KVB alle ihre Rechnungen von dem Erlös bezahlt hatte, musste der Stadtwerkekonzern immer noch für einen Verlust von rund 100 Millionen Euro gerade stehen. Zwar erwirtschaftet der Verkehrs-Betrieb in 2024 voraussichtlich sogar 570 Millionen Euro. Doch die Höhe der Summe täuscht darüber hinweg, dass nur noch 41 Prozent davon durch Ticketverkäufe hereinkommen. Nicht zuletzt das Deutschlandticket drückt den Anteil. Wer 2019 noch mit einem Abo-Ticket beispielsweise für 130 Euro im Monat mit der KVB fuhr, fährt nun für 49 Euro. Dass die Erlössumme dennoch höher liegt als in 2019 ist unter anderem dem ÖPNV-Rettungsschirm zu verdanken, aus dem die KVB rund 60 Millionen Euro beziehen. Der Zuschussbedarf für das Jahr 2024 wird nach Informationen der Rundschau dennoch bei 188 Millionen Euro liegen. Und schon bei dieser Summe tut sich nunmehr eine Lücke im Finanzplan auf. Denn der Stadtwerkekonzern kann sich in den kommenden Haushaltsjahren „lediglich“ einen Zuschuss von 160 Millionen Euro leisten.
Welche Projekte sind für die Verkehrswende vorgesehen?
Eine Liste der „Maßnahmen zur Erweiterung des Kölner Stadtbahnnetzes“ weist nicht weniger als elf Projekte auf. Allen voran die Kapazitätserweiterung auf der Linie 1 durch Langbahnen. Weitere Projekte auf der Liste: Die Verlängerung der Gürtellinie 13, der Ausbau der Nord-Süd Stadtbahn bis nach Meschenich, die Stadtbahnanbindung von Mülheim Süd und auch von Neubrück oder auch eine neue rechtsrheinische Stadtbahnstrecke zwischen Köln, Niederkassel bis Bonn – um nur einige zu nennen. Dazu kommen noch Projekte für die Bussparte.
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Welche Schienenprojekte kann sich die KVB noch leisten?
Da schon in 2024 die Zuschusssumme des Stadtwerkekonzern überschritten ist, eigentlich gar keine mehr. Weil das aber alleine schon wegen laufender Projekte nicht möglich ist, haben die KVB nun ein Minimalszenario vorgelegt, dessen Punkte der Rundschau bekannt sind. Danach würden von den elf Schienenausbauprojekten gerade einmal drei überbleiben. Die Ertüchtigung der Ost-West-Achse. Der Ausbau der Nord-Süd Stadtbahn – aber nur noch im Rahmen der zurzeit stattfindenden Baustufe 3 bis zum Verteilerkreis Süd am südlichen Ende der Bonner Straße. Der Ausbau über den Verteilerkreis hinaus bis nach Meschenich (Baustufe 4) ist im Minimalszenario gestrichen. Auch an der Verlängerung der Bahnsteige auf den Linien 18, 13 und 4 halten die KVB fest, um dort 70 Meter lange Bahnen fahren lassen zu können. Acht Schienenprojekte würden demnach vorerst nicht mehr weiterverfolgt. Darunter die Anbindung des Neubaugebietes Mülheim-Süd, die neue rechtsrheinische Strecke bis nach Bonn oder auch die Verlängerung der Linie 4 bis nach Niederaußem. Doch die Planungen für die gestrichenen Projekte sollen weiter verfolgt werden, um handlungsfähig zu sein, sollte eines Tages doch wieder mehr Geld zur Verfügung stehen.
Sehen die KVB auch Einsparpotenziale?
Ja, vor allem in der Bussparte. Davon wären nach dem Minimalszenario nicht weniger als 19 Buslinien betroffen. Neun würden gleich ganz gestrichen. Darunter die von den KVB ungeliebten, aber von der Politik geforderten Expressbuslinien entlang der Aachener Straße. Zwei Buslinien würden miteinander verbunden, acht ausgedünnt, beziehungsweise nur noch im Schülerverkehr fahren. Die KVB sehen dabei ein Einsparpotenzial von 10 Millionen Euro. Weitere Einsparmöglichkeiten sieht der Vorstand des Betriebs bei der Umstellung von Diesel- auf E-Busse. Über 300 Busse fahren unter dem KVB-Logo. Über 100 bereits mit E-Motoren. Doch die E-Busse sind teurer als die Busse mit Dieselaggregat. Die KVB würden darum zukünftig auch wieder Dieselbusse dazukaufen, also auf den Komplettumstieg zum E-Antrieb verzichten. Einsparpotenzial: rund 400.000 Euro. Auch die Zahl der Ticketautomaten könnte verringert werden, wenn auch mit geringem Einsparpotenzial. Durch bereits laufende Effizienzprojekte ergeben sich Einsparmöglichkeiten von rund 8,5 Millionen Euro. An Erhaltungsmaßnahmen würden nur noch die durchgeführt, die bereits eine Förderzusage haben.
Können die KVB mehr Geld einnehmen?
Der Betrieb muss sogar mehr Geld einnehmen, das ist fest eingeplant. Wie bundesweit nahezu alle Verkehrs-Betriebe so will auch der Kölner die Mindereinnahmen durch das Deutschlandticket zumindest langfristig abfedern. Der Plan dafür: Erstmals ab 2026 soll der Preis für das Deutschlandticket alle vier Jahre um 10 Euro steigen, zuzüglich einer Tarifanpassung. Das könnte bis 2035 Mehreinnahmen von 70 Millionen Euro bringen. Doch dazu bräuchte es Entscheidungen bis hoch auf die Bundesebene.
Wie viel kostet das Minimalszenario?
Wie gesagt, von der Zuschussmöglichkeit durch den Stadtwerkekonzern von jährlich 160 Millionen Euro ist der Betrieb selbst bei diesem Minimalszenario noch weit entfernt. Auch bei den genannten Streichungen der Schienen – und Busprojekte und den erhofften Mehreinnahmen bliebe unter dem Strich ein Zuschussbedarf von 227,3 Millionen Euro stehen, so geht es aus dem Minimalszenario hervor, das nun dem KVB-Aufsichtsrat vorliegt. Allerdings gibt es bei all diesen Berechnungen eine Unbekannte. Noch steht ein Tarifabschluss für den ÖPNV aus. Die daraus folgenden Lohnerhöhungen können noch nicht eingerechnet werden.