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Gegen den Personalmangel in Kölner KitasWas motiviert junge Menschen, eine Erzieher-Ausbildung zu absolvieren?

Lesezeit 6 Minuten
Peter Parnow arbeitet in der städtischen Kita in der Jesuitengasse in Weidenpesch.

Peter Parnow arbeitet in der städtischen Kita in der Jesuitengasse in Weidenpesch.

Dass nur verstärkte Ausbildung hilft, um dem Fachkräftemangel in Kindertagesstätten zu begegnen, ist der Stadt Köln und anderen Trägern längst klar. Aber was motiviert junge Menschen, als Erzieher zu arbeiten?

Wenn es um die Lage in den Kindertagesstätten Kölns geht, dominieren aktuell die Mängel-Themen: zu wenig Personal, zu geringe Bezahlung, noch geringere Wertschätzung, zu schlechte Ausstattung. Die Konsequenzen? Verkürzte Betreuungszeiten, zu wenig Förderung für die Kinder, verzweifelte Eltern. Mehr Ausbildung ist das Mittel der Wahl gegen den Fachkräftemangel. Allein die Stadt hat ihre Ausbildungsquote in den vergangenen drei Jahren um 45 Prozent erhöht. Doch was motiviert junge Menschen, Erzieher zu werden?

Ein Teil des Nachwuchses lernt in einem Bürogebäude am Salierring unweit des Barbarossaplatzes. Dort hat vergangenen Sommer die Fröbel-Akademie eröffnet. Auch die Stadt Köln lässt hier auf der zehnten und 16. Etage dank einer Kooperation einen Teil ihrer Auszubildenden lernen. „Mehr Erzieherinnen und Erzieher auszubilden, ist für die Stadt Köln der wichtigste Hebel, um dem Personalmangel in Kindertageseinrichtungen zu begegnen“, sagt Dagmar Niederlein, Leiterin des Jugendamtes.

Vorher als Immobilienkauffrau gearbeitet

Eine der Auszubildenden der Fröbel-Akademie ist Gina Maria Rhiem. Sie kommt beruflich eigentlich aus einer ganz anderen Richtung. Nach ihrem Abitur absolvierte die 25-Jährige aus Erftstadt eine Ausbildung zur Immobilienkauffrau und arbeitete vier Jahre in ihrem Job. Doch dann merkte sie für sich: „Büro ist es nicht. Und mich hat dieses Kinder-Thema nicht losgelassen.“ Denn die Idee, mit Kindern zu arbeiten, hatte sie schon kurz nach dem Abi mal gehabt, aber nicht weiter verfolgt. Seit August absolviert Rhiem nun die dreijährige Ausbildung in praxisintegrierter beziehungsweise berufsbegleitender Form (PIA) zur staatlich anerkannten Erzieherin.

Gina Maria Rhiem lernt in der Fröbel-Akademie.

Gina Maria Rhiem lernt in der Fröbel-Akademie.

Ebenso wie Peter Parnow. Er wusste hingegen früh, dass Pädagogik für ihn das Richtige ist und arbeitete seit seinem Abitur immer mal an Schulen als Integrationshelfer oder bot AGs an. Zum Studium der Musikpädagogik und Philosophie kam der 25-Jährige dann aus seiner Heimat Erkelenz nach Köln. „Aber das war mir zu theoretisch“, sagt er. Von der Arbeit mit den Kindern aber kann er nur schwärmen. Das Schönste sei, jeden Tag aufs Neue die Lernerfolge der Kleinen mitzuerleben und sie in ihrem Weg unterstützen zu können. Parnow arbeitet in der städtischen Kita in der Jesuitengasse in Weidenpesch. „Mir ist Gerechtigkeit in der Gesellschaft sehr wichtig, dazu kann ich nun einen Beitrag leisten.“

So viel Positives im Arbeitsalltag

So geht es auch Rhiem, die im Fröbel-Kindergarten BAHIA in Braunsfeld Kinder von vier Monaten bis zum Schuleintritt begleitet. „Wir dürfen miterleben, wenn Kinder ihre ersten Schritte machen oder die Freude über neu Erlerntes mit uns teilen“, sagt Rhiem. Da sei so viel Positives in ihrem Arbeitsalltag. Das kenne sie aus ihrem alten Job nicht. „Als Immobilienkauffrau war ich zuletzt im Mängelmanagement tätig“, erzählt sie. Wenn sie heute mal nicht ganz so gut gelaunt wie sonst in der Kita ankäme, hätten die Kinder da ganz feine Sensoren. „Die muntern mich dann ganz schnell auf“, sagt Rhiem.

Der Austausch mit anderen Auszubildenden ist auch für Peter Parnow und Gina Maria Rhiem wichtig.

Der Austausch mit anderen Auszubildenden ist auch für Peter Parnow und Gina Maria Rhiem wichtig.

In Köln gibt es einige Fachschulen, die die PIA anbieten. Neben dem Berufskolleg Ehrenfeld, dem Berufskolleg Michaelshoven und dem Erzbischöflichen Berufskolleg beispielsweise auch die Fröbel-Akademie. Der erste Jahrgang begann dort 2023 einzügig mit 27 Auszubildenden. „Dieses Jahr sind wir wegen der großen Nachfrage dann bereits zweizügig gestartet“, sagt Indra Hofmeier-Pollak, Schulleiterin der Fröbel-Akademie. Drei Tage in der Kita (städtisch oder Fröbel), zwei Tage in der Akademie plus ein paar Blockwochen - so ist die Ausbildung aufgeteilt. Ein gutes Gleichgewicht sei das, bestätigen die Auszubildenden. „Praxis und Theorie sind dadurch sehr eng verwoben“, sagt Parnow. Rhiem ergänzt: „Dadurch können wir das Erlernte schneller umsetzen.“ Andersherum könnten Fragen aus der Praxis in der Akademie zeitnah besprochen werden.

Teilzeit und mehr Geld könnten helfen

Besonders ist das offene Lernkonzept der Fröbel-Akademie. „Wir haben hier keine klassische Klassenraumstruktur, sondern eine neuartige Schularchitektur, die das kreative Lernen fördert und herausfordert“, erklärt Hofmeier-Pollak. Die TH Köln hatte eigens flexibles Mobiliar für die Schule gestaltet. So können immer neue Lernstrukturen aufgebaut werden. Die Schultage bieten viel Gelegenheit zum Austausch untereinander - mit einer gemeinsamen Küche und diversen Räumen, die dazu einladen, Gemeinschaft zu leben. „Wir können uns hier frei entfalten und selbstständig lernen“, sagt Rhiem. In den Lernwerkstätten würden dann thematische Schwerpunkte gesetzt und andere Lernorte in der Stadt besucht. „Beim Thema Natur geht es dann auch mal in den Wald, bei Interreligiosität haben wir die Zentral-Moschee und die Kirche St. Agnes besucht.“

Und was wären wichtige Verbesserungen, um ihren Job besser ausüben zu können? „Geld“, antwortet Parnow sofort. Aber er meint damit nicht sein Gehalt. „Die persönliche Bezahlung ist nicht so Thema.“ Niemand mache den Job des Geldes wegen. Stattdessen geht es ihm um Geld für die Einrichtungen. Dass bauliche Mängel nicht die alltägliche Arbeit behindern, dass eine gute Ausstattung die Förderung der Kinder erleichtert. Helfen könnten auch andere Arbeitszeitmodelle, meint Rhiem: „Eine 40-Stunden-Woche kann vielleicht nicht jeder leisten. Deshalb ist Teilzeitarbeit gut möglich.“ Auch Zeitfenster im Dienstplan zu schaffen für die Vorbereitung, Verschriftlichung oder Elterngespräche, könnte nützen. All dies liefe häufig genug nebenher.

Indra Hofmeier-Pollak leitet die Fröbel-Akademie.

Indra Hofmeier-Pollak leitet die Fröbel-Akademie.

Aber natürlich sei bei alledem der Personalmangel die größte Baustelle. Doch dieser hat die Auszubildenden nicht davon abgehalten, Erzieher werden zu wollen. Parnow sieht es eher andersherum: „Gerade der Mangel sollte doch Motivation sein, um in diesen Beruf zu gehen. Damit können wir nachhaltig etwas bewegen.“ Dass er als Mann in einer Frauen-Domäne arbeite, ist für ihn kein Thema. Da habe sich bereits viel getan. Überhaupt seien die Auszubildenden ganz divers, bestätigt Schulleiterin Hofmeister-Pollak, und das sei ein Gewinn. In der Ausbildung könne jeder seine Stärken entdecken und diese im Kita-Alltag einbringen.

Ob Schreiner oder Konditorin, mit abgebrochenem Studium oder Berufserfahrung. „Wenn sie ihre Potenziale in die frühkindliche Bildung einbringen können, haben sie auch langfristig Lust an der Arbeit“, ist sich Hofmeister-Pollak sicher. Bei all den Auszubildenden, die als Quereinsteiger aus anderen Berufsfeldern in den Erzieherberuf wechselten, sei ihr eins aufgefallen: „Häufig rührte die Unzufriedenheit im alten Job daher, dass vielen der Sinn bei der Arbeit gefehlt hatte. Das ist bei uns grundlegend anders. Hier erleben die Studierenden jeden Tag eine Herausforderung, die sie mit Sinn erfüllt: Die Zukunft für und mit Kindern zu gestalten.“

Sinnhaftigkeit ist für viele das Wichtigste

Die Sinnhaftigkeit ist auch für Rhiem und Parnow wichtig. „Wir können hier gemeinsam anpacken“, sagt Rhiem, „und die Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten.“ Für Parnow geht es auch um Zukunftsgestaltung. Mit Blick auf die vielen Krisen dieser Zeit, sagt er, habe er neulich etwas gelesen, dass er sehr treffend fand: „Wir als Pädagogen, Eltern, Gesellschaft sind dafür verantwortlich, wie Kinder die Welt wahrnehmen - ob als heilloses Chaos, dem sie hilflos gegenüberstehen, oder ob als veränderliches Gefüge, das sie selbst beeinflussen können.“


Personallücke

Von den mehr als 700 Kindertagesstätten in Köln sind 30 Prozent in städtischer Trägerschaft. In diesen 212 Kitas mit 3800 Beschäftigten sind rund 300 Stellen aktuell vakant, circa 80 Menschen langzeiterkrankt. Die Stadt setzt deshalb verstärkt auf Ausbildung.

Bei der Messe der Kölner Berufskollegs „Dein Weg in Ausbildung, Studium und Beruf“ präsentieren sich am Mittwoch und Donnerstag, 27. und 28. November, von 9 bis 16 Uhr 26 städtische und nicht-städtische Berufskollegs sowie zwei Weiterbildungskollegs „Im MediaPark 6“. Der Eintritt ist frei.

Die Fröbel-Akademie, Salierring 47-53, veranstaltet am Freitag, 13. Dezember, von 13.30 bis 15.30 Uhr einen Kennenlernnachmittag. Um Anmeldung wird gebeten. Weitere Informationen unter www.froebel-akademie.de.