Umsetzung nicht vor 2027Mehrheit im Bezirk will Venloer zur Einbahnstraße machen
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Ehrenfeld – Da habe die CDU-Ratsfraktion wohl „einen Stein ins Wasser geworfen“, als sie sich kürzlich dafür aussprach, die Venloer Straße zwischen Ehrenfeldgürtel und Innerer Kanalstraße in eine Einbahnstraße umzuwandeln: Martin Berg, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Ehrenfelder Bezirksvertretung (BV), würde es ausdrücklich begrüßen, wenn dieser Sinneswandel innerhalb der Partei, die sich in der Vergangenheit stets gegen diesen Schritt ausgesprochen hatte, erneut Diskussionen um die Straße auslöste.
„Die gegenwärtige Situation ist nicht haltbar. Auf den Schutzstreifen für Radfahrer parken häufig Pkw und Lkw in zweiter Reihe, und dann müssen die Radfahrer auf die Fahrbahn ausweichen. Das ist zu gefährlich.“
Aufstellen von Schildern reicht nicht
Den Einbahnstraßen-Vorschlag habe die Ratsfraktion in enger Absprache mit dem Ehrenfelder Ortsverein und der Fraktion in der BV getroffen. „Wir haben das in den vergangenen Jahren eingehend beobachtet“, sagt Berg, der sich Ende 2018 mit seiner Fraktion auch dem BV-Beschluss für den Kölner Fahrradgürtel angeschlossen hatte, wonach Melaten- und Ehrenfeldgürtel künftig einen Radweg von 3,75 Metern Breite und nur noch eine Spur für den motorisierten Verkehr pro Fahrtrichtung haben sollen.
Allerdings dürfe sich niemand Illusionen machen, bei einer Einbahnstraßenregelung für die Venloer sei es nicht mit dem Aufstellen von ein paar Schildern getan: „Der Verkehr würde dann auf eine der Parallelstraßen, also Subbelrather Straße, Vogelsanger Straße oder Weinsbergstraße ausweichen“, so Berg. „Auf einer dieser Straßen wäre zum Beispiel eine Einbahnstraßenregelung in die entgegengesetzte Richtung denkbar, aber das müssen die Experten entscheiden.“
Auch die komplizierten Einbahnstraßenregelungen in den Nebenstraßen der Venloer Straße müssten dann neu sortiert werden, und als flankierende Maßnahme schlägt Berg zusätzliche Quartiersgaragen vor, um den Parkdruck auch auf der Venloer zu reduzieren. „Das wird alles einige Jahre dauern.“ Dass damit eine Rückzahlung von Fördermitteln verbunden wäre, die Bund und Land einst für den U-Bahn-Bau unter der Venloer Straße bewilligt hatten, hält Berg für unwahrscheinlich. „Die Zweckbindung entfällt 2027, bis dahin dauern die Planungen für die Einbahnstraße ganz sicher.“
FDP ist strikt gegen die Einbahnstraße
Jürgen Müllenberg vom Presseamt der Stadt bestätigte, dass sich das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung bislang nicht mit dem Thema einer Einbahnstraßenregelung befasst hat, ob diese anderswo zu Verkehrsproblemen führen würde, müsste „im Detail untersucht werden“ – wenn von den politischen Gremien der Auftrag zu einer Prüfung komme.
Was den Bezirk Ehrenfeld angeht, so herrscht derzeit allerdings alles andere als eine einheitliche Meinung zum Thema Einbahnstraße. Überraschend ist etwa die Haltung der Interessengemeinschaft Ehrenfelder Geschäftsleute (IG). Hatten sie vor einigen Jahren den Untergang des Einzelhandels beschworen, wenn das Wort Einbahnstraße fiel, so bleibt der derzeitige IG-Chef betont gelassen: „Auf der Venloer Straße kauft niemand mehr einen Kühlschrank ein oder einen Wohnzimmerschrank, es kommt auch niemand aus Pulheim oder Lövenich“, sagt Dieter Wolf.
„Die Tendenz geht Richtung Gastronomie und Nahversorgung, und solche Kunden kommen häufig mit dem Rad. Da wäre eine Einbahnstraßenregelung vielleicht sogar positiv.“ Bedenken habe er allerdings wegen der Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs. Die sei in Einbahnstraßen höher. „Außerdem glaube ich nicht, dass man das Problem des Parkens in der zweiten Reihe damit gelöst hätte.“
Das glaubt auch Marlis Pöttgen von der FDP nicht, sie ist strikt gegen eine Einbahnstraßenregelung. Seit dem bislang letzten Umbau der Venloer Straße, der vor gerade einmal sieben Jahren beendet wurde und zu dem auch die rote Markierung von Radschutzstreifen auf der Fahrbahn gehörte, sei vieles besser geworden. „Natürlich ist die Situation nicht zufriedenstellend, aber das könnte man mit verstärkten Kontrollen verbessern.“ Das könne das Ordnungsamt zwar nicht permanent leisten, aber wenigstens punktuell, Pöttgen setzt da auf einen Abschreckungseffekt. „Die Planungen für eine Einbahnstraße würden bei der Verwaltung aber auch unnötig Ressourcen binden. Im Vordergrund sollten stattdessen die Umgestaltungen der Vogelsanger Straße und der Keplerstraße stehen, die schon lange beschlossen sind.“
Konstruktive Gespräche mit der CDU
Auch Petra Bossinger, Fraktionsvorsitzende der SPD, bleibt einstweilen skeptisch: „Prüfen kann man eine Einbahnstraßenregelung natürlich, aber dann erwarte ich auch eine gründliche Analyse der Verwaltung, besser als beim Anwohnerparken.“
Christiane Martin und Berndt Petri, Fraktionsvorsitzende der Grünen beziehungsweise der Linken, sind durchaus einverstanden mit dem Kurs der CDU, die Grünen befürworteten diese Lösung schon seit Jahren, so Martin. Beide betonen aber, dass dann die Straße durch Verbreiterung der Schutzstreifen noch sicherer für die Radfahrer werden müsse: „Auch auf der Straße wären unter Umständen bauliche Maßnahmen nötig, damit die Pkw-Fahrer nicht auf die Idee kommen, hier zu rasen“, meinte Martin. Petri schlägt das kostenlose Kurzstreckenticket für KVB-Nutzer vor, damit Kunden aus der näheren Umgebung problemlos anreisen können.
Harald Schuster (Deine Freunde) gehen die Vorschläge nicht weit genug. Zum einen müsse man den Abschnitt der Venloer Straße zwischen Ehrenfeldgürtel und Äußerer Kanalstraße mit berücksichtigen: „Da ist der Radweg auf gleicher Ebene mit dem Gehweg, gleichzeitig sind Rad-Piktogramme auf der Fahrbahn. Das verwirrt die Autofahrer.“ Sinnvoll wäre für den Initiator der „Radkomm“ eine konsequente Bevorzugung des Radverkehrs – indem man Teile der Venloer Straße zur Radstraße erklärt oder ganz für den motorisierten Verkehr sperrt. „Wo könnten wir etwas ausprobieren, wenn nicht auf der Venloer Straße. Hier sind stadtweit prozentual die meisten Räder unterwegs, die Bevölkerung ist offen für solche Veränderungen. In New York hat man den Times Sqaure für den Verkehr gesperrt. Das hat keineswegs zu einer Katastrophe geführt, weil die Verkehrsteilnehmer umgestiegen sind.“ Nach der diesjährigen Radkomm möchte Schuster möglichst einen Workshop mit Stadt- und Verkehrsplanern ansetzten, um Visionen für die Venloer Straße zu entwickeln. Auch auf die Gespräche mit der CDU freue er sich, „die waren schon beim Fahrradgürtel sehr konstruktiv“.
Die Beschlusslage in der Bezirksvertretung
Die Verkehrssituation auf der Venloer Straße ist häufig Gegenstand von Diskussionen und Anträgen der Ehrenfelder Bezirksvertreter. Zuletzt haben sie die Verwaltung mit einem gemeinsamen Antrag beauftragt, die Ladezonen auf der Venloer Straße im Abschnitt zwischen Innerer Kanalstraße und Ehrenfeldgürtel deutlicher kenntlich zu machen. Analog zum Modellversuch auf der Zülpicher Straße durch eine Kennzeichnung der entsprechenden Flächen mit dem Wort „Ladezone“. Denn häufig würden die Ladezonen achtlos von Pkw-Fahrern zugeparkt, der Anlieferverkehr sei dann oft gezwungen, auf dem Radschutzstreifen zu halten und Waren auszuladen.
Hierdurch kommt es zu Gefährdungen für Radfahrer, die auf die Fahrbahn ausweichen müssen und dann mit Autofahrern in Konflikt geraten. In zahlreichen Fällen sei den Autofahrern gar nicht bewusst, dass sie ihren Pkw in einer Ladezone abstellen, da diese sich bis auf die Beschilderung nicht von regulären Parktaschen unterscheiden.
Auch wurde um Auskunft über die Zahl der geahndeten Verkehrsverstöße auf Rad- und Fußwegen gebeten. Die Verwaltung teilte mit, dass im Jahr 2018 auf der Venloer Straße im Rahmen von Kontrollen durch die Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung insgesamt 135 Verstöße geahndet wurden. Diese geringe Zahl löste einiges Erstaunen bei den Bezirksvertretern aus. Zum Vergleich: Bei einer Schwerpunktaktion auf der Venloer Straße ließ die Polizei Anfang Mai 37 Autos abschleppen und sprach 154 Verwarnungen aus – innerhalb von vier Stunden . (hwh)