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Ärgernis „Rad-Rowdys“Ehrenfelder fordern Fußgängerbeauftragten für Köln

Lesezeit 6 Minuten

Autos, Fahrräder, Fußgänger: Der Platz auf den Straßen und Gehwegen ist knapp, Konflikte sind an der Tagesordnung.

Köln-Ehrenfeld – Ein ironisches Lächeln kann sich Heiko Nigmann nicht verkneifen, wenn er an seinen Besuch auf einer Sitzung des „Runden Tischs Fahrrad“ in Ehrenfeld zurückdenkt. Politiker aus der Bezirksvertretung hätten da zusammengesessen, fünf Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) und vier Mitarbeiter aus dem Team des Fahrradbeauftragten der Stadt, um über Verbesserungen für den Radverkehr zu reden. „Und wer vertritt die Interessen der Fußgänger?“, hatte Nigmann gefragt. „Das machen wir noch mit“, habe ihm einer der Rad-Experten aus der Verwaltung geantwortet. Nigmann hatte seinen Ansprechpartner gefunden: „Dann seid ihr also dafür verantwortlich, dass man als Fußgänger an roten Ampeln beinahe gezwungen ist, die Masten hochzuklettern wie ein Äffchen, weil man sonst von Radfahrern über den Haufen gefahren wird?“

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Vor allem die Situation an den großen Kreuzungen wie Venloer Straße/Ehrenfeldgürtel oder Subbelrather Straße/Innere Kanalstraße ist Heiko Nigmann ein ständiges Ärgernis: Nur wenig „Aufstellplatz“ für Fußgänger in den Stoßzeiten, Radfahrer aus den Querstraßen, die mit hoher Geschwindigkeit durch die wartende Menge rasen.

Dazu eine chaotische Führung von Rad- und Gehwegen, die sich hier kreuzen und deren Markierungen auf dem Pflaster häufig eher an abstrakte Kunst erinnern und vor allem für Ortsfremde kaum zu dechiffrieren wären - wenn sich denn jemand dafür interessierte. „Alles nicht durchdacht“, lautet das Urteil des 72-Jährigen. Und er kann noch über eine Menge anderer Problemzonen für Fußgänger berichten.

Auf die Unterstützung der übrigen Bezirksvertretungen hofft der Ehrenfelder Seniorenvertreter Heiko Nigmann.

Aber Heiko Nigmann ist nicht nur Fußgänger, sondern seit Jahren schon Seniorenvertreter, derzeit Sprecher der Seniorenvertretung Ehrenfeld. Die darf zwar keine Anträge an die Bezirksvertretung stellen, aber Wünsche äußern und Vorschläge machen. So haben die Ehrenfelder Bezirksvertreter auf ihrer jüngsten Sitzung auf „Anregung der Bezirksseniorenvertretung“ einstimmig einen Beschluss gefasst: Auf städtischer Ebene soll die Stelle eines Fußgängerbeauftragten eingerichtet werden, analog zum Fahrradbeauftragten. „Bestehende Gefährdungen, Missstände sollen abgebaut und Fußgängerinteressen bereits im Planungsstadium berücksichtigt werden. Hiermit soll eine Benachteiligung von Fußgängern gegenüber anderen Mobilitätsteilnehmern vermieden werden“, heißt es in der Begründung des Antrags.

Die Rücksichtslosigkeit der Radfahrer

Ein Etappensieg für Heiko Nigmann, der sich dieses Problems seit 2017 annimmt, als er beratendes Mitglied des Beschwerdeausschusses war und dort eine ähnlich gelagerte Bürgereingabe behandelt wurde. „Damals antwortete die Verwaltung noch, die Interessen der Fußgänger würden berücksichtigt, erst kürzlich habe man doch in der Innenstadt Schilder aufgestellt, die die fußläufige Distanz zum Dom in Metern angeben“, erzählt er kopfschüttelnd. Dabei sei der Unmut vieler Bürger mit Händen zu greifen, wenn neuerdings ständig von Verbesserungen für Radfahrer die Rede ist, Fußgänger aber kaum erwähnt würden. „Im Konzept ,Köln Mobil 2025' tauchen Fußgänger gerade mal in zwei Halbsätzen auf.“ Eines müsse aber klar sein: „Die Anliegen der Radfahrer kann ich verstehen, es ist nicht meine Absicht, Radfahrer und Fußgänger gegeneinander auszuspielen.“

Andererseits müsse dringend über die Rücksichtslosigkeit einiger Radfahrer gesprochen werden. Die seien auf den Radwegen häufig entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung unterwegs, rasten auch mal über den Gehweg, ignorierten regelmäßig rote Ampeln. „Wenn man sie darauf anspricht, hört man noch: „Halt die Fresse, Opa.“ Vielen Radfahrern mangele es offensichtlich an Kenntnissen zur Rechtslage, auch die Polizei ahnde solche Verstöße viel zu selten. Ein weiteres Problem seien die mit Rädern zugeparkten Gehwege. Betroffen seien dann auch jüngere Menschen, zumal wenn sie mit einem Kinderwagen unterwegs sind. Aber natürlich stellten die „Rad-Rowdys“ für Senioren, die häufig in ihrer Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit eingeschränkt sind, deren Seh- und Hörvermögen nachlässt, eine besondere Bedrohung dar. „Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn erst einmal Kinder mit E-Rollern auf den Gehwegen herumfahren, die kommen ja immerhin auf zwölf 12 Stundenkilometer. Das wird eine Katastrophe“, prophezeit Nigmann.

Auch, weil sich die Verwaltung der Gesamtproblematik offensichtlich nicht bewusst sei. Das erkenne man etwa an den Zebrastreifen, die in engen Straßen oft direkt auf den Radweg der gegenüberliegenden Straßenseite führten, ohne dass dies durch die Markierung angezeigt würde. An den Mittelinseln – oder Querungshilfen - , die viele Senioren in Gefahr brächten, weil ihnen nicht klar sei, dass hier der übrige Verkehr Vorfahrt hat. Oder an den vielen Radwegen, deren Rotmarkierung völlig verblasst sei, sodass die Grenze zum Gehweg kaum noch zu erkennen ist.

Fußgängern mehr Raum geben

Ihm sei klar, so Nigmann, dass eine „fußgängergerechte Stadt“ eine Riesenaufgabe ist: „Wie man etwa die Führung der Rad- und Gehwege an den Ampeln besser regeln könnte, weiß ich auch nicht, ich bin ja kein Planer“, gibt er zu. Er wünsche sich aber, dass über eigene Radampeln in Blickhöhe der Radler nachgedacht werde, wie sie in den Niederlanden üblich seien. Damit könne man Radfahrer zum Anhalten in einem ausreichenden Abstand zu den „normalen“ Ampeln veranlassen, um den Fußgängern mehr Raum zu geben. Auch über zusätzliche Zebrastreifen solle man nachdenken, um älteren Menschen das Überqueren der Straßen zu erleichtern, und weil es den Verkehr insgesamt verlangsamt.

Gerade weil die Aufgabe so anspruchsvoll ist, müsse die Stelle eines Fußgängerbeauftragten eingerichtet werden, dafür sollen sich die Seniorenvertreter nun auch in den anderen Bezirksvertretungen einsetzen. Heiko Nigmann rechnet mit großer Unterstützung: „Man darf ja nicht vergessen, dass in Köln etwa 250 000 Menschen leben, die älter als 60 sind - und rund eine Million Fußgänger.“

Drei Fragen an...

Harald Schuster ist Bezirksvertreter und Initiator der Radkomm.

Harals Schuster, Bezirksvertreter und Initiator der Radkomm

Haben Sie den Antrag ohne Bauchschmerzen unterschrieben?

Selbstverständlich. Für uns kommen die Fußgänger an erster Stelle. Wir hatten auf der letzen Radkomm einen eigenen Workshop mit der Überschrift: „Geht doch!“ Das war als Aufforderung zu verstehen, mehr zu Fuß zu gehen. Aber es ist richtig, dass in den vergangenen Jahren sehr viel über den Radverkehr diskutiert wurde und zu wenig über die Fußgänger.

In Ehrenfeld wurde auf Ihre Initiative hin immerhin eine Mindestbreite für die Gehwege beantragt, und auch eine Beschränkung des Parkens von Rädern vor Supermärkten.

Ja. Weil vielen Radfahrern diese Problematik gar nicht bewusst ist. Ich wäre dafür, die Räder in den Parkbuchten für die Pkw abzustellen. Fußgänger und Radfahrer haben doch einen gemeinsamen „Gegner“: den automobilen Verkehr. Der nimmt zu viel des städtischen Raums ein. Und die Forderung nach mehr Zebrastreifen etwa liegt voll auf unserer Linie, die Klagen über den Zustand der Radwege ebenso.

Der Radbeauftragte der Stadt hat daran bislang ja offensichtlich auch noch nichts durchgreifend geändert.

Das liegt an den Strukturen. Bislang waren die Planer hauptsächlich mit großen Straßen beschäftigt, für Radfahrer und Fußgänger hat sich niemand interessiert. Die müssen das jetzt lernen, das kann noch einige Jahre dauern.