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Heizkosten-ExplosionAbrechnungen machen Mieter in Bickendorf ratlos

Lesezeit 3 Minuten
Vier Männer und eine Frau stehen im Hof einer Wohnanlage mit vielen mehrgeschossigen Gebäuden.

Für mehr Transparenz bei den Heizkostenabrechnungen kämpfen Alexander Woosmann, Oliver Holdgrün, Alexandra Chernikova, Osman Kirac und Georg Pusch (v.l.).

Differenzen bei der Heizkostenabrechnung ließen viele GAG-Mieter in Bickendorf ratlos bis empört zurück. Schuld ist offenbar ein Versorgerwechsel.

Als die Mieter in den Vitalishöfen im vergangenen Herbst ihre Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2023 erhielten, war die Verwirrung oft groß: „Einige mussten bis zu 900 Euro nachzahlen, andere gar nichts oder nur 200 Euro“, berichtet Oliver Holdgrün. Wie diese Unterschiede zustande kommen, sei unklar, die Abrechnungen seien nicht transparent. „Jahrelang ist auch niemand vorbeigekommen, um die Zähler abzulesen“, so Alexander Woosmann.

Mit einem offenen Brief an ihren gemeinsamen Vermieter, die GAG Immobilien AG, protestieren nun 80 Bewohner der Vitalishöfe gegen die „Höhe und die unfaire Berechnung der Nahwärmeversorgung.“ Viele von ihnen glauben, dass die GAG die Heizkosten nun wieder nach dem Schlüssel 50 Prozent Grundkosten plus 50 Prozent individueller Verbrauch berechnet. Gegen diesen Schlüssel hatte Georg Pusch bereits vor etwa zehn Jahren mit Erfolg eine Initiative in den Vitalishöfen gestartet. „Damals war die Rhein-Energie noch der Energielieferant, sie ließ sich auf eine Änderung des Schlüssels ein. Danach machten die Grundkosten nur noch 30 Prozent aus, der individuelle Verbrauch 70 Prozent“, erzählt er.

Mieter wollen 50:50 Schlüssel nicht

Doch seit die GAG im Jahre 2022 die Wärmeversorgung von der Rhein-Energie AG übernommen hat, gelte offensichtlich wieder der 50:50-Schlüssel. „Das ist ungerecht, einige reißen ja die Fenster auf und drehen gleichzeitig die Heizung hoch, für die zahlt man mit“, meint Mieterin Alexandra Chernikova. Auch mit Blick auf den Klimawandel und die gebotene Schonung der Ressourcen sei der 50:50-Schlüssel nicht mehr vertretbar, sagt Pusch: „Von einem städtischen Unternehmen erwarte ich soziale Verantwortung. In anderen Immobilien der GAG wird ja auch der 30:70-Schlüssel angewendet.“

Allerdings sei ein Teil der Kostensteigerungen wohl auf die allgemeine Erhöhung der Energiekosten infolge des Ukraine-Krieges zurückzuführen, so Pusch. Wie viel das ausmache, sei schwer einzuschätzen. „Undurchsichtig sind die Abrechnungen aber auch, weil der Verbrauch vieler Haushalte hier seit Jahren nur noch geschätzt wird.“ Mieter dürften in solchen Fällen 15 Prozent der Heizkostenabrechnungen abziehen: „Aber darüber sind wir nicht informiert worden“, sagt Osman Kirac.

Unternehmen vergaß, in den Vitalishöfen zu messen

Auf Nachfrage erklärt GAG-Sprecher Jörg Fleischer jedoch, die Heizkosten seien „nicht geschätzt“ worden. Für die Jahre 2022 und 2023 hätten ausschließlich die Grundkosten, die sich nach der Größe der Wohnungen richten, als Berechnungsgrundlage gedient. Das sei keine Absicht gewesen, sondern Resultat einer Panne: Als die Tochtergesellschaft GAG Servicegesellschaft mbH (GAG SG) die Zentralheizungen von der Rhein-Energie übernahm, habe das Unternehmen, das bis dahin für die Messungen zuständig war, diese irrtümlich in den Vitalishöfen nicht mehr durchgeführt: „Daraufhin hat die GAG den Einbau eigener Zähler beauftragt, sodass seit Anfang 2024 wieder mit individuellen Verbrauchsdaten gearbeitet werden kann“, sagt Fleischer.

Für das Jahr 2024 – die Abrechnungen werden im Laufe dieses Jahres erstellt – gelte wieder der Schlüssel 30 Prozent Grundkosten und 70 Prozent Verbrauchskosten. Eine Rückkehr zum 50:50-Schlüssel habe nie zur Diskussion gestanden, schließlich habe „auch die GAG ein starkes Interesse daran, das Verbrauchsbewusstsein ihrer Mietenden zu stärken“, so Fleischer. Doch die Lage in den Vitalishöfen sei kompliziert: Etwa ein Fünftel der rund 600 Wohnungen werde mit der Wärme aus Heizanlagen versorgt, die der GAG schon vor 2021 gehörten.

Für diese Wohnungen gelte noch die alte 50:50-Aufteilung, aber die GAG arbeite daran, „eine einheitliche Berechnungsgrundlage herzustellen“. Auch für diese Wohnungen also soll demnächst der 30:70-Schlüssel gelten. Ganz so einfach und Konflikt-unanfällig ist das aber nicht, wie Jörg Fleischer erläutert: „Wer eine Wohnung hat, die an den Seiten und oben und unten von anderen Wohnungen umgeben ist und von dort ‚mitbeheizt‘ wird, der profitiert von dem neuen Schlüssel. Mieter einer Wohnung in Randlage sehen das oft anders.“