Köln – Sie kommen verlässlicher als die meisten Bahnen: Die Preiserhöhungen für Tickets im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Kontinuierlich werden die Fahrscheine für Bus und Bahn im Verkehrsverbund Rhein-Sieg teurer – und damit auch die der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Klar, ÖPNV kostet. Erst recht, wenn er zum Dreh- und Angelpunkt der Verkehrswende werden soll: Mit einem gut ausgebauten Netz und moderne Fahrzeugen. Und da ist sie, die Krux.
Werden die Kosten für eine solche Attraktivitätskampagne auf die Tickets umgelegt, dreht der Autofahrer ab und den Zündschlüssel um. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, haben sich schon viele Kölner Ratsmehrheiten auf die Fahne geschrieben, doch nie waren die Buchstaben größer als beim jetzigen Bündnis aus Grünen, CDU und Volt. Bei der Marschroute sind sie noch dicht beisammen: Die Tickets im ÖPNV dürften nicht immer teurer werden, sagen alle verkehrspolitischen Sprecher im Bündnis. Doch bei der Gegenfinanzierung ist die Stoßrichtung noch ein wenig zerfasert.
Radikal: Das Ticket für einen oder null Euro
Sie ist keine Frau pompöser Auftritte, aber bei den Themen „kostenloser“ ÖPNV oder 365-Tage-Ticket ging KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks auf die große Bühne. Ganzseitig griff die Frankfurter Allgemeine Zeitung diese Themen auf. Und Haaks’ Zitate lassen keinen Zweifel zu: Davon hält sie nichts. Denn zahlt der einzelne Kunde nicht, müssen es alle Steuerzahler tun. „Und diese Finanzierungszusagen müssen dann auch sicher gestellt werden“, gibt Haaks auf Nachfrage der Rundschau zu bedenken. Zudem sieht sie die Gefahr, dass bei solch enormen Subventionen nicht mehr genug Geld für den nötigen Ausbau überbleibt.
30 Prozent mehr Fahrgäste, damit rechnen die Verkehrsbetriebe, würde der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) für die Kunden „kostenlos“ angeboten , also zu 100 Prozent durch Steuermittel finanziert.
300 Millionen Euro im Jahr würde es voraussichtlich alleine im Verkehrsverbund Rhein-Sieg kosten, die Kapazitäten des ÖPNV für diesen Zuwachs zu erweitern.
120 Euro im Jahr kostet der Anwohnerparkausweis in Wien. Unter anderem mit den Einnahmen daraus wird in der Alpenmetropole das dort erhältliche 365-Tage-Ticket finanziert. (ngo)
Teresa De Belis, verkehrspolitische Sprecherin der CDU, springt auf den Zug auf: „Die Verkehrswende muss bezahlt werden“, sagt sie. Dafür brauche es auch das Geld aus Ticketeinnahmen. Bestenfalls Abo-Tickets. Die geben Finanzsicherheit. Eine Verteilung der Kosten auf alle Bürger lehnt sie grundsätzlich ab. „Wer weiterhin den ÖPNV nicht nutzen möchte, soll dafür auch nicht vollumfänglich bezahlen müssen“, sagt die Christdemokratin.
Bei dieser These steigen die Grüne schon mal aus. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen kostenlosen ÖPNV“, sagt Lars Wahlen, Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Ratsfraktion. Aber das könne nur ein langfristiges Ziel sein. Max Pargmann von Volt erinnert daran, dass laut des Bündnisvertrags das 365-Tage-Ticket zumindest zu prüfen ist. Und noch jemand sprach sich in seinem Wahlkampf für dieses Ticket aus: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Kompromiss: Die dritte Säule
Sie ruht auf zwei Säulen, die Finanzierung der KVB: die eigenen Erlöse und der Zuschuss der Stadt Köln. Trägt das bei den enormen Zukunftsaufgaben? Das Ratsbündnis will eine dritte Säule zur Absicherung: Zuschüsse von Land und Bund. Denn die Verkehrswende könnten die Kommunen alleine nicht stemmen. Darüber gibt es sogar Einigkeit über das den Kölner Stadtrat hinaus. In der Verbandsversammlung des Verkehrsverbunds machen sich neben Grünen, CDU und Volt auch die SPD und die FDP dafür stark. Unrealistisch scheint dieser Ansatz vor allem nach der Bundestagswahl nicht mehr: „Wir schauen da mit Hoffnung auf die Ampel“, sendet Lino Hammer (Grüne) ein Signal nach Berlin. Er sitzt in Köln dem Verkehrsausschuss vor und ist KVB-Aufsichtsratsvorsitzender. Doch wie sicher stünde ein dritte Säule? Der Bund hat enorme Kosten zu stemmen für in Aussicht gestellte Sozialmaßnahmen, die Klimawende und durch die Pandemie. Bleibt da noch etwas über für die KVB, und das auf Dauer?
Kontrovers: City-Maut und Nutznießer-Prinzip
Die Sozialverträglichkeit beim Ticketpreis ist für Lars Wahlen von den Grünen ein wichtiger Aspekt. „Auch die, die nicht viel Geld haben, müssen sich ein Ticket leisten können.“ Und er zieht den Umkehrschluss: „Wer mehr hat, soll auch mehr zahlen.“ Dass manche dazu bereit seien, für Mobilität tiefer in die Tasche zu greifen, macht er an den Leihangeboten für E-Scooter fest. Da kann eine einstündige Fahrt schon mal 13 Euro kosten. Auch würde Wahlen gerne die „Nutznießer“ mehr zur Kasse bitten. Als solche bezeichnet er unter anderem Arbeitgeber oder Einzelhändler in Köln, die nicht direkt für den ÖPNV bezahlen, sehr wohl aber davon profitieren. Damit steht er nicht allein, das Nutznießer-Prinzip steht auch in dem Antrag aller Fraktionen im Verkehrsverbund.
Sozialverträglich? Dafür hat Max Pargmann eine Idee. Der verkehrspolitische Sprecher von Volt wirbt für das Bürgerticket. Die Kölner sollen es bekommen, beispielsweise wenn sie auf einen Parkplatz in ihrem Viertel verzichten. In wie weit es vergünstigt oder gar kostenlos sein kann, lässt er offen. Aber er hat klare Vorstellungen von der Finanzierung. „Eine Kostenumlegung auf den motorisierten Individualverkehr.“ So könnten die Parkkosten deutlich erhöht werden und in den ÖPNV fließen. Zudem: „Eine City-Maut.“ Immer wieder ist dieser „innerstädtische Einlassgebühr“ in Köln Thema. Bisher findet sie noch keine Mehrheit im Stadtrat. Aber der Druck steigt bei der Suche nach Geldquellen. Pargmann weiß das durchaus: „Bisher sind wir mit diesen beiden Modellen die einzigen, die einen konkreten Finanzierungsvorschlag gemacht haben.“