Chorweiler – Fünf Stationen der S-Bahntrasse, die Köln mit Dormagen, Neuss und Düsseldorf verbindet, liegen im Bezirk Chorweiler. Die Linien S6 und S11 gehören für dessen Bewohner zu den wichtigsten öffentlichen Nahverkehrsmitteln. Doch ob die Bahnen tatsächlich dem Fahrplan entsprechend kommen – dessen kann man sich hier nie so sicher sein.
Zug fährt um Chorweiler herum
Denn sobald der Bahnbetrieb der Region zu sehr aus dem Takt gerät und sich Verspätungen auf den Linien häufen, weichen die Züge, um Zeit zu sparen, auf ein Gleis aus, das um den Bezirk herumführt: Züge vom Bahnhof Longerich halten dann als nächstes in Dormagen-Chempark und umgekehrt. Bürgervereinigungen, ansässige Institutionen und die Lokalpolitik beklagen diesen Umgang mit der sogenannten „Chorweiler Schleife“ schon seit geraumer Zeit.
Im vergangenen Januar hatten nun die Fraktionen der CDU und der Grünen in der Bezirksvertretung Chorweiler über die Verwaltung wieder einmal eine Anfrage an den Nahverkehr Rheinland (NVR) gestellt, in der sie sich erkundigten, wie oft die S-Bahnen den Bezirk im vergangenen Jahr tatsächlich umfahren hatten. Weiterhin fragten sie nach, welche weiteren Bahn-Ausfälle den Bezirk getroffen hatten, welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um Ausfälle und Umfahrungen zu minimieren, und ob diese finanziell sanktioniert worden seien.
1,4 Mal am Tag hält der Zug nicht
Die Antwort auf der Tagesordnung der für den März vorgesehen, dann jedoch abgesagten Sitzung der BV Chorweiler zeigt die Dimension des Problems auf: Insgesamt umfuhr die S11 den Bezirk im Jahr 2020 in 507 Fällen – durchschnittlich also gut 1,4 Mal pro Tag. Das sind 97 Umfahrungen mehr als im Jahr 2018, als der Bezirk 410 Mal ausgelassen wurde, aber immerhin 109 Mal seltener als im Jahr 2019, das mit 616 Umfahrungen den Spitzenwert der vergangenen Jahre lieferte.
Weiterhin waren bei S11 und S6 zwischen Januar und November 2020 jeweils fast zehn Prozent der Fahrten komplett ausgefallen, was sich jedoch auch durch die Fahrplananpassungen wegen des Lockdowns im Frühjahr erkläre. Was Gegenmaßnahmen anging, wurde lediglich vermerkt, dass der NVR sich „im ständigen Austausch mit der DB Regio AG zur Verbesserung der Qualität“ befinde.
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Wolfgang Kleinjans, der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der BV Chorweiler, reagierte merklich frustriert auf die Antwort. Grund dafür war jedoch weniger die hohe Zahl der Umfahrungen, sondern die Begründung, die die Antwort mitlieferte: Diese seien bedingt durch „infrastrukturelle Störungen, Verspätungen aus Vorleistungen und Entscheidungen zum Verspätungsabbau“, so der NVR. „Das heißt im Klartext, wir werden als Bezirk zweiter Klasse gesehen, als unwichtig“, so Kleinjans. „Wichtiger ist das Ziel, das Netz pünktlich zu halten. Unser Bezirk wird damit zu einer Ausweichstrecke, die angefahren wird, wenn es passt, ansonsten eben nicht.“
Ärgerlich sei dies vor allem, weil im langwierigen Bemühen um einen besseren Ausbau des ÖPNV im Bezirk von Seiten der Verwaltung gerne auf die S-Bahnlinien verwiesen werde, durch die der Bezirk bereits gut angebunden sei. „Immer wieder heißt es, ihr habt ja die S-Bahn. Das kann man irgendwann nicht mehr hören, wenn man wieder einmal eine Stunde am S-Bahnhof verbracht hat, weil keine Bahn gekommen ist“, machte Kleinjans seinem Ärger Luft. Er erinnerte daran, dass die Stadt auch bei der Anbindung des geplanten neuen Stadtteils Kreuzfeld auf die S-Bahntrasse als ÖPNV-Anbindung setze. „Wer damit Leute nach Kreuzfeld locken will, produziert vor allem neue Autofahrer.“
Unterstützung von Rolf Mützenich und Karl Lauterbach
Um Gehör beim Bundesbetrieb der Deutschen Bahn zu finden, hatten die Bezirksvertreter nun die Unterstützung mehrerer, teils sehr prominenter Kölner Bundestagsangehörigen gewinnen können: Rolf Mützenich, Karl Lauterbach (beide SPD), Sven Lehmann, Katharina Dröge (beide Grüne), Reinhard Houben und Matthias W. Birkwald (Linke) hatten Anfang März einen gemeinsamen Offenen Brief an die DB Region AG unterzeichnet, in dem sie diese aufforderten, Möglichkeiten darzulegen, die Mobilität der Bewohner des Bezirks zu verbessern. Diese hätten ein „hohes Interesse daran, dass die Anbindung ihrer Stadtteile verlässlich funktioniert“, wie es im Brief heißt. Wenige Tage später meldete sich auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Gisela Manderla zu Wort, die erklärte, sie „unterstütze selbstverständlich jede Initiative, die sich dafür einsetzt, die Lage im ÖPNV zu verbessern“.
Trotz der namhaften Unterstützung rechnet Kleinjans nicht damit, dass sich kurz- bis mittelfristig Verbesserungen erreichen lassen. „Es wird sich wohl erst etwas ändern, wenn die S-Bahn auf der ganzen Trasse ein eigenes Gleis hat, das sie nicht mit dem Fern- und Güterverkehr teilen muss“, so Kleinjans. „Das kann noch dauern.“ Angesichts der massiven Bauvorhaben, die NVR und die DB Netze vor kurzem für den Bahnknoten Köln angekündigt haben, ist Kleinjans Pessimismus nachvollziehbar: Gut 250 Millionen Euro sollen in diesem Jahr in fünf verschiedene Infrastrukturmaßnahmen im Raum Köln fließen, darunter ein neues elektronisches Stellwerk für den Hauptbahnhof und die linksrheinischen Strecken. Dass diese Maßnahmen ohne Einschränkungen für die Fahrgäste ablaufen werden, steht wohl nicht zu erwarten.